Stellenabbau trotz Fachkräftemangel: Wie passt das zusammen?
Arbeitsmarkt:Jobabbau und Fachkräftenot - ein Widerspruch?
von Klaus Weber
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Obwohl in vielen Bereichen dringend Fachkräfte gesucht werden, bauen einige große Unternehmen massiv Personal ab. Wie passt das zusammen?
Viele Unternehmen bauen Stellen ab - trotz Fachkräftemangels.
Quelle: dpa
Fast unbemerkt haben Firmen wie Continental, Bosch, SAP, Bayer oder ZF damit begonnen, Zehntausende Stellen abzubauen, oder angekündigt, dies zu tun. Dabei sucht Deutschland händeringend nach Fachkräften.
Ein Paradoxon also? Nicht unbedingt, denn dass gerade große Unternehmen diesen Personalabbau vorantreiben, kommt nicht von ungefähr. Die Ökonomie arbeitet hier eigentlich nur nach ihrer ureigensten Logik.
Schlechte Marktsituation nicht einziger Grund
In Zeiten hoher Energiekosten, abflauender Konjunktur und zu viel Bürokratie versuchen diese Betriebe, Kosten zu senken. Oder wie Jutta Rump vom Institut für Beschäftigung an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft in Ludwigshafen es ausdrückt: "Unternehmen, die global aufgestellt sind, verlagern dorthin, wo die Lage weniger angespannt ist."
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Neben dieser schlechten wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland gibt es aber noch einen zweiten gravierenden Punkt, der die Unternehmen dazu veranlasst, Stellen abzubauen.
Heißt, gewisse Fähigkeiten werden einfach nicht mehr benötigt. Fachkräfte werden zwar weiterhin in vielen Bereichen gesucht, trotzdem können sie gleichzeitig anderswo wegfallen. Die Arbeitswelt ändert sich gerade so dynamisch, dass dies kein Widerspruch ist.
"Reskilling": Fort- und Weiterbildung wesentlicher Faktor
Auch für Alexander Burstedde, Ökonom für Fachkräftesicherung am IW in Köln, ist das ein zentraler Punkt: "Für den Arbeitsmarkt ist ganz entscheidend, was die Menschen können. Wir haben Fachkräftemangel, weil Menschen nicht die Fähigkeiten haben, die die Unternehmen brauchen." Derzeit gebe es 250.000 Arbeitslose, die zwar eine Ausbildung oder ein Studium absolviert haben, aber in einem Beruf, für den es in ganz Deutschland keinen einzigen Job gibt. Burstedde glaubt deshalb:
Doch gerade Weiterbildung gehört nicht unbedingt zu den Stärken des deutschen Arbeitssystems. Dies sei kein Wunder, sagt Jutta Rump, denn die Situation in Deutschland sei eine ganz andere als zum Beispiel in den USA, wo man seinen Beruf im "Learning on the Job"-Prinzip erlerne: "In Deutschland gibt es ein standardisiertes, sehr fundiertes System mit hoher Qualität. Man bekommt ein Zertifikat und wird in dieser Logik und Fachlichkeit eingesetzt." Fort- und Weiterbildung, das sogenannte "Reskilling", sei aus diesem Blickwinkel heraus kaum vorgesehen. Man sei zu sehr "auf den eigenen Garten fixiert."
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Mehr Eigenverantwortung Gebot der Stunde
Dabei wird in Zukunft genau dieser Blick in Nachbars Garten unbedingt vonnöten sein. In vielen Branchen ändern sich die Berufsbilder rasant. Oftmals werden sogar in ein und demselben Unternehmen Fachkräfte für eine Tätigkeit nicht mehr benötigt, in anderen Bereichen dafür umso mehr. Interne und externe Weiterbildung kann dabei eine Schlüsselrolle einnehmen, auch wenn dadurch sicher nicht verhindert werden kann, dass einige durch den Rost fallen.
Bei der Bundesagentur für Arbeit geht man deshalb schon länger diesen Weg. Zentrale Aufgabe ist dort längst nicht mehr die reine Arbeitsvermittlung. Inzwischen steht dort der Mensch und dessen Qualifizierung für neue Aufgaben im Mittelpunkt. Politisch wird also schon einiges getan.
"Man muss deshalb nicht nur die Politik in die Pflicht nehmen", sagt Rump "sondern auch die Arbeitgeber und jeden einzelnen von uns". Unternehmer-, aber auch Eigenverantwortung ist also das Gebot der Stunde. Stetige Weiterbildung darf nicht die Ausnahme bleiben. Wenn sie normal wird, kann die Gesellschaft eine der größten Herausforderungen unserer Gegenwart bewältigen.
Stress und Überstunden: Laut einer Studie erleben 61 Prozent der Beschäftigten Personalengpässe im Betrieb - und dadurch eine höhere Belastung. Eine Folge des Fachkräftemangels.