Der sogenannte Stabilitäts- und Wachstumspakt wurde eingeführt, damit EU-Staaten solide haushalten. Doch immer wieder verstoßen Länder gegen ihn. Wie effektiv ist er wirklich?
Über den Euro sind viele EU-Länder wirtschaftlich miteinander verbunden (Symbolbild)
Quelle: Imago
Rückblende. Sommer 2010 - die Staatsschuldenkrise bricht aus. Griechenland steht kurz vor der Zahlungsunfähigkeit. Hat jahrelang über seine Verhältnisse gelebt und riesige Schuldenberge angehäuft. Schließlich kann es nur mit Mühe und Not durch einen 290-Milliarden-Euro-Rettungsschirm vor der Pleite bewahrt werden. Die teuerste Rettung der Finanzgeschichte.
Ein Großteil des Geldes kommt von den anderen Ländern der Eurozone. Natürlich nicht aus reiner Selbstlosigkeit, sondern vielmehr aus einem Selbsterhaltungstrieb. Griechenland stand kurz davor, die gesamte EU mit in den Abgrund zu reißen.
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Bindeglied Euro
Denn über die gemeinsame Währung, den Euro, sind alle Länder wirtschaftlich miteinander verwoben. Ein Vertrauensverlust der Kapitalmärkte in den Euro hätte auch andere hochverschuldete Länder in Mitleidenschaft gezogen. Deshalb sprach man damals auch häufig von der Eurokrise. Doch wie konnte es überhaupt so weit kommen? Der Stabilitäts- und Wachstumspakt sollte doch eigentlich genau solch eine Situation verhindern.
Klar ist, an Regeln liegt es nicht. Die sind mehr als deutlich. Maximale jährliche staatliche Neuverschuldung: höchstens drei Prozent der Wirtschaftsleistung. Staatliche Gesamtverschuldung höchstens 60 Prozent des BIP. Jedes Land der Eurozone ist vertraglich zum Einhalt verpflichtet, ansonsten wird ein sogenanntes Defizitverfahren eingeleitet.
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Ulrich Kater, Chefvolkswirt von der DekaBank, hält diese Regeln für sehr wichtig: "Für Deutschland waren sie sogar die Bedingung zur Errichtung des Euros. Leider ist die Bedeutung von Regeln in der politischen Kultur der Mitgliedsländer unterschiedlich. Und deswegen haben die Regeln nicht die Effektivität entfaltet, die sich die Euro-Architekten auf deutscher Seite damals vorgestellt hatten."
Schuldenquoten insgesamt zu hoch
Denn die Realität sieht anders aus. Griechenland beispielsweise hatte über viele Jahre falsche Daten an Brüssel geliefert, sodass die EU erst im Jahr 2009 ein Verfahren eingeleitet hatte. Bereits vor dem Beitritt zur EU im Jahr 2001 lag die Staatsverschuldung bei über 100 Prozent. Doch ist es viel zu kurz gesprungen, mit dem Finger nur auf Griechenland zu deuten.
Auch Deutschland hat die Regeln schon verletzt. Im Durchschnitt sind die Länder der Eurozone mit weit über 90 Prozent des BIP verschuldet. Frankreich beispielsweise hat die Obergrenze der EU von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zuletzt mehrfach in Folge gerissen. 2023 lag die Neuverschuldung bei 5,5 Prozent. Mit 110 Prozent des Bruttoinlandsprodukts hat Frankreich die dritthöchste Schuldenquote der Eurozone.
Italien hat sogar eine Schuldenquote von knapp 140 Prozent. Dennoch dauert es - wenn überhaupt - sehr lange, bis Defizitverfahren durch die EU eingeleitet werden. Zweifel an den Schuldenregeln sind deshalb durchaus berechtigt. Ulrich Kater sieht dabei ein strukturelles Problem:
Reform der Schuldenregeln fördert Ausnahmen
Dabei wurden die Schuldenregeln kürzlich nochmals reformiert. Aber weit gefehlt - wer jetzt denkt, dass sie verschärft wurden. Im Gegenteil, sie beinhalten nun noch mehr Ausnahmen.
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Ulrich Kater sieht es so:
"Die Regeln können allenfalls als Gradmesser gelten, wie stark sich ein Land von einer nachhaltigen Finanzpolitik entfernt", so Kater weiter. Eine Konsolidierung könne jetzt nur noch durch den Druck der Kapitalmärkte geschehen, wenn irgendwann einmal das Vertrauen in einen der großen europäischen Schuldner verloren ginge.
Dass viele Länder in den Kriterien keine Vorgaben, sondern eher eine Art Empfehlung der EU sehen, könnte sich noch rächen - siehe 2010.
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