Angespannte Lage im Handwerk: Was die Branche beklagt

    Kritik ist kein "Lamentieren":Angespannte Lage: Was das Handwerk beklagt

    Frank Bethmann berichtet von der Frankfurter Börse
    von Frank Bethmann
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    Zum Beginn der Handwerksmesse schlägt der Branchenverband Alarm: Ein konjunktureller Aufschwung sei nicht in Sicht, die Politik müsse handeln. Wie ist die Lage im Handwerk?

    Handwerksmesse
    Im vergangenen Jahr wurden 20.000 Lehrstellen im Handwerk nicht besetzt. Der Fachkräftemangel in der Branche lässt viele Betriebe umdenken. Ein Thema auf der Handwerksmesse, die heute in München startet.28.02.2024 | 2:00 min
    Klappern gehört zum Handwerk, heißt es. Doch wie schlecht geht es den Betrieben in Deutschland tatsächlich? Bis man einen Handwerker bekommt, dauert es in der Regel immer noch Wochen. Und sollte man gar vorher einen Angebotsvergleich machen, staunt man häufig über die gesalzenen Preise.
    Ja, gibt Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH), zu, noch sei es so, dass die Lage besser sei als die Stimmung. Aber das ändere sich gerade. Schwannecke verweist auf die jüngste Umfrage seines Verbandes:

    Zu viele Betriebe erwarten deutlich rückläufige Umsätze, stark abnehmende Auftragspolster und eine sinkende Beschäftigungszahl.

    Holger Schwannecke, Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH)

    "Das hat nichts mit Lamentieren oder Schlechtreden zu tun, sondern spiegelt die Lage vor Ort in den Betrieben wider", so Schwannecke.

    ... hat ihren Ursprung im Mittelalter. Damals mussten Handwerker sich und ihre Ware laut anpreisen, um auf sich aufmerksam zu machen - je lauter, desto besser. Das Klappern von Webstühlen, Mühlen, Maschinen und Gegenständen aller Art stand für das laute Werben von Handwerkern und Händlern.

    Handwerksverband: 38 Prozent erwarten abnehmende Auftragspolster

    Allein 38 Prozent der Befragten gehen bis zum Sommer von einem deutlich abnehmenden Auftragspolster aus. Gleichzeitig erwarten aber 16 Prozent, dass sie im Sommer mehr Aufträge als jetzt in der Pipeline haben werden. Ein Gegensatz, der vor allem eines deutlich macht: Handwerk ist nicht gleich Handwerk.
    Etwa 5,4 Millionen Menschen arbeiten insgesamt in dem Sektor, fast siebenmal so viele wie in der Automobilindustrie. Doch verstreut über mehr als eine halbe Million Klein- und Kleinstbetriebe. Da gibt es bereits jetzt Firmen, die ihre Mitarbeiter zum Aufräumen ins Lager schicken, weil es sonst nichts zu tun gibt. Gleichzeitig brummt es in anderen Gewerken. So fehlen beispielsweise rund 14.000 Heizungsbauer oder fast 18.000 Bauelektriker.

    Fachkräftebedarf weiterhin groß - doch es gibt Unterschiede

    Es braucht also Lösungen, mit denen man dieser Entwicklung gegensteuern kann. Mit "Handwerk Connected" hat ein junges Start-up eine Plattform entwickelt, auf der Betriebe eigene Kapazitäten anbieten und andere Firmen dort fremde Mitarbeiter ausleihen können. Mehr als 3.000 Firmen haben sich bereits angemeldet, sagen die beiden Gründerinnen.
    Schwannecke sieht in der Unwucht am Arbeitsmarkt eher ein Problem für die Betriebe. Wer jetzt wie am Bau Beschäftigte abgeben müsse, dem fehlen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unter Umständen, wenn die Konjunktur wieder anspringt. Für die Beschäftigten selbst würde das keine grundsätzliche Gefahr bedeuten:

    Der Fachkräftebedarf im Handwerk ist so hoch, dass sich gut ausgebildete Handwerkerinnen und Handwerker keine Sorgen um ihre berufliche Perspektive machen müssen.

    Holger Schwannecke, Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH)

    Umschulung von Fachkräften.
    In der Zukunft werden viele Berufe nicht mehr gefragt sein. Mit Umschulungen können sich Arbeiternehmer weiterentwickeln und damit gleichzeitig den Fachkräftemangel eindämmen.29.02.2024 | 1:35 min

    Betriebe beklagen hohe Steuern und Bürokratie

    Trotz sehr unterschiedlicher Ausgangslagen ist dem Generalsekretär des Handwerksverbandes eines wichtig zu betonen. Es gäbe eine ganze Reihe von Belastungen, die fast alle Handwerksbetriebe stören würden. Ganz oben auf der Liste die hohe Steuer- und Abgabenlast, die laut der aktuellen Umfrage des Verbandes 68 Prozent der Befragten als Konjunkturbremse empfinden, gefolgt von den zu erfüllenden Dokumentations- und Nachweispflichten (52 Prozent).
    Die Kosten für die Betriebe müssten verringert werden, fordert Schwannecke: "Neben den international nicht mehr wettbewerbsfähigen Steuersätzen gehören dazu auch die hohen Sozialabgaben auf den Prüfstand, die sowohl Betriebe wie auch die Beschäftigten finanziell belasten."

    Den Faktor Arbeit gilt es nachhaltig zu entlasten.

    Holger Schwannecke, Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH)

    Und nicht nur den, auch die Betriebsinhaberinnen und -Inhaber. Bei ihnen würden überwiegend die Nachweispflichten liegen. "Im Unterschied zu vielen großen Konzernen", so der Generalsekretär weiter, "können sie sich eigene Abteilungen nur zur Bewältigung der Bürokratie schlicht nicht leisten."
    Aufgeschlagener Aktenordner
    Eigentlich wollte die Ampel die Bürokratie abbauen. Doch viele Unternehmen beklagen nach wie vor zu hohe Belastungen.25.02.2024 | 4:27 min

    Schwannecke fordert Politik zum Handeln auf

    Die Probleme sind seit vielen Jahren bekannt. Das Klappern des Handwerks auch. Schwannecke fordert die Politik auf, ins Handeln zu kommen.

    Der Bundeskanzler weiß, was wir erwarten.

    Holger Schwannecke, Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH)

    Es gehe um die Wettbewerbsfähigkeit. "Und dafür geht es nicht um kleine homöopathische Schritte oder parteipolitische Vorlieben, sondern um das große Ganze." Und selbstbewusst ergänzt er: "Es ist Zeit, zu machen!"

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