Inflationsdebatte: Höheres Ziel als zwei Prozent sinnvoll?

    Geldpolitik der Notenbanken:Inflation: Debatte um Zwei-Prozent-Ziel

    ZDF-Börsenexperte Frank Bethmann
    von Frank Bethmann
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    Für das Zwei-Prozent-Ziel der Notenbanken gibt es keine fundamentale Begründung. Eine Abkehr davon könnte neue Impulse liefern. Für die EZB steht das aber "nicht zur Debatte".

    Blick auf die Zentrale der EZB bei Sonnenaufgang
    Die EZB will am Zwei-Prozent-Ziel bei der Inflation festhalten.
    Quelle: dpa

    Die Notenbanken kämpfen gegen Teuerung. Die Inflation muss wieder auf mindestens zwei Prozent eingefangen werden. Doch woher kommen eigentlich diese "ominösen" zwei Prozent, auf die sich alle fixieren? Eine empirische Begründung dafür gibt es nicht.
    Die Zielgröße stammt aus den 1970er-Jahren, erinnert sich der frühere Wirtschaftsweise und Ökonom Bert Rürup in einer Zeitungskolumne. "Zwei Prozent" war ein pragmatischer Wert aus einer Zeit, in der die Inflationsraten in Deutschland um die sechs bis sieben Prozent recht hoch waren. So galt der Zielwert als Signal der Bundesbank, dass die Geldpolitik auf eine deutlich niedrigere Inflation abzielte und daher strenger ausgerichtet wurde.
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    Forderung nach neuem Inflationsziel von drei Prozent

    Doch die Zeiten haben sich geändert und die Stimmen werden lauter, die sagen, eine solche Zielgröße sei nicht mehr zeitgemäß. Der frühere Chefvolkswirt des Internationalen Währungsfonds (IWF), Olivier Blanchard, fordert im Handelsblatt ein Umdenken von der Europäischen Zentralbank und anderen Notenbanken.

    Ein Inflationsziel von drei Prozent wäre sinnvoller.

    Olivier Blanchard, Chefvolkswirt des Internationalen Währungsfonds

    Tatsächlich hat die EZB damals bei ihrer Gründung das Ziel von der Bundesbank nahezu unverändert übernommen und im Verlauf immer wieder leicht angepasst. Inzwischen aber besteht EZB-Präsidentin Christine Lagarde auf "glatt zwei Prozent". Und längst hat sie klargestellt, dass das bestehende Inflationsziel "nicht zur Debatte" stehen würde.

    Zeiten moderater Preissteigerungen sind laut Experten vorbei

    Dabei spricht einiges für die Drei-Prozent-Befürworter. Vereinfacht argumentieren sie: Die Zukunft wird teurer. Die Zeiten moderater Preissteigerungen, die uns der globale Wettbewerb beschert und viele Alltagsgüter sogar billiger gemacht hat, sind vorbei. "Wir haben strukturelle Faktoren, die die Inflation hochhalten werden", ist sich Carsten Brzeski sicher, ING-Bank-Chefvolkswirt für Deutschland.
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    Mehr Fokus auf Wirtschaftswachstum gefordert

    Inhaltlich sagt Brzeski daher, sei eine höhere Inflationsvorgabe durchaus berechtigt, nur ist der Ökonom kein Anhänger von festen Vorgaben, eine flexible Ausrichtung der Geldpolitik fände er zielführender:

    Wichtig sei, dass die Notenbanken ihr Augenmerk wieder verstärkt auf die Unterstützung des Wachstums richten.

    Carsten Brzeski, ING-Bank-Chefvolkswirt Deutschland

    Denn der Investitionsbedarf sei hoch und investieren ließe sich nun mal leichter, wenn die Leitzinsen gesenkt werden könnten. Was wiederum leichter möglich wäre, würde man sich nicht sklavisch an einer Vorgabe von zwei Prozent ausrichten.
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    Gefahr zukünftig noch höherer Inflationsraten

    Doch auch die Währungshüter um Christine Lagarde haben schlagkräftige Argumente. Würden "drei Prozent das neue zwei Prozent sein" dann, so Brzeski, würden wir "den Schalter nur um ein Level nach oben schieben". Das würde kurzfristig helfen, denn das für Wachstum notwendige Kapital, wäre leichter zu bekommen; gleichzeitig aber würden auch die Risiken steigen.
    Die Spielräume würden größer, sich höher zu verschulden. Gleichzeitig dürften auch die Löhne noch stärker anziehen als ohnehin bereits prognostiziert. Im Ergebnis droht mittelfristig noch eine sehr viel höhere Inflation als zuletzt.
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    Inflationsziel: Besser zwei bis drei Prozent - als null

    Klar bei der aktuellen Debatte ist nur, das hat die Vergangenheit gezeigt, so Brzeski: "Es braucht ein Ziel oberhalb von null Prozent, denn schlimmer als Inflation wäre Deflation", also eine Situation, in der die Preise fortlaufend fallen.
    Sinkende Preise mögen sich unter Konsumgesichtspunkten zwar verlockend anhören, sind aber gefährlich. Denn gleichzeitig würde kaum noch Jemand investieren und würden in der Folge Löhne sinken beziehungsweise Jobs abgebaut werden. Ein Zustand, den es unbedingt zu vermeiden gilt und der auch erklärt, warum die großen Notenbanken in den 1970er-Jahren unabhängig voneinander entschieden, dass eine jährlich Preissteigerung von um die zwei Prozent gesund für das Wachstum der Weltwirtschaft wäre.

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    Quelle: ZDF

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