Elektroautos in Deutschland: Warum die Verkaufszahlen sinken
Analyse
Deutschland und die E-Mobilität:Wie wir das E-Auto-Zeitalter verschlafen
von Kevin Schubert
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Nach dem Aus der staatlichen Prämie sind die Verkaufszahlen von E-Autos gesunken. Doch die Probleme liegen tiefer. Warum fremdelt die Autonation Deutschland so mit der E-Mobilität?
Auf der "Auto China" in Peking werden chinesische Autokonzerne wie Popstars gefeiert.25.04.2024 | 2:50 min
Falls Wang Kai gestresst ist, merkt man es ihr nicht an. Das beste E-Auto, das schickste Design, der günstigste Preis: Begeistert stellt die Auto-Influencerin ihrem Millionen-Publikum in den sozialen Medien die neuesten Fahrzeuge auf der "Auto China" vor - und wirbt dabei vor allem für die chinesischen Hersteller.
"Es gibt so vieles, was ihr echt nicht von heimischen Marken erwarten würdet", erzählt die Chinesin ihren Followern. "Zum Beispiel, dass ein E-Auto für 12.000 Euro rahmenlose Türen hat und ein Fahrassistenz-System, einen Autopiloten!"
Auch dank starker staatlicher Subventionen boomen E-Autos in China.25.04.2024 | 1:54 min
Schon 2025 soll jeder zweite Neuwagen auf Chinas Straßen ein Hybrid oder voll elektrisch sein. Mit Sprachsteuerung, großem Display, Infotainment und günstigen Preisen ziehen Hersteller wie BYD davon. BMW, VW, Mercedes? Das seien Autos, von denen man vielleicht träume, sagt Wang Kai. Aber kaufen? "Zu teuer", findet die Influencerin, die Software "zu langsam", die Anwendung "nicht wirklich bequem".
Der größte Automarkt der Welt startet durch ins Zeitalter der E-Mobilität - und die Autonation Deutschland schaut vom Seitenrand zu?
Die Nachfrage nach Elektroautos in China steigt und damit auch der Konkurrenzkampf. Können westliche Hersteller mithalten?24.04.2024 | 39:28 min
Wie die E-Mobilität in Deutschland stagniert
Hierzulande fristen E-Autos auch 2024 ein Nischen-Dasein. Nach dem Aus der staatlichen Prämie sind die Verkaufszahlen im ersten Quartal zurückgegangen. Nur 81.337 E-Autos wurden zwischen Januar und März zugelassen - ein Rückgang von 14,1 Prozent im Vergleich zu 2023.
Neuzulassungen bei E-Autos in Deutschland
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Ausschließlich elektrisch betriebene Fahrzeuge - Plug-in und andere Hybride also ausgeklammert - machten damit nur 11,7 Prozent aller Neuzulassungen aus. Das Ziel der Bundesregierung von 15 Millionen E-Autos bis 2030 sei schon jetzt nicht mehr zu schaffen, sagt Sascha Coccorullo, Leiter Strategie der ADAC SE. Selbst optimistisch gerechnet sei im Jahr 2030 nur "ein Bestand von 8,6 Millionen E-Autos möglich".
Aber warum fremdelt Deutschland mit der E-Mobilität?
Wie die Automobilzulieferer unter der geringen Nachfrage leiden. 18.04.2024 | 1:33 min
Die Kunden: Allein gelassen mit ihren Sorgen
Geringe Reichweite, zu wenig Ladestationen, zu lange Ladezeiten: Seit Jahren halten sich die Vorbehalte gegen E-Autos in der Bevölkerung hartnäckig. Der Mobilitätsmonitor 2024, eine repräsentative Umfrage der Deutschen Akademie für Technikwissenschaften und des Allensbach-Instituts, hat das jüngst eindrucksvoll bestätigt.
