Designer-Tasche "Made in Italy": Ausbeutung von Dior und Co.
Ausbeutung "Made in Italy":Der wahre Preis edler Designer-Taschen
von Lorraine McIlvenny
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Hohe Preise sind keine Garantie für faire Arbeitsbedingungen. Die Produktion von Luxusdesigner-Taschen kann erschreckend viel mit Billigmode gemein haben.
Designer-Handtaschen sind begehrt und teuer. Doch ist die Herstellung umweltfreundlicher und sozialer als bei billigen Modellen? Und was steckt hinter den Fakes der teuren Taschen?14.07.2024 | 28:42 min
"Made in Italy" steht für Qualität. Doch ausgerechnet in den Lieferketten teurer Luxusmode offenbaren Razzien in den Modehochburgen Italiens, rund um Florenz, Mailand und Neapel, immer wieder menschenunwürdige Arbeitsbedingungen.
Viele Designerlabels lassen ihre Taschen von Drittunternehmen produzieren. So hat eine italienische Tochterfirma der Luxusmarke Dior über Jahre hinweg Aufträge an chinesische Fabriken vergeben, die Arbeiter ausbeuteten, so das Ergebnis der Mailänder Ermittlungsbehörden nach einer Serie von Razzien im Frühjahr.
Luxushandtaschen werden bei der jungen Generation immer beliebter. Geschicktes Online-Marketing und eine kostengünstige Produktion bescheren den Unternehmen Umsatzrekorde.16.07.2024 | 2:20 min
Produktion von Taschen für 50 Euro, Verkauf für Tausende Euro
Die Arbeiter seien gezwungen worden, in den verdreckten Fabriken zu schlafen, um "24 Stunden am Tag Arbeitskräfte zur Verfügung zu haben". Sicherheitsvorrichtungen an den Maschinen wurden entfernt, damit schneller gearbeitet werden konnte, zitiert die Nachrichtenagentur Reuters aus einem 34-seitigen Urteil des Mailänder Gerichts von Anfang Juli. Durch den Einsatz weiterer Unterauftragnehmer sollen die Kosten derart eingedämmt worden sein, dass die Zulieferer Dior pro Tasche nur 53 Euro in Rechnung stellten. Das Modell wird angeblich für 2.600 Euro verkauft.
Nicht nur die Models auf dem Catwalk fesseln mit einzigartigen Roben, auch die geladenen Stars und Sportler überzeugen sowohl bei Vogue World als auch bei Dior Men. 24.06.2024 | 3:59 min
Francesca Ciuffa von der Gewerkschaft Sudd Cobas in Prato beklagt: "Das Produkt in den Schaufenstern wird für 1.000 oder 3.000 Euro verkauft, aber unter Umständen von Menschen hergestellt, die 84 Stunden pro Woche arbeiten, kein Gehalt bekommen, wenn sie krank sind und nie frei haben."
Laut Brancheninsidern verkaufen renommierte Luxusmarken ihre Handtaschen für das 10- bis 15-fache der Herstellungskosten. Wenn letzte durch Ausbeutung weiter gedrückt werden, sind noch höhere Margen möglich.
Damit sich eine Designertasche "Made in Italy" nennen darf, müssen streng genommen nur die letzten beiden Produktionsschritte in Italien stattfinden. Über die vergangenen Jahrzehnte haben einige Luxuskonzerne Teile ihrer Produktion ins Ausland verlagert, etwa nach Osteuropa oder Asien. So lässt LVHM, der Mutterkonzern von Louis Vuitton, Christian Dior und Fendi, Schuhe und Handtaschen-Teile in eigenen Fabriken in Rumänien herstellen. Zur Endfertigung schickt man sie nach Frankreich und Italien. So spart sich das Unternehmen für einen Teil der Produktionskette die höheren italienischen Lohnkosten.
Stundenlohn für Arbeiter von drei Euro
Bereits zu Beginn des Jahres hatten die Mailänder Behörden herausgefunden, dass ein offizieller Zulieferer von Giorgio Armani seine gesamte Produktion an Dumpinglohn-Fabriken ausgelagert hatte. Nur zwei bis drei Euro pro Stunde sollen die Arbeiter dort verdient haben. Sowohl Dior als auch Armani haben laut Mailänder Gericht effektive Kontrollen ihrer Sublieferanten versäumt. Auf Anfrage teilt nur Armani mit, man habe "stets Kontroll- und Präventionsmaßnahmen ergriffen, um das Risiko von Missbräuchen in der Lieferkette zu minimieren".
Ähnliche Fälle wurden 2023 und 2022 in den Lieferketten der Designermarken Alviero Martini und Fendi bekannt. Es sind nur einige Beispiele aus jüngster Vergangenheit, die Dunkelziffer ist vermutlich hoch.
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Modeindustrie arbeitet oft mit Sublieferanten
Sublieferanten kommen in der Modeindustrie häufig zum Einsatz. Und immer wieder kommt es vor, dass die Zulieferer ihre Produktion selbst auslagern - an Billig-Fabriken außerhalb der offiziellen Lieferkette. So können sie Preise senken, knappe Fristen einhalten und größere Aufträge realisieren.
Eigentlich verbieten so gut wie alle Marken dieses Vorgehen. Doch was Verträge vorgeben, ist nicht immer die Realität. Besonders oft sind es Migranten, die darunter leiden. Seitens der Behörden ist immer wieder von Chinesen, Afrikanern, Pakistanern oder Indern die Rede. Viele von ihnen arbeiten schwarz.
Den ersten Teil der Reihe "Luxus, Glamour, schöner Schein" von planet e. können Sie am 14. Juli um 16:30 Uhr im TV sehen oder jederzeit in der ZDF-Mediathek.
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Keine strafrechtlichen Konsequenzen für Luxuslabels
Solange man den Luxusunternehmen nicht nachweisen kann, dass sie von der Ausbeutung wussten, drohen ihnen in der Regel auch keine strafrechtlichen Konsequenzen. Die gibt es meist nur für die Sublieferanten.
Auch die italienischen Ableger von Christian Dior und Giorgio Armani wurden im Sinne einer Präventionsmaßnahme lediglich unter "gerichtliche Zwangsverwaltung" gestellt. Heißt: Die Unternehmen sollen ihren Produktionsprozess innerhalb eines Jahres so anpassen, dass interne Vorgänge besser überwacht werden können. Das Gericht soll über Fortschritte informiert werden.
Gewerkschaften wie Sudd Cobas und CNA Federmoda fordern ebenso wie NGOs von den Luxusunternehmen nicht nur bessere Kontrollen, sondern auch transparente Lieferketten. Und vor allem: eine angemessene Entlohnung der kleinen Zulieferer, die faire Löhne und Investitionskosten durch steigende Sozial- und Umweltauflagen berücksichtigt.
Second-Hand-Mode boomt: Inzwischen verkaufen sogar große Modemarken Kleidung aus zweiter Hand. Kann das die Fashion-Industrie nachhaltiger machen?
von Kristina Schlömer
mit Video
Quelle: ZDF
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