Testzentren und Corona-Hilfen:Corona-Betrug: Über 26.000 Verfahren eingeleitet
von K. Belousova, T. Berninghaus, E. Klotsikas, D.Kollig, S. Stahl
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Der Betrug mit Corona-Hilfen und Testzentren beschäftigt die Justiz bis heute. Es bleiben Schäden von mindestens 600 Millionen Euro. Beraterfirmen profitieren derweil.
Während der Corona-Pandemie entstanden im ganzen Land in Windeseile unzählige Testzentren. Das nutzten auch Kriminelle und ergaunerten durch Abrechnungsbetrug Millionen.11.03.2025 | 23:40 min
Falsche Rechnungen und vorgetäuschte Not - während der Pandemie haben zahlreiche Kriminelle die Corona-Hilfen des Bundes sowie laxe Regeln bei der Abrechnung in Corona-Teststationen ausgenutzt. Laut Recherchen von ZDF frontal wurden seit 2020 über 25.000 Ermittlungsverfahren zu Corona-Subventionsbetrug und über 1.200 zu Testzentren eingeleitet.
Das ergibt eine bundesweite Umfrage bei den 116 deutschen Staatsanwaltschaften und den Justizministerien der Bundesländer. Laut Deutschem Richterbund beanspruchen die Ermittlungen die ohnehin schon überlastete Justiz zusätzlich. Die Aufarbeitung wird sich voraussichtlich noch mehrere Jahre hinziehen.
Mindestens eine halbe Milliarde Euro Schaden
Der entstandene Schaden liegt bis dato bei fast 600 Millionen - mindestens 514 Millionen Euro durch Subventionsbetrug und mindestens 68 Millionen Euro durch Vergehen im Bereich der Corona-Testzentren. ZDF frontal hat dazu alle Landeskriminalämter und Wirtschaftsministerien angefragt, nur aus zehn Bundesländern gab es eine Rückmeldung.
Während der Corona-Pandemie gingen über 70 Milliarden Euro in zahlreichen Hilfsprogrammen an Unternehmen in Not – aber auch an Betrüger, die die schnelle Hilfe eiskalt ausnutzten.11.03.2025 | 15:03 min
Experten gehen allerdings von weitaus größeren Summen aus. Allein durch Betrug bei Teststationen könnte laut Schätzung des Bundes der Steuerzahler ein finanzieller Schaden von zwei Milliarden Euro entstanden sein. Das Bundeswirtschaftsministerium rechnet erst Ende 2026 mit belastbaren Zahlen.
Betrug in Corona-Teststationen
Die Abfrage in allen Bundesländern zeigt, dass sich Verfahren mit Testzentren vor allem auf große Städte konzentrieren. In Berlin waren es rund 300 Fälle mit einem geschätzten Schaden in Höhe von circa 35 Millionen Euro, verursacht durch Abrechnungsbetrug. Manche Betreiber übermittelten der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung eine zu hohe Anzahl durchgeführter Tests - und kassierten so Geld für Leistungen, die es nie gegeben hatte.
Es habe Teststellen gegeben, "wo wir zwar wissen, es wurde nicht richtig getestet, aber wir wissen nicht, wer letztendlich das Geld eingestrichen hat", erzählt der Berliner Kriminalhauptkommissar Jörg Engelhard ZDF frontal.
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Einige Kriminelle hätten versucht, über Firmen das Geld zu waschen, "beziehungsweise über den Erwerb von Bitcoins das Geld erstmal verschwinden lassen", so der Leiter des Kommissariats Abrechnungsbetrug beim LKA Berlin. Das Ergebnis: "Dann haben wir vielleicht einen Beschuldigten, den wir der Staatsanwaltschaft präsentieren können, aber wir haben kein Geld gesichert. Und dann sind wir Zweiter Sieger."
Subventionsbetrüger nutzten Corona-Hilfen aus
In Berlin saßen auch besonders viele Subventionsbetrüger: Dort ermittelte die Staatsanwaltschaft bis Anfang 2025 in über 10.000 Fällen. Laut LKA geht es um einen Schaden von um die 318 Millionen Euro alleine in der Hauptstadt. Die Gründe für die hohen Fallzahlen sind laut Staatsanwaltschaft vielschichtig: In der Millionenstadt seien Fake-Identitäten oder Scheinunternehmen schwerer zu entdecken als in kleinen Gemeinden. Zudem gebe es in Berlin besonders viele Kreative und Selbstständige, eine Gruppe, die stark auf Corona-Hilfen angewiesen war. Auch das hätten sich Betrüger zunutze gemacht.
