KI und Illustratoren: Größter Raubzug der Geschichte
Interview
Berufsstand durch KI in Gefahr:Illustrator: Größter Raubzug der Geschichte
von David Metzmacher
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Ein Logo entwerfen, ein Kinderbuch zeichnen - was früher mühevolle Handarbeit war, geht heute scheinbar mit wenigen Klicks. Das bedroht die Branche der Illustratoren. Ein Einblick.
Illustrator Tobias Wüstefeld bei der Arbeit
Quelle: Tom Roeler
Kreativität hatte lange ihren Preis. Generative Künstliche Intelligenz hat das verändert: Heute können mit kaum Aufwand dank ChatGPT und Co. komplett neue Bilder, Texte, Musikstücke entstehen - alles was man dafür braucht, ist ein trainiertes KI-Modell und ein Prompt, also ein Text-Befehl. Das gefährdet Kreativschaffende, sagt der Illustrator Tobias Wüstefeld.
Quelle: Tom Roeler
... ist selbstständiger Illustrator in Hamburg und Teil einer KI-Taskforce der Illustratoren Organisation. Er hat mit zahlreichen Agenturen wie Service Plan und Jung von Matt zusammengearbeitet. Seine Arbeiten wurden von Mercedes-Benz, Coca Cola, dem Nature Magazin, der ARD, dem Spiegel und vielen anderen veröffentlicht. Zuvor hat Wüstefeld Illustration und Mediendesign in Münster studiert.
Während Wüstefeld vor einigen Jahren noch begeistert von den Möglichkeiten generativer KI war, sieht er heute eine große Gefahr für seine Zunft - ausgelöst von wirtschaftlichen Interessen, die sich KI zu Nutze machen.
ZDFheute: Herr Wüstefeld, wie war Ihr erster Kontakt mit generativer Künstlicher Intelligenz?
Tobias Wüstefeld: Ich habe eigentlich schon immer begeistert die neusten Illustrationstechniken ausprobiert und war schon vor zwölf Jahren auf den ersten Konferenzen zum Thema Künstliche Intelligenz. Als die ersten KI-Bildgeneratoren aufkamen, war ich noch sehr enthusiastisch dabei. Das war abgefahren, mit welcher Geschwindigkeit man Bilder kreieren konnte.
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ZDFheute: Warum stehen Sie KI-Generatoren heute skeptisch gegenüber?
Wüstefeld: Ich habe gemerkt, dass Leute aus dem KI Bereich, die früher viel Wert auf Urheberrecht und Respekt vor Illustratoren gelegt haben, auf einmal in eine Goldgräber-Stimmung verfallen sind und dabei nur noch den eigenen Profit im Kopf hatten.
… ist der einzige Berufsverband für Illustratoren in Deutschland. Mehr als 2.800 Mitglieder sind in ihm organisiert. Laut einer Umfrage der Illustratoren Organisation von vergangenem Jahr - an der mehr als 1.000 Illustratoren teilgenommen haben - sind gerade einmal ein Prozent der Illustratoren in Deutschland fest angestellt. Nach Schätzungen der Illustratoren Organisation gibt es in Deutschland insgesamt etwa 6.000 bis 10.000 Illustratoren.
ZDFheute: Jeder kann mittlerweile generative KI nutzen. Wie beeinflusst das Ihren Berufsstand der Illustratoren?
Wüstefeld: Zurzeit kommt häufig der Spruch: "Nicht KI wird dich ersetzen, sondern ein Mensch der KI nutzt."
Früher haben Unternehmen etwa für Werbekampagnen Agenturen beauftragt und diese dann wiederum freie Illustratoren. Der zweite Schritt fällt durch KI zunehmend weg. Das heißt, Agenturen oder Auftraggeber verzichten auf Illustratoren und bieten die Leistung ihren Kunden einfach selbst direkt an.
Häufig sieht man Bilder im Internet, die von einer Künstlichen Intelligenz geschaffen wurden. Manche Fälschungen sind offensichtlich. Aber es entstehen immer mehr gefährliche Fakes.27.12.2023 | 1:50 min
ZDFheute: Das heißt, Illustratoren bekommen wegen generativer KI weniger Jobs?
Wüstefeld: Momentan höre ich von vielen Leuten, dass sie wirklich noch nie so ein schlechtes Jahr oder noch nie so wenig Jobs hatten. Einige sind auch kurz davor, aus dem Job herauszufallen. Genau abzugrenzen, ob das an KI oder an der aktuellen wirtschaftlichen Lage liegt, ist aber natürlich schwierig.
Es gibt Werbeagenturen, die behaupten, selbst KIs trainiert zu haben und die sagen ihren Kunden: "Unsere KI ist sauber, die Bilder können problemlos benutzt werden." Das ist jedoch technisch aktuell so nicht möglich. Die KI-Generatoren sind - wenn überhaupt - feinjustiert - dadurch sind die ursprünglichen Trainingsdaten aber weiterhin Teil der KI. Und bei denen gibt es noch viele offene Fragen beim Urheberrecht. Was sich seit den letzten Jahren allerdings abzeichnet ist: Je höher die Auflösung der KI-Modelle wird, desto eher wird sie die trainierten Bilder auch genau nachbilden.
Ein kurzer Text reicht und schon entstehen Bilder nach Wunsch. KI-Bildgeneratoren werden schon im Marketing und zur Gestaltung von Webseiten genutzt - doch es gibt einige Probleme.
von David Metzmacher
ZDFheute: Sie sind seit 15 Jahren als Illustrator tätig. Sind auch Bilder von Ihnen in KI-Datensätze gelangt?
Wüstefeld: Es gab eine Webseite, auf der man nachvollziehen konnte, ob eigene Bilder zu Trainingszwecken verwendet wurden. Und da hatte ich an die 200 Bilder von mir gefunden. Und die waren sogar teilweise von einer Webseite, auf der explizit stand, dass diese Bilder nicht für KI-Training benutzt werden dürfen. Das ist dann trotzdem passiert - das war natürlich ein unschönes Gefühl, wenn man dem komplett machtlos gegenübersteht.
ZDFheute: Wie könnte eine Lösung aussehen?
Wüstefeld: Auf jeden Fall muss es eine Form der Transparenz, Kompensation und der Mitbestimmung geben. Mit dem Opt-out - einem Verfahren bei dem KI-Modellen das Trainieren mit eigenen Bildern untersagt werden kann - wäre ein erster Schritt getan. Praktisch ist das aber noch nicht angewandt. Mittlerweile gibt es auch die Möglichkeit, Bilder für KI-Modelle technisch zu vergiften: Sie ziehen dann die falschen Schlüsse aus den Bildern und ihre Outputs werden schlechter.
ZDFheute: Würden Sie jungen Menschen heute noch empfehlen, Illustrator zu werden?
Wüstefeld: Es ist gerade für jüngere Leute schon deutlich schwieriger, in den Markt reinzukommen. Ich habe aber die große Hoffnung, dass Kulturtechniken wie das Zeichen weiter existieren werden - alles andere wäre wirklich ein Armutszeugnis für die Menschheit.