Kündigungsgrund Klima: Umdenken auf dem Arbeitsmarkt gefragt

    Fachkräftemangel und Klimawandel:Kündigungsgrund Klima? Umdenken ist gefragt

    von Anna Urban
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    Früher der schicke Dienstwagen, heute der Klimaschutz: Was einen Arbeitsplatz attraktiv macht, verändert sich gerade rapide. Das Problem: Viele Firmen unterschätzen den Wandel.

    Klima, grünes Büro, Symbolbild
    Klimaschutz ist Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wichtig. (Symbolbild)
    Quelle: Imago

    "Climate Quitting" nennt sich das Phänomen: Den Job kündigen, wenn das Engagement des Arbeitgebers für den Klimaschutz nicht passt. Eine Studie der Online-Jobplattform Stepstone belegt, dass etwa 40 Prozent der Erwerbstätigen in Deutschland es für sehr oder eher wahrscheinlich halten, ihren Job zu kündigen, wenn der Arbeitgeber gegen Nachhaltigkeitskriterien verstößt.

    Nachhaltigkeit bedeutet mehr Attraktivität

    "Wir befinden uns in einem sogenannten Arbeitnehmendenmarkt. Es gibt viele unbesetzte Stellen, daher sind die Menschen zunehmend selbstbewusster und stellen höhere Anforderungen", erklärt Tobias Zimmermann von Stepstone gegenüber ZDFheute.
    Jedoch geht es nicht nur um "Quitting", also um's kündigen: Insgesamt steigt die Bedeutung eines klimagerechten Arbeitsplatzes. Wer also nachhaltig wirtschaftet, sammelt Pluspunkte als attraktiver Arbeitgeber.

    Mehr Fokus auf Nachhaltigkeit, auch bei Arbeitnehmern über 30

    Wenn Lena Klinkmann an die Berufswelt von morgen denkt, wünscht auch sie sich mehr Engagement für den Klimaschutz:

    Wichtiger als viel Geld und Statussymbole wie Firmenwagen ist mir, dass mein zukünftiger Arbeitgeber glaubwürdig Werte wie Nachhaltigkeit vertritt.

    Lena Klinkmann, Abiturientin

    Die Abiturientin aus der Nähe von Hagen will später mal im Bereich Internationale Beziehungen arbeiten.
    Dass viele in der Generation von Klinkmann so denken wie sie, bestätigt Zimmermann. Besonders viel Wert wird auf Recycling und Energiesparen gelegt. Aber wer nun daraus schließt, dass nur jüngere Menschen diesem Trend folgen, der täuscht. Denn auch bei Arbeitnehmenden über 30 ist ein Wandel festzustellen.
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    Heute fragen Jobsuchende in Bewerbungsgesprächen vermehrt nach dem ehrlichen Interesse der Unternehmen an Nachhaltigkeit denn "Greenwashing kann man schnell aufdecken", so die Einschätzung von Zimmermann.
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    Berufswünsche im Wandel: Aufstieg der "Green Skills"

    Wachsendes Klima- und Umweltbewusstsein verändert aber nicht nur die Ansprüche an die Arbeitswelt, sondern auch die Berufswünsche junger Menschen. Aus einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) geht hervor, dass Ausbildungsberufe mit "Green Skills" an Beliebtheit zunehmen. Hier stieg die Anzahl der besetzten Ausbildungsstellen zwischen 2013 und 2021 um 14 Prozent - trotz des Fachkräftemangels.
    Über "Green Skills" verfügt zum Beispiel ein Dachdecker, der zusätzlich erlernt, wie man Solarpaneele installiert. "Diese Fertigkeiten in Sachen Energiewende und Klimaschutz werden als zukunftssicher wahrgenommen", erklärt Markus Janser vom IAB.
    Dagegen verzeichneten Ausbildungen mit "Brown Skills" wie beispielsweise in der Kunststoffherstellung oder Nutztierhaltung einen Rückgang an Beliebtheit. Hier sank die Zahl der besetzten Ausbildungsstellen im gleichen Zeitraum um 15 Prozent.
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    Warum eine glaubwürdige Umweltstrategie entscheidend ist

    Aber gehen Unternehmen diesen Wandel an? Viele tun sich damit noch schwer, so der Eindruck von Hanni Koch von der Unternehmensberatung VIA Consult. Sie berät mittelständische Unternehmen im ländlichen Raum. Dabei erlebt Hanni Koch, dass einige Unternehmen nur die nötigsten Maßnahmen ergreifen, um politischen Anforderungen zu genügen - ohne zusätzliches Engagement. Die Unternehmensberaterin empfiehlt:

    Wohl oder übel wird man sich irgendwann anpassen müssen, man ist also gut beraten, sich mit einer glaubwürdigen Umweltstrategie frühzeitig auseinanderzusetzen.

    Hanni Koch, Unternehmensberatung VIA Consult

    Andernfalls verschärfe sich der Fachkräftemangel weiter.
    Wie aber soll das konkret funktionieren? Nicht jeder kann sein Geschäftsmodell von heute auf morgen umkrempeln und "Green Skills" vermitteln oder umweltfreundliche Produkte herstellen, räumt Koch ein.
    Dennoch hat jeder die Wahl, seinen Betrieb umweltfreundlicher zu gestalten, so das Fazit von Zimmermann: "Das Thema ist für Unternehmen zweifellos eine Chance. Durch ehrliches Interesse und Engagement in Sachen Nachhaltigkeit kann man in einem umkämpften Arbeitskräftemarkt den Unterschied machen."

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