Vorbehalte gegen E-Mobilität
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Das Problem: Die meisten Vorbehalte sind längst überholt. "Neue E-Autos haben eine Reichweite von 300, 400, sogar 500 Kilometern", sagt Andreas Herrmann, Direktor am Institut für Mobilität in St. Gallen, "während die meisten Deutschen nur 40 bis 50 Kilometer am Tag fahren."
Auch Ladesäulen und Ladezeiten seien nur noch punktuell Thema, sagt ADAC-Mann Coccorullo. "Selbst Urlaubsfahrten sind kein Problem mehr. Während einer normalen Pause kann eine Schnellladesäule die Batterie wieder auf 80 Prozent aufladen", sagt er. Das sei zwar ungewohnt, aber "die Ängste bei der Elektromobilität entsprechen nicht mehr der Wahrheit".
Wie lange sind Ladestationen von Ihrer Gemeinde entfernt?
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Helena Wisbert warnt allerdings davor, die Kunden-Sorgen kleinzureden. Trotz aller Fortschritte sieht die Professorin für Automobilwirtschaft an der Ostfalia-Universität in Wolfsburg nach wie vor Lücken bei der Ladeinfrastruktur. "Auch die ausgelobten 500 Kilometer Reichweite stehen und fallen mit der Fahrweise", sagt Wisbert.
Selbst wenn das bei 99 Prozent der Alltagsfahrten kein Problem sei: "Was ist mit dem einen Prozent? Vom Verbrenner bin ich maximale Flexibilität gewohnt, im E-Auto muss ich meine Fahrweise anpassen." Eine Umstiegshürde, sagt die Professorin, wenn auch nicht die größte. "Die bleibt der Preis."
Warum die Nachfrage nach Elektro-Autos zurückgegangen ist. 10.04.2024 | 1:07 min
Das E-Auto: Ein Auto für Besserverdiener
ZDFheute liegt eine aktuelle ADAC-Liste mit den 30 günstigsten E-Autos Deutschlands vor. Nur der Dacia Spring, eher ein Stadtauto mit nicht mal 200 Kilometern Reichweite im ADAC-Test, ist unter 20.000 Euro erhältlich.
Das zweitgünstigste Fahrzeug, der Kleinstwagen Renault Twingo, kostet als Neuwagen in der Variante E-Tech Electric Paket Techno schon 28.000 Euro. Mit dem Fiat 500e (29.490 Euro) und dem Opel Corsa Electric Yes (29.990 Euro) sind nur zwei weitere Fahrzeuge unter 30.000 Euro erhältlich. Gerade der direkte Vergleich mit den günstigsten Verbrenner-Varianten der Modelle zeigt, wie teuer E-Mobilität weiterhin ist.
Neuwagen: E-Autos teurer als Verbrenner
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"Den Preisaufschlag für die Elektro-Version kann ich nur mit Strom aus öffentlichen Ladepunkten kaum rausfahren", sagt Helena Wisbert. Auch wenn die Differenz zum Verbrenner durch den steigenden CO2-Preis perspektivisch sinken werde: "Stand heute ist sie ein Fakt."
Dass man sich E-Mobilität nicht nur leisten wollen, sondern auch leisten können muss, zeigt auch die Auswertung einer Umfrage der ADAC SE zur Elektromobilität 2024, die ZDFheute exklusiv vorliegt. Demnach wollen sich 22 Prozent aller Personen, die in den kommenden drei Jahren einen Autokauf planen, ein E-Auto zulegen - wobei die Kaufabsicht vor allem vom Haushalts-Netto-Einkommen abhängt:
Kaufabsicht: Wer mehr verdient, plant eher ein E-Auto
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Die Umfrage der ADAC SE zur Elektromobilität 2024 zeigt auch, dass Elektro-Autos oft in Verbindung mit einer privaten Lade- und Strominfrastruktur geplant werden. Demnach haben 80 Prozent aller E-Autobesitzer eine private Lademöglichkeit. 42 Prozent haben zudem eine Photovoltaik-Anlage, bei weiteren 25 Prozent planen die Installation einer Solar-Anlage in den kommenden drei Jahren.
