Weitet sich der Nahost-Konflikt auf den Iran aus, kann das die globale Ölversorgung einschränken. Der Ölmarkt reagiert daher sensibel auf jede weitere Eskalation.
Der Iran, ein Opec-Mitglied, fördert täglich über drei Millionen Barrel Rohöl und ist daher zentral für die Ölversorgung.
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Die unsichere Lage in Nahost ist eine geopolitische und humanitäre Katastrophe. Und sie sorgt für Nervosität auf dem Ölmarkt. Denn der Nahe Osten ist eine der ölreichsten Regionen der Welt.
Kommt es dort zu Spannungen, steigen die Risikoaufschläge für Öl. Die Rohölsorten Brent und WTI sind inzwischen rund 15 Prozent teurer als noch zu Jahresbeginn. Die Preise reagieren sehr sensibel auf jede neue Eskalation. Finanzmarktexperte Andreas Lipkow sagte:
In der Nacht auf Freitag verhinderte die iranische Luftabwehr US-Medien zufolge einen Drohnenangriff, der mutmaßlich von Israel ausging. Unmittelbar nach Bekanntwerden der Berichte zogen die Preise für WTI und Brent deutlich an. Bis zum Samstags fielen sie jedoch wieder unter das Vortagesniveau. Kapitalmarktstratege Jürgen Molnar sagte:
Die Börsen reagierten nervös auf die Meldungen aus dem Iran, die Kurse in Asien gingen runter und die Ölpreise rauf. Wie es um den DAX steht, weiß ZDF-Börsenexperte Frank Bethmann.19.04.2024 | 1:14 min
Kein Versorgungsengpass zu erwarten
Der Iran spielt eine wichtige Rolle bei der Ölversorgung. Mehr als drei Millionen Barrel Rohöl fördert das Opec-Mitglied derzeit täglich. Gut die Hälfte davon geht trotz US-Sanktionen ins Ausland, vor allem nach Asien.
Sollte Israel einen Angriff auf die iranische Energieinfrastruktur planen, könnte aber die Opec mehr Öl fördern und die fehlende Menge ersetzen. Das zeigt eine Analyse der Bank ING. Von einem Versorgungsengpass ist also nicht auszugehen.
Nach dem mutmaßlich israelischen Angriff in Iran sieht es derzeit nach keiner weiteren Eskalation aus. Irans Präsident erwähnt die Attacke in einer Rede nicht einmal. 20.04.2024 | 2:23 min
Blockade der Öllieferwege
Das größere Risiko: Iran liegt an der Schifffahrtsstraße Hormus, über die etwa ein Fünftel der globalen Ölversorgung transportiert wird. Die Islamische Republik hat bereits mehrfach damit gedroht, diese Straße im Konfliktfall zu sperren. Dann könnten Asien, Westeuropa und die USA nicht mehr mit Öl aus dem Nahen Osten versorgt werden.
Die Commerzbank-Ökonomen Thu Lan Nguyen und Carsten Fritsch gehen davon aus, dass der Ölpreis wegen der Spannungen in der zweiten Jahreshälfte weiter steigen wird. Auch Analysten von Citi Research warnen:
Kriege in der Region haben schon in der Vergangenheit Ölpreisschocks ausgelöst. Vor gut 50 Jahren führte der Jom-Kippur-Krieg zur ersten Ölkrise.
Als am jüdischen Feiertag Jom Kippur im Oktober 1973 ägyptische und syrische Truppen Israel angriffen, kam es zu wochenlangen Kämpfen (Jom-Kippur-Krieg). Auf die US-Unterstützung Israels reagierend verhängten die Mitgliedsstaaten des Ölkartells OPEC ein Ölembargo gegen die USA und andere Länder, die Israel unterstützten. Ölpreise stiegen drastisch an.
Die Folgen für Deutschland: hohe Inflation, gebremstes Wirtschaftswachstum, Arbeitslosigkeit. Um Energie zu sparen, wurden Schwimmbäder geschlossen, Ferien verlängert, autofreie Sonntage und die Sommerzeit eingeführt.
Preissteigerungen gefährden Weltkonjunktur
Ein Flächenbrand in der Region hat also durchaus Potential, den Ölpreis weiter in die Höhe zu treiben. Dies wiederum könnte in vielen Ländern die Inflation wieder anheizen. Nach Berechnungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) erhöht ein Ölpreisanstieg um 15 Prozent die weltweite Inflationsrate um 0,7 Prozentpunkte. Mit Risiken für die Wirtschaft.
Haushalte, die mehr für Energie zahlen müssen, können weniger für anderes ausgeben. Der private Konsum mache gut zwei Drittel der Wirtschaftsleistung aus, erklärt Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank. Ohne eine Belebung der Kaufkraft sei ein Aufschwung deshalb kaum möglich.
US-Medien berichteten, dass Israel nun auf den iranischen Angriff von Sonntag reagiert hat. Doch Teheran gibt sich gelassen. Israel äußerte sich bisher gar nicht. 19.04.2024 | 1:55 min
Steigende Ölpreise können Zinssenkung torpedieren
Ein erneuter Anstieg der Inflation könnte die Notenbanken zudem von den lang erwarteten Zinssenkungen abhalten. Da die Inflation zuletzt rückläufig war, erwarten Experten, dass die Europäische Zentralbank die Zinsen im Juni erstmals wieder senken wird. Das sei nun zumindest fraglicher geworden, so Gitzel. Thomas Gitzel sagte:
Hohe Zinsen verteuern Investitionen und schwächen so die Konjunktur. Ein länger anhaltender Ölpreisanstieg würde sich "nachteilig auf die ohnehin fragile konjunkturelle Lage in Europa auswirken", betont auch DZ-Bank-Ökonom Jan Holthusen.
Von Panik an den Märkten kann noch keine Rede sein. Allerdings treibt jede weitere Eskalation im Nahen Osten den Ölpreis zumindest kurzfristig in die Höhe. Jetzt kommt es auf die Reaktion aus Teheran und die weitere Entwicklung an.
Durch den Hamas-Überfall auf Israel ist der Nahost-Konflikt eskaliert - das israelische Militär reagiert mit Militäroperationen. Aktuelle News und Hintergründe im Liveblog.