"Wertschätzung gleich null": Was macht ein Fahrdienstleiter?
"Wertschätzung gleich null":Was macht eigentlich ein Fahrdienstleiter?
von David Metzmacher
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Die GDL kämpft auch für einen Tarifabschluss für Fahrdienstleiter - ein Beruf mit viel Verantwortung. Aber was machen sie genau? Bericht von einem, der seit 40 Jahren im Beruf ist.
Arbeitsplatz eines Fahrdienstleiters: Steuerungsanlage eines elektronischen Stellwerkes.
Die Arbeit von Lokführern oder Zugbegleitern ist bekannt - doch was machen eigentlich die rund 15.000 Menschen, die im Bereich Stellwerk bei der Deutschen Bahn arbeiten?
Einer, der den Beruf seit 40 Jahren ausübt, berichtet von viel Verantwortung und fehlender Anerkennung seines Arbeitgebers.
"Was die Bahn hier macht, ist nichts anderes als die Ablehnung aller Forderungen", so Claus Weselsky, Vorsitzender der GDL zum aktuellen Streik.24.01.2024 | 5:28 min
Fahrdienstleiter: Lotsen der Züge
Was der Fluglotse am Flughafen ist, das ist der Fahrdienstleiter für die Schiene. "Er bedient die Signale für die Weichen und hat die hundertprozentige Verantwortung, dass der Zug von A nach B sicher ankommt", erklärt ein Fahrdienstleiter.
Namentlich möchte der Bahn-Beamte aus Hessen nicht genannt werden, denn er findet deutliche Worte für seinen Arbeitgeber, die Deutsche Bahn:
Es handelt sich um den längsten Streik in der Geschichte der Deutschen Bahn: Bis einschließlich Montagabend soll der Güter- und Personenverkehr weitgehend ruhen. 24.01.2024 | 1:48 min
Schicht-Betrieb, große Verantwortung
Fahrdienstleiter arbeiten in Stellwerken, koordinieren von dort die fahrenden Züge und stellen die Weichen: In der Regel im Drei-Schicht-Betrieb - 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr. "Das ist häufig belastend", sagt der Fahrdienstleiter, denn die Verantwortung ist groß - und kleine Fehler können zu Katastrophen führen.
"Wir sind Jahrzehnte lang vernachlässigt worden", sagt der Fahrdienstleiter - auch von der Konkurrenzgewerkschaft der GDL, der EVG. "Die GDL hat für uns Fahrdienstleiter derzeit noch keine Möglichkeiten, etwas zu tun. Sie ist aber bemüht, das zu ändern - das wäre für uns Fahrdienstleiter super."
Der Tarifvertrag für Fahrdienstleiter ist neben der Absenkung der Wochenarbeitszeit eine der zentralen Forderungen der GDL in dem Arbeitskampf. Weselsky zeigte sich kürzlich in einem Interview überzeugt, dass die GDL auch für Fahrdienstleiter einen Tarifvertrag bekommen werde.
Steckbrief Fahrdienstleiter
Insgesamt arbeiten bei der Deutschen Bahn rund 15.200 Menschen im Stellwerkbereich. (Stand 01/2024)
Über die duale Berufsausbildung ("Eisenbahner im Betriebsdienst, Fachrichtung Fahrweg", Dauer bis zu drei Jahre, Mindestvoraussetzung erfolgreicher Schulabschluss) oder über den Quereinstieg (Dauer bis zu zehn Monate, Voraussetzung abgeschlossene, möglichst technische Berufsausbildung).
Fahrdienstleiter müssen verantwortungsbewusst, zuverlässig und belastbar sein. Die Arbeit stellt besondere Anforderungen an die mentale und psycho-physische Leistungsfähigkeit. Damit die Sicherheit des Eisenbahnbetriebs gewährleistet ist, müssen sich Fahrdienstleiter bei ihrer Einstellung einer Tauglichkeitsuntersuchung durch den Betriebsarzt unterziehen. Sie wird alle fünf Jahre wiederholt, ab dem 40. Lebensjahr alle drei Jahre.
Ein Fahrdienstleiter verdient im Jahr, je nach Berufserfahrung und Komplexität des Stellwerks, zwischen 39.000 und 58.000Euro inklusive Zulagen und Weihnachtsgeld. Ein Azubi verdient, je nach Lehrjahr, zwischen 1.019 Euro und 1.226 Euro im Monat, dazu kommen Weihnachtsgeld in Form einer 13. monatlichen Ausbildungsvergütung und ggf. Zulagen. In der Funktionsausbildung verdient ein zukünftiger Fahrdienstleiter ab rund 2.900 Euro im Monat sowie ggf. Zulagen. Zulagen entstehen durch Arbeit in der Nacht, am Wochenende und an Feiertagen.
Quelle: Deutsche Bahn
Die Bahn beschreibt in ihrem Steckbrief die vorausgesetzten Eigenschaften für den Beruf des Fahrdienstleiters: Demnach müssen sie "verantwortungsbewusst, zuverlässig und belastbar" sein.
Im Zugverkehr sind keine Fehler erlaubt
Ein Beispiel: Im Juni 2022 sind bei einem Zugunglück bei Garmisch-Partenkirchen fünf Menschen gestorben. Die Unfallursache war wohl ein Mangel an den Betonschwellen der Strecke. Eine Meldung wegen eines Problems an der späteren Unfallstelle soll von einem Fahrdienstleiter nicht weitergereicht worden sein. Der Fahrdienstleiter wurde - wie zwei andere Bahnmitarbeiter auch - angeklagt. Denn der Verdacht der fahrlässigen Tötung steht im Raum.
Aus Sicht des Fahrdienstleiters aus Hessen soll die Verantwortung in diesem Fall nach unten weitergereicht werden: "Das finde ich sehr ungerecht und unfair uns Fahrdienstleitern gegenüber."
Was passiert, wenn Fahrdienstleiter streiken?
Während streikende Lokführer für einzelne Zugausfälle sorgen können, sind die Auswirkungen bei einem Fahrdienstleiter, der sich einem Streik anschließt, gravierender. "Dann steht komplett alles still", sagt der Fahrdienstleiter.
Denn es fallen nicht nur einzelne Züge weg, sondern gleich ein gesamter Streckenabschnitt. So hat zu Beginn des Streiks Ende Januar - laut einem Bericht der Badischen Neuesten Nachrichten - ein einzelner streikender Fahrdienstleister den Karlsruher Hauptbahnhof lahmgelegt.
Der in diesem Artikel zitierte Fahrdienstleiter wurde ZDFheute von einem Bezirksvorsitzenden der GDL vermittelt. Der Fahrdienstleiter selbst ist kein GDL-Mitglied.