Unter denen, die ein E-Auto anschaffen wollen, haben bereits 37 Prozent eine private Lademöglichkeit, 43 Prozent könnten eine installieren. Fast jeder Vierte verfügt zudem über eine Photovoltaik-Anlage, 36 Prozent planen eine in den kommenden drei Jahren.
Die Industrie: Die Euphorie für das E-Auto fehlt
Warum fällt es den deutschen Auto-Giganten so schwer, ein günstiges, massentaugliches E-Auto auf den Markt zu bringen?
Ausgerechnet Deutschlands herausragende Stellung bei Verbrennern stehe den Autokonzernen nun im Weg, sagt Andreas Herrmann vom Institut für Mobilität in St. Gallen. Viele Vorzeigeländer hätten keine eigene Autoindustrie, was den Wandel leichter mache. "Wir sind ein Verbrenner-Land", sagt Herrmann, "sind damit groß geworden, haben unseren Wohlstand damit erwirtschaftet. Und jetzt soll diese Erfolgsformel plötzlich abgelöst werden?"
Deutschlands Umstieg auf grüne Energie geht schleppend voran, dafür verantwortlich sind vor allem das Ende der Förderung von E-Autos und günstigere Angebote ausländischer Anbieter.04.01.2024 | 1:32 min
Bei der E-Mobilität gehe viel Wertschöpfung verloren, sagt Herrmann. "Batterien müssen bislang eingekauft werden aus Fernost, der E-Motor ist im Vergleich wenig faszinierend." Otto- und Diesel-Motoren "Made in Germany" seien nun einmal Weltspitze, der Stolz deutscher Ingenieurskunst. "Das spielt im Hintergrund mit", sagt Herrmann, es lade den Verbrenner emotional auf und degradiere E-Mobilität zum "Vernunftauto".
"Auch der Autohandel ist nicht begeistert von der E-Mobilität", sagen Andreas Herrmann vom Institut für Mobilität in St. Gallen und Sascha Coccorullo von der ADAC SE.
Einerseits seien die Gewinnmargen bei E-Autos geringer, sagt Coccorullo. Andererseits seien die meist angeschlossenen Service-Werkstätten der Autohäuser auf Verbrenner angewiesen. "Bei E-Autos ist vieles nur noch ein Software-Update", sagt Herrmann, "Wartungsarbeiten wie Ölwechsel fallen weg." Außerdem setzten viele Hersteller bei E-Autos auf Direktvertrieb. "Natürlich fragt sich der Handel da, wie sein Geschäftsmodell in der Welt der E-Mobilität aussehen soll", sagt Herrmann.
Coccorullo glaubt zwar, dass die Autohäuser eine Zukunft haben. "Reifenwechsel, Hauptuntersuchung - einige Service-Leistungen bleiben ja", sagt der ADAC-Experte. "Aber die Händler stehen vor der Herausforderung, die Lücke mit innovativen Dienstleistungen zu füllen."
Das sei schwierig, aber nicht unmöglich. Coccorullo sieht sogar neue Geschäftsfelder. "Wenn ich mir anschaue, was die Kunden beschäftigt, kann ich als Autohaus beispielsweise mit Elektrikern kooperieren und zum E-Auto direkt das maßgeschneiderte Wallbox-Angebot mitliefern", sagt Coccorullo. Entscheidend sei, dass die Hersteller den Wandel im Schulterschluss mit dem Handel stemmten.
Dennoch bleibe der Industrie keine Wahl, sagt Herrmann. Langfristig müsse sie den Wandel schaffen. Andernfalls sei bei fast 800.000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von mehr als 400 Milliarden Euro im Jahr 2021 der Wohlstand des Landes gefährdet. "Das gelingt aber nur in einer gesamtgesellschaftlichen Anstrengung", sagt Herrmann, und leitet damit zum letzten, großen Problemfeld über: der Politik.
