Green Deal in der Kritik: Kann die EU Klimaschutz?
Europawahl 2024 und Klimaschutz:Green Deal in der Kritik - kann Europa Klima?
von Andreas Stamm
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Der Green Deal ist die größte ökologische und wirtschaftliche Umgestaltung der EU, um Europa zum ersten klimaneutralen Kontinent zu machen. Sinn, Unsinn oder Wahnsinn?
Die Europäische Union will den grünen Wandel. Das Ziel: Klimaneutralität bis 2050. Doch ziehen die EU-Staaten mit? Zeit für eine erste Bilanz.02.06.2024 | 28:45 min
"Wenn die EU so weiter macht, wird sie untergehen!" Es sind markige Worte eines polnischen Landwirts, für den der Green Deal der Sargnagel für die polnische Landwirtschaft darstellt. Von oben, von außen verordnet, ohne Bezug zur Realität auf seiner Scholle sei das, erzählt Lukasz Komorowski, Bauer in der sechsten Generation.
Und drückt damit aus, was viele europäische Landwirte in den vergangenen Monaten auf die Barrikaden gebracht. In ihrem Sinne durchaus erfolgreich. Brüssel rudert zurück, lockert Umweltvorschriften, verwässert einige Teile des Green Deals, die den Agrarsektor klimaneutral und nachhaltiger machen sollen.
Dreht der Wind beim Klimaschutz?
Plötzlich steht das Aus für den Verbrenner-Motor 2035 wieder in Frage, das das EU-Parlament erst vor knapp einem Jahr beschlossen hatte. Die Wahlumfragen sehen europaweit Parteien im Aufwind, die der grünen Transformation skeptisch gegenüberstehen.
Nichtstun sei verheerend für die Umwelt und teurer als alle Maßnahmen des Green Deals je sein könnten, so der Tenor unter den Klimaktivisten*innen bei einem Protest im Europaparlament.
Alle wollen den Klimawandel bekämpfen. Aber welche Mittel und Ideen wirklich helfen gegen die Erderwärmung, das ist durchaus umstritten. "planet e." überprüft vier Klimamythen.28.05.2023 | 28:51 min
Das Klimaschutzprojekt der EU war 2019 gestartet, auch als Reaktion auf die Erfolge ökologisch orientierter Parteien in Europa. Doch die Folgen der Corona-Pandemie und des Ukraine-Konflikts haben den Klimawandel in Meinungsumfragen in Europa als drängendstes Problem nach hinten durchgereicht.
Europa soll bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent werden - mit dem Green Deal. Einem Feuerwerk aus Gesetzen, die seit 2019 größtenteils schon beschlossen wurden. Etwa zum Ausbau erneuerbarer Energien. Oder dem Handel mit CO2-Zertifikaten, durch den sich schrittweise die Nutzung von Öl, Gas und Kohle verteuern. Das fordert neue Konzepte überall. Im Gebäudesektor, Stichwort Wärmepumpe, oder im Verkehrssektor, Stichwort E-Mobilität. Deshalb fördert die EU grüne Technologien bis 2030 erstmal mit einer Billion Euro. Eine Art Klimageld soll soziale Härten abfedern. Auch die nachhaltige Landwirtschaft und Schutz der Ökosysteme gehören zum Green Deal.
Green Deal: Wirtschaftswunder 2.0?
Dabei müssen mehr Klimaschutz und mehr Wirtschaftswachstum sich nicht gegenseitig ausschließen. Da stimmen die meisten Ökonomen ein und auch die meisten Wirtschaftslenker. Die Transformation sei eigentlich eine Chance, Europa wieder wettbewerbsfähiger zu machen, erklärt Matthias Berninger, Cheflobbyist der Bayer AG.
Denn ein Argument hat sich überholt: dass Europa - die EU - einsam und allein Klimaschutz betreibt, zum Schaden der Wirtschaft. China, die USA investierten Milliardensummen, Subventionen in grüne Technologien, weil sie überzeugt seien, dass es die Märkte der Zukunft sind, erklärt Lutz Weischer, der seit 15 Jahren für die Klima-NGO Germanwatch die internationale Klimapolitik begleitet.
Ergo - es ans Geldverdienen geht.
Selbst Menschen, die davon überzeugt sind, dass wir dem Klimawandel aktiv entgegenwirken müssen, fällt es oft schwer, Wollen und Tun in Einklang zu bringen.31.10.2021 | 27:00 min
Mehr marktwirtschaftliche Instrumente, weniger bürokratische Auflagen
Erst vor wenigen Tagen drückt sich das auch in Zahlen aus. Fast 250 Milliarden Dollar Investitionen in Green Tech hat der Inflation Reduction Act, die amerikanische Variante des Green Deals, im vergangenen Jahr freigesetzt. Mit enormen Wachstumsraten. China flutet die Welt mit grüner Technologie, Solar, Wind, E-Mobilität und besetzt so die Märkte der Zukunft.
Europa müsse und werde umsteuern, glaubt Matthias Berninger. "Mehr marktwirtschaftliche Instrumente, weniger bürokratische Auflagen", dann klappe es auch mit dem Green Deal.
Green Deal: "Europa muss Erfolg haben"
Ein Blick nach außen verrät: Beim Klimaschutz wird Europa noch als internationaler Vorreiter gesehen. Auf dem diplomatischen Parkett, den zahlreichen Treffen auf Ebene der UN etwa, gilt der Green Deal als das ambitionierte Klimapaket schlechthin. Und die Staatengemeinschaft schaut sehr genau, was Europa da macht. Und ob es gelingt.
"Europa muss Erfolg haben", erklärt etwa John Podesta, der Klima-Sondergesandte des US-Präsidenten dem ZDF exklusiv, "denn es zeigt allen anderen bislang, wie Klimaneutralität gelingen kann". Es sei ein ökonomisches Schwergewicht, und es steuere unheimlich viel bei, um anderen Ländern zu helfen, nachhaltig zu werden.
Die Klimakrise bringt vieles mit sich, was uns Anlass zur Sorge gibt. Aber die Auswirkung, die wir wohl am direktesten wahrnehmen, ist Hitze.02.11.2021 | 16:09 min
"Der Green Deal kippt jetzt nicht"
Mit der Europawahl dürfte sich das EP nach rechts bewegen, darauf deuten die Umfragen. Und damit auch beeinflussen, wie die neue EU-Kommission agieren kann und will. Das wird die Art und Weise, wie Europa Klimaschutz gestaltet verändern, vielleicht verlangsamen.
Doch es seien mittlerweile so viele Weichen Richtung Klimaneutralität gestellt, so Lutz Weischer, die deutschen und europäischen Klimaziele seien rechtsverbindlich. "Dazu sind so viele Investitionsentscheidungen in der Wirtschaft auch schon getroffen worden. Da habe ich nicht das Gefühl, der Green Deal kippt jetzt."
Der Bundestag machte vor 20 Jahren den Weg frei für den EU-Emissionshandel. Ziel: Treibhausgasemissionen schrittweise senken. Was hat das Gesetz bisher gebracht? Ein Überblick.