Ifo-Geschäftsklimaindex: Konsumflaute im Einzelhandel
Trübe Stimmung im Einzelhandel:Keine Kauflaune
von Klaus Weber
|
Der Einzelhandel steht laut Ifo-Institut vor schwierigen Monaten. Trotz steigender Reallöhne will der Konsum einfach nicht anspringen. Was bedeutet das für die Wirtschaft?
Der Einzelhandel schwächelt - und damit die gesamte Wirtschaft.
Quelle: dpa
Einzelhandel und Konsum in Deutschland sind bei genauerer Betrachtung ein echtes Powerhouse der deutschen Wirtschaft. Laut Handelsverband HDE umfasst die Branche rund 300.000 Unternehmen. Diese Unternehmen erwirtschaften im Jahr rund 577 Milliarden Euro. Demnach ist der Einzelhandel - nach Industrie und Handwerk - der drittgrößte Wirtschaftszweig des Landes. Tag für Tag kaufen etwa 50 Millionen Verbraucher in deutschen Supermärkten, Möbelhäusern, Schuhgeschäften oder auch im Internet ein.
Ein Autozulieferer kürzt ein Viertel der Jobs, der andere meldet Insolvenz an. Stahlkonzerne schreiben rote Zahlen. Kein Tag ohne Hiobsbotschaften. "Made in Germany" am Ende?03.10.2024 | 53:39 min
Konsum hat großen Anteil an Wirtschaftsleistung
Im Jahr 2023 belief sich das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland auf etwa 4,2 Billionen Euro. Die privaten Konsumausgaben betrugen dabei mehr als die Hälfte der Summe. Das heißt: Über 50 Prozent der Wirtschafsleistung Deutschlands ist auf den Konsum von uns Verbrauchern zurückzuführen. Man sollte sich also nichts vormachen: Haben Einzelhandel und Konsum einen Schnupfen, droht der gesamten Wirtschaft eine Grippe. Und laut neuster Umfrage des Ifo-Instituts hat der Einzelhandel - um im Bild zu bleiben - bereits eine mittelschwere Atemwegsinfektion. Demnach ist der Geschäftsklimaindex der Branche weiter gesunken.
Zudem beurteilen die Einzelhändler ihre aktuelle Lage schlechter und blicken pessimistisch in die Zukunft. "Verbraucherinnen und Verbraucher sind verunsichert, was das wirtschaftspolitische Umfeld angeht. Das lässt für das restliche Jahr 2024 keine dynamische Entwicklung bei den privaten Konsumausgaben mehr erwarten", erklärte Ifo-Experte Patrick Höppner. Kundinnen und Kunden werden deshalb laut Einzelhandelsverband HDE in den kommenden Monaten ihr Geld eher zusammenhalten.
Deutsche Wirtschaftsinstitute prognostizieren für das Jahr 2024 einen leichten Rückgang des Bruttoinlandsprodukts. Erst ab 2025 könne wieder mit einem Zuwachs gerechnet werden.26.09.2024 | 2:23 min
Es wird mehr gespart
Dabei steht genau dieses Verhalten, einer größeren Sparneigung der Menschen in wirtschaftlich unsicheren Zeiten, einer Ausweitung des Konsums im Wege. Und daraus resultieren viele unangenehme Folgen für die Gesamtwirtschaft.
Weniger Konsum bedeutet nämlich geringeren Handel und dies führt wiederum zu weniger Bestellungen, was sich negativ auf die Produktion auswirkt. Ein Teufelskreis, der selbst dadurch nicht gebrochen wird, dass die Leute mehr Geld in der Tasche haben. Denn Tariferhöhungen und Inflationsausgleichszahlungen führten zuletzt mehrfach dazu, dass die Reallöhne stiegen.
Im Einzelhandel wird weniger als ein Viertel der Beschäftigten nach Tarif bezahlt. Beschäftigte in tarifungebundenen Betrieben verdienen laut Berichten rund 500 Euro weniger.16.09.2024 | 0:24 min
In den Geschäften kommt relativ wenig davon an. Der Ifo-Umfrage zufolge nahmen vor allem Autohäuser und Möbelhändler eine spürbar ungünstigere Geschäftslage wahr. Die Verkäufer von Bekleidung, Möbeln und Einrichtungsgegenständen sowie Baumärkte schätzten die Geschäftslage sogar noch ungünstiger ein als im Einzelhandel insgesamt. Deshalb rechnet das Ifo-Institut auch mit einem - zumindest kurzfristigen - Rückgang der Beschäftigung.
Ausnahmen und Lichtblicke
Dennoch gibt es bei aller Trübsinnigkeit rund um Konsum und Einzelhandel ein paar Lichtblicke und Ausnahmen. So berichten Fahrrad- und Lebensmittelhändler sowie Einzelhändler von Unterhaltungselektronik gar von einer Verbesserung ihrer Geschäftslage. Patrick Höppner macht Hoffnung auf das nächste Jahr:
Indikatoren wie das HDE-Konsumbarometer oder das GfK-Konsumklima hätten sich insbesondere schon in der ersten Jahreshälfte 2024 erholt.
Umsatzrückgang bei E-Autos, Verbrenner-Verbot und massive Konkurrenz aus China: Die Automobilindustrie, das einstige Flaggschiff der deutschen Wirtschaft, steht extrem unter Druck.06.10.2024 | 3:59 min
Ifo-Experte: Verbraucher haben wieder mehr verfügbares Einkommen
Und trotz der aktuellen Sparneigung glaubt Höppner, dass dies nicht dauerhaft so bleibt, denn: "Trotzdem haben die Verbraucher 2024 wieder spürbar höhere verfügbare Einkommen als noch 2023. Auch 2025 dürften die realen Einkommen steigen und die Sparquote sinken. Beides wären insbesondere für das kommende Jahr gute Vorzeichen für die Geschäfte im Einzelhandel."
Auch wenn ein solches Szenario in diesen Krisenmonaten schwer vorstellbar ist, so ist die Inflation seit Monaten im Sinkflug und die Menschen werden irgendwann merken, dass Sie tatsächlich mehr Geld in der Tasche haben. Spätestens dann könnte der Zeitpunkt gekommen sein, dass dieses Szenario auch tatsächlich eintritt.
Das Bruttoinlandsprodukt sinkt im zweiten Quartal leicht. Die Stimmung der Verbraucher verschlechterte sich nach einem Hoch während der Fußball-EM deutlich.
mit Video
Quelle: ZDF
Sie wollen stets auf dem Laufenden bleiben? Dann sind Sie bei unserem ZDFheute-WhatsApp-Channel genau richtig. Egal ob morgens zum Kaffee, mittags zum Lunch oder zum Feierabend - erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt auf Ihr Smartphone. Nehmen Sie teil an Umfragen oder lassen Sie sich durch unseren Mini-Podcast "Kurze Auszeit" inspirieren. Melden Sie sich hier ganz einfach für unseren WhatsApp-Channel an: ZDFheute-WhatsApp-Channel.