Vor allem die Zulieferer müssen sich noch auf das Ende des Verbrennermotors einstellen.07.03.2023 | 2:28 min
Die Politik: Kein klares Bekenntnis zum E-Auto
Sowohl Andreas Herrmann als auch Helena Wisbert sehen in der Politik einen der größten Unsicherheitsfaktoren für die E-Mobilität. "Entscheidend für die E-Mobilität ist die Notwendigkeit, aus Klimaschutzgründen umzusteigen", sagt Wisbert. "Das Gefühl für diese Notwendigkeit schwindet aber, weil in der politischen Diskussion immer wieder andere Alternativen ins Spiel gebracht werden."
E-Fuels, HVO, Wasserstoff - die unter anderem von Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) verfolgte "Technologie-Offenheit" sei nichts anderes als ein Eingeständnis, "dass ich nicht weiß, was ich eigentlich machen soll", sagt Herrmann.
Auch die immer wieder aufflammende Debatte um das längst beschlossene, EU-weite Verbrenner-Aus ab 2035 sende das Signal, dass es vielleicht doch ohne E-Autos gehe, sagt Wisbert. Das Aus der staatlichen Prämie habe dem die Krone aufgesetzt. "Finanziell haben viele Händler das abrupte Ende der Umweltprämie mit Rabattaktionen abgefedert", sagt Wisbert. "Die Signalwirkung aber war, dass die Bundesregierung selbst nicht mehr an ihre E-Auto-Ziele glaubt."
Und nun?
Der dringend benötigte Weckruf, glaubt Herrmann, könne noch kommen. "Die Hersteller müssen sagen: Wir hängen nicht länger am Verbrennungsmotor, wir wollen dieses neue Zeitalter." Auch die Bundesregierung müsse sich endlich bekennen, einen Schlussstrich unter ihre Widersprüche ziehen. "Dann", glaubt Herrmann, "kommt vielleicht auch bei den Kunden die Euphorie, die in China längst existiert."
Mitarbeit: Elisabeth Schmidt, ZDF-Korrespondentin in Peking Grafik und Redaktion: Robert Meyer, Datenjournalist bei ZDFheute
Elisabeth Schmidt ist ZDF-Korrespondentin in Peking - und beobachtet, wie die Volksrepublik die Verkehrswende konsequent durchsetzt, zur Not auch "mit eisernen Mitteln". "In großen Städten wie Peking ist es immer schwieriger, überhaupt eine Zulassung für Verbrenner zu bekommen", berichtet Schmidt. "In Shanghai fahren heute schon 50 Prozent E-Autos, wozu allerdings auch Hybride zählen. Eine Zulassung und ein grünes Kennzeichen für E-Autos kann man praktisch sofort bekommen, für einen Verbrenner und ein blaues Kennzeichen muss man an einer Lotterie teilnehmen, es gibt nur wenige, begrenzte Stückzahlen."
Die Ladeinfrastruktur sei zwar besser als in Europa, Beschwerden gebe es aber trotzdem. "Ein Beispiel vom vergangenen Frühlingsfest: In Hubei und weiteren Provinzen in der Mitte und im Süden Chinas gab es ein furchtbares Schneechaos. Hunderte E-Autofahrer strandeten dort auf der Autobahn, weil sie nicht laden konnten und die Kälte zusätzlich Akku fraß."
Die staatlich forcierte E-Mobilität führe zudem zu zahlreichen neuen Anbietern. "Jede Provinz wetteifert gerade um das Prestige, einen eigenen guten Anbieter zu haben", sagt Schmidt. Außer BYD mache aber noch kein Hersteller Gewinn. "Die Preisschlacht ist immerhin gut für die Kunden, die in Zeiten der Wirtschaftsflaute besonders auf den Geldbeutel achten." Anfang des Jahres habe die Staatsführung die Vergabe von Krediten beim E-Autokauf erleichtert.
Wo die chinesischen Hersteller erstklassig seien: "Sie haben sich teils die kompletten Lieferketten gesichert. Sie sind gut bei Software, autonomen Fahrassistenzsystemen, Infotainment, KI, Sprachsteuerung - und unschlagbar beim Preis."