Standort Deutschland: Für Wirtschaft unattraktiver
Wirtschaftsstandort Deutschland:Investoren wollen keine Wurzeln schlagen
von Sina Mainitz
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Investoren machen laut der KPMG zunehmend einen großen Bogen um den Wirtschaftsstandort Deutschland. Gründe sind Bürokratie, hohe Energiekosten und mangelhafte Digitalisierung.
Baden-Württemberg, Rottweil: Ein Plasmaschneider schneidet in einem Stahlhandel aus einem Grobblech Teile aus.
Quelle: dpa
Zwar kann sich Deutschland seit kurzem wieder die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt nennen, doch wenn es darum geht, hier wirtschaftlich Wurzeln zu schlagen, winken viele Investoren ab. Nach Angaben der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG ist der Wirtschaftsstandort Deutschland für Investoren nur noch im Mittelfeld.
Die KPMG hat zwischen September und Dezember 350 Finanzvorstände deutscher Tochtergesellschaften internationaler Konzerne befragt. Als größte Investitionshindernisse wurden überbordende Bürokratie (61 Prozent) und hohe Energiekosten (57 Prozent) genannt, gefolgt von mangelhafter Digitalisierung, Regulierungsvorgaben für Umwelt, Soziales und Unternehmensführung und fehlender Technologieoffenheit (31 Prozent).
Jeder Zweite will nicht in Deutschland investieren
Laut KPMG-Bereichsvorstand Andreas Glunz schätzt aktuell fast jeder zweite internationale Finanzvorstand andere Länder und Regionen als wachstumsstärker ein und will in den kommenden fünf Jahren vorrangig dort investieren.
Streit um den Wirtschaftsstandort: Die Zukunft des Wachstumschancengesetzes ist weiterhin ungewiss. Für Wirtschaftsvertreter ist das ein katastrophales Signal.
23.02.2024 | 1:46 min
Robert Halver, Chefvolkswirt der Baader Bank, sieht es so:
Die KPMG schreibt in ihrem Bericht, die Energiewende und die Digitalisierung, die zunehmende Aufrüstung und die Infrastruktur würden internationalen Investoren zwar Geschäftschancen eröffnen, aber alle "Standortfaktoren verschlechtern sich mit zunehmender Dynamik".
Skepsis gegenüber Stärken des deutschen Standorts
Die besten Bewertungen erhält der Wirtschaftsstandort für die zentrale Lage in Europa (79 Prozent). Auch Lebensstandard, öffentliche Sicherheit, politische Stabilität und die Forschungslandschaft sehen die Befragten als traditionelle Stärken Deutschlands an. Allerdings ist auch hier die Skepsis gegenüber früheren Umfragen gestiegen.
Relevant für den Standort ist auch die EU. Die AFD kokettiert mit dem Austritt Deutschlands. Unternehmen positionieren sich klar dagegen. 05.02.2024 | 1:58 min
So zählen nur noch 58 Prozent der Befragten Deutschland zu den fünf stabilsten EU-Ländern. Bei der Umfrage im Jahr 2021 waren es noch 80 Prozent. 13 Prozent zählen Deutschland jedoch zu den fünf instabilsten EU-Ländern.
Nur noch 43 Prozent sehen die deutsche Forschungslandschaft unter den Top 5 in der EU (Vergleich 2017: 64 Prozent). Schlechtere Einschätzungen als im Jahr 2021 gab es auch für die Arbeitsproduktivität (-17 Prozentpunkte), ein innovationsfreundliches Umfeld (-8 Prozentpunkte) und die logistische Infrastruktur (-16 Prozentpunkte).
Anschlag auf Tesla-Fabrik verstärkt negativen Eindruck
Zu den schlechten Einschätzungen der letzten drei Punkte passt, dass das Tesla-Werk in Grünheide erst jetzt wieder seinen Betrieb aufnehmen kann, sagen Experten.
Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) verurteilt den Anschlag auf die Stromversorgung nahe der Tesla-Fabrik bei Berlin scharf. "Das ist ein Anschlag auf den Wirtschaftsstandort insgesamt", so Woidke.11.03.2024 | 4:28 min
Vor rund einer Woche wurde auf einem Feld Feuer an einem frei zugänglichen Strommast gelegt, der auch die Versorgung der Tesla-Fabrik sichert. Die Produktion in dem Autowerk kam zum Erliegen. Die Verluste durch den Produktionsstillstand lagen, nach Angaben des Autoexperten Ferdinand Dudenhöffer, zwischen 15 und 20 Millionen Euro pro Tag.
Spätestens der Anschlag auf das Tesla-Werk in Grünheide zeigt: Kritische Infrastruktur braucht besseren Schutz. An einem entsprechenden Gesetz arbeitet die Ampel schon länger.11.03.2024 | 3:07 min
Wie sind die Aussichten für die Zukunft?
Bei der Verfügbarkeit von Fachkräften und hoch qualifizierten Arbeitskräften sehen 23 Prozent der Befragten Deutschland unter den fünf besten EU-Standorten, 21 Prozent unter den fünf schlechtesten.
Auf dem Arbeitsmarkt fehlen vor allem junge Menschen. In ostdeutschen Bundesländern macht sich das besonders bemerkbar. Arbeitgeber leiden unter akutem Personalmangel.06.02.2024 | 10:06 min
Mit dem Renteneintritt der Babyboomer wäre eine Zuwanderung von einer halben Million qualifizierten Arbeitskräften pro Jahr nötig, um den Fachkräftemangel auszugleichen.
"Aber viele der Zuwanderer fassen im Arbeitsleben nicht Fuß oder verlassen das Land schnell wieder", sagt Glunz. Notwendig wäre eine integrations-, produktivitäts- und bedarfsorientierte Einwanderungspolitik.
Aufwind für den Wirtschaftsstandort könnte eine Frühjahrsbelebung der deutschen Wirtschaft geben, die sich auch positiv auf den Arbeitsmarkt auswirken kann.