Arbeitskampf und Arbeitszeit:Nach 75 Jahren: Wie es um die IG Metall steht
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Mit über zwei Millionen Mitgliedern ist sie die größte deutsche Einzelgewerkschaft und kämpft seit 75 Jahren unverdrossen für bessere Arbeitsbedingungen. Wie es der IG Metall geht.
Beschäftigte beim Aktionstag der IG Metall: Die größte deutsche Einzelgewerkschaft wurde vor 75 Jahren gegründet. (Archivbild)
Quelle: imago
Auf eine große Feier zu ihrer Gründung vor 75 Jahren will die IG Metall verzichten - sieht sich Deutschlands größte und mächtigste Einzelgewerkschaft doch in einer weit älteren Tradition, die bis tief ins deutsche Kaiserreich zurückreicht.
Aber am 1. September 1949 musste sich die Gewerkschaft neu erfinden. Unter der nationalsozialistischen Zwangsherrschaft zwischen 1933 und 1945 hatten die schnell gleichgeschalteten Gewerkschaften ihre Errungenschaften aus der Weimarer Zeit wieder verloren, viele ihrer Mitglieder wurden von den Nazis verfolgt und umgebracht.
Nach Kriegsende etablierten sich zwar umgehend Arbeiterräte in den Betrieben, die Alliierten verhinderten in ihren Besatzungszonen jedoch die schnelle Neugründung von landesweiten Gewerkschaften.
IG Metall-Chefin Benner kritisiert die schlechten Rahmenbedingungen für Unternehmen in Deutschland und fordert Entlastungen bei Energiekosten sowie Investitionen in Infrastruktur.21.04.2024 | 4:25 min
IG Metall an der Spitze der Einzelgewerkschaften
Ebenso wenig ließ sich die Idee einer allgemeinen Gewerkschaft für sämtliche Arbeitnehmer aller Branchen durchsetzen, wie sie der spätere DGB-Chef Hans Böckler angestrebt hatte. Letztlich wurde im Oktober 1949 in München der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) als Zusammenschluss von 16 "Industriegewerkschaften" gegründet.
DGB-Gewerkschaften mit Mitglieder-Plus
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Diese Einzelgewerkschaften mit der starken IG Metall aus Frankfurt an der Spitze blieben unabhängig und bestimmten ihre Tarifpolitik selbst.
Den Wert der Tarifautonomie, dem freien Aushandeln der Arbeitsbedingungen, lobt auch Stefan Wolf, als Präsident des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall langjähriger Verhandlungspartner.
Am Tag der Arbeit sind in ganz Deutschland tausende Menschen auf den Straßen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund fordert „Mehr Lohn, Mehr Freizeit, Mehr Sicherheit“ für Beschäftigte.01.05.2024 | 2:30 min
Der von den Einzelgewerkschaften finanzierte Dachverband DGB übernahm insbesondere die politische Interessenvertretung der Arbeiterschaft - ohne die in Deutschland sogar gesetzlich verbotene Möglichkeit, für politische Streiks die Massen auf die Straßen zu bringen.
1995 wurde die 35-Stunden-Woche durchgesetzt
Wie die anderen DGB-Gewerkschaften wurde auch die IG Metall 1949 als Einheitsgewerkschaft - also ohne parteipolitische oder konfessionelle Bindung - gegründet.
Am 18. September 1977 findet der Kongress der Industriegewerkschaft Metall (IGM) in Düsseldorf statt. Mit dabei auch DGB-Chef Heinz Oskar Vetter, IG Metall-Vorsitzender Eugen Loderer, zweiter IG Metall-Chef Hans Mayr, Bundeskanzler Helmut Schmidt und NRW-Ministerpräsident Heinz Kühn (v.r.)
Quelle: imago/Klaus Rose
Montan-Mitbestimmung (bei Bergbau, Eisen und Stahl haben Arbeitnehmer aufgrund der Montan-Mitbestimmung von 1951 ein Mitbestimmungsrecht in Aufsichtsräten)
Lohnfortzahlung im Krankheitsfall
mehr Urlaub
mehr Geld
immer wieder: der Kampf um kürzere Arbeitszeiten
immer wieder: Arbeitskämpfe, um diese Themen durchzusetzen
die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall (1957)
die Fünf-Tage-Woche
die 35-Stunden-Woche, erst 1995 vollständig umgesetzt, die aber in vielen anderen Wirtschaftszweigen bis heute nicht gilt
Seit 2023 erstmals Frau an Gewerkschaftsspitze
Nach den Gründungsvorsitzenden Walter Freitag und Hans Brümmer bestimmten bekannte Gewerkschafter wie Otto Brenner, Franz Steinkühler oder Berthold Huber die Geschicke der Organisation.
IG-Metall-Chef Otto Brenner kämpfte zwei Jahrzehnte für Arbeitnehmerrechte. Und er prägte die großen politischen Debatten seiner Zeit mit.15.05.1963 | 45:20 min
Seit dem vergangenen Oktober steht mit Christiane Benner erstmals eine Frau an der Spitze des einstigen Männerladens IG Metall. Die Gewerkschaft hat längst akzeptiert, dass die wichtigen Industriesparten Auto, Maschinenbau oder Stahl vor gewaltigen Umbrüchen stehen.
Und zwar in einer klimaneutralen, digitalisierten Industrie, wie Benner betont. Für diese klare Perspektive brauche man jetzt Investitionen im großen Stil, von Unternehmen und von der Politik.
Über zwei Millionen Mitglieder
Ihre stärksten Truppen haben die Metaller in der Autoindustrie und reden besonders beim Branchenriesen Volkswagen auch betrieblich ein gewichtiges Wort mit. Am Stammsitz Wolfsburg hat die IG Metall ihre mit Abstand größte Geschäftsstelle, vertritt nach etlichen Fusionen aber auch IT-Fachkräfte sowie Beschäftigte der Textil- oder Holzindustrie.
Seit 2011 hat die IG Metall den Mitgliederschwund nahezu gestoppt und zählte zum Beginn dieses Jahres 2.136.326 Menschen. Deren Beiträge summierten sich 2023 auf den Rekordwert von 620 Millionen Euro im Jahr.
Lange Streiks sind selten geworden. Auch beim wichtigsten Tarifvertrag für die Metall- und Elektroindustrie ist es in den vergangenen Jahren höchstens zu befristeten Warnstreiks gekommen.
In die anstehende Tarifrunde für rund 3,9 Millionen Beschäftigte der deutschen Metall- und Elektroindustrie zieht die IG Metall mit einer Forderung nach sieben Prozent mehr Gehalt während die Arbeitszeit nur am Rande eine Rolle spielt.
Benner sagt: "Der Einsatz um mehr Einkommen in der anstehenden Tarifrunde in der Metall- und Elektroindustrie ist von großer Bedeutung für die Beschäftigten."
"Verglichen mit der wirtschaftlichen Lage der Metall- und Elektroindustrie ist die Forderung der IG Metall deutlich zu hoch", meint hingegen Gesamtmetall-Chef Wolf. Er sieht Deutschland mitten in der Deindustrialisierung und fordert die IG Metall im gemeinsamen Interesse auf, in der aktuellen Tarifrunde maßzuhalten.
Zum Jubiläum gratuliert Wolf dem Tarifpartner trotzdem gern: "Es gibt wahrlich angenehmere Dinge, als mit der IG Metall zu verhandeln."
Quelle: ZDF
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