Fachkräftemangel durch Rente: Wer ersetzt die Babyboomer?
Mangel an Fachkräften:Wer ersetzt die Babyboomer?
von Stefan Schlösser
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Immer mehr Alte, zu wenige Junge. Der Druck auf den Arbeitsmarkt ist groß und wird sich weiter verschärfen. In zahlreichen Engpassberufen ist der Anteil der Boomer besonders groß.
Während viele ihren Job verlieren, fehlen Fachkräfte – besonders in den Bereichen, in denen die Babyboomer in den Ruhestand gehen.31.01.2025 | 1:34 min
Die bevorstehende Rentenwelle der Babyboomer stellt den Arbeitsmarkt vor gewaltige Herausforderungen. Zwischen 1954 und 1969 lag die Zahl der in Deutschland Geborenen immer über 1,1 Millionen. 1964 war das geburtenstärkste Jahr mit rund 1,4 Millionen Neugeborenen. Seit dem "Pillenknick" Ende der 60er Jahre sind die Geburtenzahlen nie wieder so hoch gewesen. Seit 1972 sterben jedes Jahr mehr Menschen als neue geboren werden.
Die Babyboomer sind jetzt im Rentenalter, bis 2036 werden sie großteils in den Ruhestand gegangen sein. Und sie hinterlassen Lücken auf dem Arbeitsmarkt, die nur schwer zu schließen sind. Hans-Jürgen Lorenz ist ein Babyboomer. Schon über 33 Jahre fährt er Linienbus in Wiesbaden. Auch nach dieser langen Zeit hat er immer noch Spaß an seinem Job. Doch mit seinen 60 Jahren hat er die Rente schon im Blick.
"Ich freue mich sehr drauf, wobei mir das auch ein bisschen Schmerzen bereitet, weil ich mach' den Job immer noch mit sehr viel Freude." Das merkt man ihm sofort an, wenn man ihn auf einer seiner Touren begleitet.
Aber wenn man die Rente dann erreicht hat, muss man auch mal für die Familie da sein.
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Hans-Jürgen Lorenz
Kleine und mittelständische Unternehmen stehen in Deutschland vor Herausforderungen. Vor allem der Fachkräftemangel und hohe Materialkosten bereiten Unternehmen Sorgen.05.01.2025 | 2:48 min
Viele Babyboomer in Engpassberufen
Er und Millionen andere müssen in den kommenden Jahren ersetzt werden. Zahlen vom Statistischen Bundesamt zeigen, dass in vielen sogenannten Engpassberufen der Anteil der Babyboomer besonders hoch ist. Über alle Berufe hinweg betrachtet sind 25 Prozent der Beschäftigten 55 Jahre und älter.
Bei den Bus- und Straßenbahnfahrern sind es ganze 44 Prozent, bei den Berufskraftfahrern im Güterverkehr 39 Prozent, im Gartenbau 34 Prozent. Auch im Maurerhandwerk ist der Anteil der Älteren mit 30 Prozent höher als der Durchschnitt. In der Altenpflege sind es mit 27 Prozent nur leicht mehr.
In vielen Bereichen fehlen Arbeitskräfte. Ausländische Abschlüsse werden oft nicht anerkannt. Ein Beispiel aus Mannheim zeigt: Es tut sich was in dieser Hinsicht.27.09.2024 | 1:36 min
Verkehrsgesellschaft: "Wir bilden mit Hochdruck aus"
Eine Herausforderung für das ganze Land, nicht nur für die ESWE Verkehr in Wiesbaden, bei der Hans-Jürgen Lorenz angestellt ist. Fast 700 Männer und Frauen sind hier im Einsatz, um die rund 300 Busse im 650 Kilometer langen Streckennetz zu bewegen. Noch können sie den Bedarf selbst decken, sagt Geschäftsführerin Marion Hebding.
Wir bilden mit Hochdruck aus, mit unserer eigenen Fahrschule. Auch Quereinsteiger und Arbeitslose bilden wir aus oder schulen sie um. Aber das Problem wird in Zukunft natürlich größer werden.
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Marion Hebding, Geschäftsführerin von ESWE Verkehr
Seit vergangenem Jahr neu hinzugekommen ist die Fachkraft im Fahrbetrieb, ein vollwertiger Ausbildungsberuf, bei dem die jungen Menschen nicht nur das Busfahren lernen, betont Hebding: "Sondern die Fachkraft im Fahrbetrieb lernt auch, was wir im Rahmen des ÖPNV anbieten. Marketing, Vertrieb, Disposition, Leitstelle, das ist ein umfassender Nahverkehrsberuf." Und bietet somit eine deutlich bessere Perspektive. Alle elf Ausbildungsplätze konnten besetzt werden.
Weil viele Betriebe ihre Öffnungszeiten kürzen oder den Betrieb sogar ganz schließen mussten, setzt man in Rheinland-Pfalz nun auf die Ausbildung von Jugendlichen aus Ruanda. 14.09.2024 | 1:36 min
Experte: Mehr Fachkräfte aus dem Ausland anwerben
Ausbildung, Umschulung, Weiterqualifizierung - alles sehr wichtige Maßnahmen. Doch sie werden bei Weitem nicht ausreichen, um die Babyboomer zu ersetzen. Es muss vor allem neues Arbeitskräftepotenzial gewonnen werden, weiß Alexander Burstedde, Experte für Fachkräfte am Institut der deutschen Wirtschaft in Köln. Um den Fachkräftemangel zu bekämpfen, müsse man zuallererst mehr qualifizierte Fachkräfte nach Deutschland holen.
Wir müssen es schaffen, dass die Älteren länger arbeiten und wir müssen es schaffen, dass die Leute, die schon da sind, pro Woche mehr arbeiten.
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Alexander Burstedde, Experte für Fachkräfte
Teilzeitkräfte, zum größeren Teil sind es Frauen, müssten den Anreiz und die Chance haben, Vollzeit zu arbeiten. Wenn der Wohlstand in Deutschland gehalten werden solle, dann könne die Lösung nicht sein, immer weniger zu arbeiten. Das möge im Einzelfall funktionieren, aber nicht für die Gesellschaft als Ganzes.
Hans-Jürgen Lorenz freut sich zwar auf seine Rente, aber eigentlich könnte er sich auch gut vorstellen, noch länger zu arbeiten. Sein Job macht ihm halt noch Spaß.
Um den Fachkräftemangel abzuschwächen, sollen finanzielle Anreize für Rentner geschaffen werden, damit sie länger in ihrem Job arbeiten. Die Regelung soll 2028 in Kraft treten. 04.09.2024 | 1:43 min