In der Corona-Krise schossen Teststationen wie Pilze aus dem Boden. Schnelle, kostenlose Tests wurden möglich. Aber auch Betrug. Geschätzter Schaden: bis zu zwei Milliarden Euro.
von Britta Spiekermann
Insgesamt stellten Unternehmer deutschlandweit fünf Millionen Anträge für Corona-Hilfen, die Bundesregierung zahlte über 71 Milliarden Euro aus. Auch von den einzelnen Bundesländern gab es Soforthilfen. Die Länder verteilten die Gelder und sind für die Prüfung der Abschlussrechnungen zuständig - durch die sich die Bundesregierung bis zu 700 Millionen Euro an Rückzahlungen erwartet.
Was die Frontal-Recherche klar zeigt: Die unbürokratischen Hilfen zu Beginn der Pandemie wurden zum Einfallstor für Betrüger. Den Stand der Ermittlungen zu überblicken, bleibt bis heute schwierig - denn die Statistiken zu Ermittlungsverfahren werden nicht systematisch oder gesammelt erhoben. Unklar ist auch, wie viele der eingeleiteten Verfahren zu Verurteilungen geführt haben. Denn nur wenige Staatsanwaltschaften haben hierzu Zahlen bereitgestellt.
In München hat die Staatsanwaltschaft aufgrund der Vielzahl von Ermittlungen einen Schwerpunkt für Corona-Subventionsbetrug geschaffen. Etwa in einem Drittel der Fälle werde Anklage erhoben, sagt Staatsanwalt Maximilian Quadbeck. Die Corona-Ermittlungen seien ein "sehr erheblicher Aufwand". Trotzdem sei die Aufarbeitung wichtig, "weil es um öffentliche Gelder geht" und das Vertrauen in das Vergabewesen geschützt werden müsse.
Am 31. Dezember 2019 informierten chinesische Behörden die WHO über eine "virale Lungenkrankheit unbekannter Ursache". Das ist fünf Jahre her. Was bleibt von der Corona-Pandemie?
FAQ
Vorgehen der Bundesländer nicht einheitlich
Kritiker bemängeln aber auch: Der Betrug von wenigen habe nun für alle negative Konsequenzen. Ein "typisch deutscher Reflex", sei das, sagt Dennis Hillemann, Anwalt für Verwaltungsrecht. Man fange nun an, "bei allen ins Detail zu prüfen". Je nach Bundesland gibt es zudem verschiedene Auslegungen der vom Bund vorgegebenen Richtlinien zu den Corona-Hilfen.
Die Schlussrechnungen werden laut Hillemann beispielsweise in Bayern und Baden-Württemberg strenger ausgelegt als in anderen Bundesländern. Die Unternehmen müssen dort in ihrer Abschlussrechnung darlegen, dass ihr Umsatzeinbruch ausschließlich auf die Corona-Pandemie zurückzuführen sei, ansonsten drohen Rückzahlungen. "Das ist teilweise sehr hart" für die Unternehmen. "Es werden Nachfragen gestellt, mit denen keiner gerechnet hat", sagt Hillemann.
Quelle: ZDF
Mehr zu diesem Thema sehen Sie am Dienstag, 11. März 2025, um 21 Uhr in der ZDF-Sendung frontal - und bereits jetzt in der ZDF-Mediathek.
Beraterfirmen sollen bei Aufarbeitung helfen
Aufgrund fehlender Kapazitäten haben viele Bundesländer externe Dienstleister für die Auszahlung und Schlussabrechnung von Corona-Hilfen beauftragt. Davon profitieren vor allem große Wirtschaftskanzleien. Insgesamt zahlen die Bundesländer mehrere hundert Millionen Euro für die Unterstützung.
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In Baden-Württemberg hat KPMG den Zuschlag bekommen. Insbesondere für die Überprüfung der Abschlussrechnung wurden dort bis zu 220 Millionen Euro veranschlagt. Auf Anfrage schreibt die für die Corona-Hilfe zuständige Staatsbank von Baden-Württemberg, dass dieser Auftrag europaweit ausgeschrieben worden sei und KPMG das beste Angebot abgegeben habe.
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