Deutsche Wirtschaft fordert von Regierung radikalen Wandel

    Spitzengespräch mit Scholz:Deutsche Wirtschaft fordert radikalen Wandel

    ZDF-Reporterin Anna Gürth
    von Anna Gürth
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    Bundeskanzler Olaf Scholz hat die wichtigsten deutschen Wirtschaftsverbände in München getroffen. Wie das Gespräch verlief und was die Verbände fordern.

    Peter Adrian (l-r), Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Rainer Dulger, Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Jörg Dittrich, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH) und Peter Leibinger, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), nehmen am Treffen der Präsidenten der vier Spitzenverbände der Deutschen Wirtschaft teil.
    Das Treffen der Spitzenverbände der Deutschen Wirtschaft mit Bundeskanzler Scholz.
    Quelle: dpa

    Während zahlreiche Besucherinnen und Besucher, Schulklassen und Auszubildende durch den Westeingang der Messe München strömen, kommt ein paar Meter weiter gerade Bundeskanzler Olaf Scholz in der Eingangshalle an.
    Hier trifft der Noch-Kanzler auf die Chefs der vier wichtigsten deutschen Wirtschaftsverbände - traditionell findet das Spitzengespräch der Deutschen Wirtschaft während der Internationalen Handwerksmesse in München statt.
    Habeck am Rederpult bei der Eröffnung der Handwerksmesse.
    Das Handwerk sieht sich mit einer großen Herausforderung konfrontiert: dem Fachkräftemangel. Bei der Handwerksmesse 2025 steht deshalb die Nachwuchssuche im Mittelpunkt.12.03.2025 | 1:25 min

    Friedrich Merz sagt Teilnahme kurzfristig ab

    Ein kurzer Fototermin, dann ziehen sich die Herren zurück. Das Gespräch selbst ist vertraulich und dient dem Austausch über aktuelle Fragen der Wirtschaftspolitik.
    In diesem Jahr hatten die Vertreter aus Handwerk, Industrie und Handel auch den voraussichtlich künftigen Kanzler Friedrich Merz erwartet - der seine Teilnahme dann aber kurzfristig abgesagt hatte.

    Symbolbild: Bei einem Anlagenbauer arbeiten Mitarbeiter an einer Nabe für die Turbine einer Windkraftanlage.
    Quelle: dpa

    ... findet jährlich anlässlich der Internationalen Handwerksmesse in München statt. Vertreter des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) und des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH) treffen sich hier mit dem Bundeskanzler. Das Gespräch ist vertraulich und behandelt aktuelle gesellschaftspolitische und wirtschaftliche Themen.

    Enttäuscht zeigen sich die Wirtschaftsvertreter darüber nicht - schließlich habe Friedrich Merz in Berlin gerade einen wichtigen Job zu erledigen. "Wir erwarten, dass jetzt zügig eine Regierung gebildet wird", sagt Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger. Die Erwartungen an Merz seien hoch. Die Forderung: Ein Neustart. Das Land müsse "dringend reformiert" werden.

    Handwerksverband moniert strukturelle Probleme

    Das geplante Schuldenpaket von Union und SPD - dem nun auch die Grünen zugestimmt haben - kommt bei den Wirtschaftsvertretern in München grundsätzlich gut an. Aber: "Einfach mehr Geld ins System pumpen wird die Wettbewerbsfähigkeit nicht verändern", sagt Jörg Dittrich vom Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH).

    Wir haben strukturelle Probleme. Es wäre schön gewesen, wenn wir erst über die Struktur gesprochen hätten und dann, wie es finanziert wird.

    Jörg Dittrich, Präsident des ZDH

    Statement der Grünen-Fraktion im Bundestag
    Die Grünen stimmen dem Finanzpaket von Union und SPD zu, 100 Milliarden statt 50 Milliarden fließen ins Klima. Das Statement der Grünen-Spitze und die Analyse bei ZDFheute live.14.03.2025 | 38:03 min
    Um wirtschaftlich wieder Fahrt aufzunehmen, brauche es:
    • eine Reform der Sozial- und Steuersysteme
    • weniger Bürokratie
    • Investitionen in die Infrastruktur

    Wirtschaft fordert Wiederaufbau von Vertrauen

    "Deutschland spielt in der Champions League, aber wir spielen nicht mehr um den Sieg", so Dittrich weiter. "Und das ist dieses Land gewöhnt. Wir müssen wieder in die vorderen Plätze hineinkommen."
    IHK-Unternehmensbarometer
    Die Wirtschaft erwartet von der neuen Bundesregierung unter anderem drastische Einschnitte bei der Bürokratie sowie spürbare Entlastungen bei Abgaben und Stromkosten.25.02.2025 | 1:33 min
    Peter Adrian, Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), betont, der Abbau von Bürokratie und effizientere Strukturen seien wichtig, um das Vertrauen in die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu stärken.

    Wir haben in den vergangenen dreieinhalb Jahren so viel Verunsicherung erfahren, dass wir in Deutschland ein ganz schlechtes Investitionsklima haben.

    Peter Adrian, Präsident des DIHK

    Forderungen, die sich nicht mehr an Olaf Scholz richten.
    Plastikflasche mit Deckel
    Die Plastikindustrie gehört zu den wichtigsten deutschen Wirtschaftszweigen. Um sie fit für eine klimaneutrale Zukunft zu machen, braucht es massive Investitionen und Fachkräfte. 05.03.2025 | 1:32 min

    Internationale Entwicklungen - viele offene Fragen

    Dass das Spitzengespräch sich nicht um Innenpolitik drehen würden, stand vor dem Treffen schon fest. "Wir werden dieses Jahr mit dem Bundeskanzler in erster Linie einmal das internationale Weltgeschehen diskutieren wollen", so Arbeitgeberpräsident Dulger.
    "Donald Trump hat uns alle durcheinandergeworfen - auch sein eigenes Land, wie wir jetzt an den Börsen sehen können. Und da gibt es viel Diskussionsbedarf."

    Wie stellt sich Deutschland auf? Wie stellt sich die EU auf? Wie werden wir zukünftig auf unsere langjährigen Partner, die Amerikaner, zugehen und einen vernünftigen Umgang miteinander finden?

    Rainer Dulger, Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA)

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    Trumps Zollpolitik schürt die Konjunkturangst an der Wall Street. Die Sorgen schlugen sich vor allem in einem Ausverkauf der Tech-Aktien nieder. Wie sieht die Lage aktuell aus?11.03.2025 | 1:48 min

    Wohl letztes Spitzengespräch für Scholz

    Es sei ein gutes Gespräch mit Scholz gewesen, heißt es von den Wirtschaftsverbänden im Nachgang. Details bleiben vertraulich.
    Der Besuch endet für den Noch-Kanzler mit einem Rundgang über die Handwerksmesse. Hier trifft er unter anderem auf Dachdecker Tobias Büttgen, der ihm stolz seine Erfindung - eine automatische Bitumenschneidemaschine - erklärt.
    Beim Nationalteam der Stuckateure darf Scholz eine Gipsplatte anschrauben und am Stand von Metallblasinstrumente-Baumeister Max Hertlein ein Instrument ausprobieren. Ein musikalisches Ende für Scholz - bei seinem wohl letzten Spitzengespräch der Deutschen Wirtschaft in München.
    Anna Gürth ist Reporterin im ZDF-Landesstudio Bayern.

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