Brückenbau: Modulbauweise soll Infrastruktur modernisieren
Infrastruktur in Deutschland:Ein Baukasten als Turbo für den Brückenbau
von Sven Rieken
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Eine Autobahnbrücke eingebaut an einem Wochenende, eine Bahnbrücke in zwei Wochen: Wie ein Baukasten helfen kann, die Bauzeit von Brücken in Deutschland deutlich zu verringern.
Eine Autobahnbrücke eingebaut an einem Wochenende: Bau-Ingenieur Theo Reddemann hat Expressbrücken erfunden. Mit seinem Baukastensystem für Brücken wird massiv Zeit gespart.20.01.2025 | 3:01 min
Theo Reddemann setzt den Bauhelm auf und schiebt eine Absperrung zur Seite. Der Diplom-Ingenieur kennt sich aus auf Baustellen. Vor allem auf denen, die schnell abgehakt sind. Am Rande von Münster schaut er auf die Brücke an einem Autobahnkreuz. "Das Bestandsbauwerk abgebrochen, den Neubau hingestellt und unter Verkehr genommen." Das habe sieben Wochen gedauert, fügt Reddemann lächelnd hinzu.
Brücken zu bauen kostet in Deutschland in der Regel Zeit. Der Landesbetrieb Straßenbau in NRW hatte für die Brücke bei Münster anderthalb Jahre als Bauzeit veranschlagt. Doch Reddemann konnte die Straßenbauverwaltung von seiner Expressbrücke überzeugen.
"Außerdem haben wir noch eine weitere Fahrbahn gebaut", sagt Reddemann. Ohne Extrakosten.
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Bausteine hoch wie eine Brücke und mit Stahl gefüllt
Wie kann das sein? Theo Reddemann macht kein Geheimnis aus seinem Bau-Turbo: eine Art Legosteine. In diesem Fall so hoch wie eine Brücke und mit Stahl gefüllt.
Im Grunde hat das Bauunternehmen aus Osnabrück eine Art Baukasten für Brücken entwickelt. Aus Einzelteilen lassen sich alle Straßen-, Bahn- oder Wasserquerungen zusammensetzen. Das Besondere: Die einzelnen Teile der Brücke entstehen in einem wetterfesten Zelt neben einem Betonwerk.
Keine Ausfälle wegen schlechtem Wetter
"Sommer wie Winter - das kann gleichmäßig passieren", erklärt Reddemann. Vier Fertigungsstraßen gibt es in dem großen Zelt. Ausfälle wegen Schlechtwetter hätten sie keine, alles passiere unter guten, also zeitlich planbaren Bedingungen, so Reddemann.
Noch einen großen Unterschied gibt es: Die Brücken-Teile werden liegend geschüttet. Das macht die einzelnen Elemente viel fester und es gibt keine Luft-Einschlüsse und damit keine Korrosion im Inneren.
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Kein Betongießen an der Baustelle vor Ort
Das Betongießen an den Baustellen dauert meist lange und ist aufwändig. Doch mit dem neuen Verfahren gebe es "vor Ort keine Schalarbeiten mehr", fügt Reddemann hinzu. Alleine dadurch spare man schon zwei Drittel der Bauzeit vor Ort.
Die Brückenpfeiler rechts und links errichten Mitarbeiter, während der Verkehr noch läuft oder die Bahn noch fährt.
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Expressbauweise verhindert Staus - und CO2-Ausstoß
Die Expressbauweise erzeuge zudem viel weniger CO2, das ist Reddemann wichtig. Das habe eine unabhängige Studie der Ruhr-Universität Bochum berechnet. Demnach entstünden 83 Prozent des CO2-Abdrucks einer neuen Autobahnbrücke durch Staus während der Bauphase.
Ein gigantisches Einsparpotential angesichts von 8.000 Autobahn-, 3.000 Bundesstraßen- und 1.200 Bahnbrücken, die in den kommenden 20 Jahren erneuert werden müssen. So jedenfalls die Schätzung des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie. Das Kommunalpanel der KfW erwartet zudem, dass 15.000 Bauwerke in den Kommunen erneuert werden müssen. Eine Generationenaufgabe von mehr als 27.000 Brücken.
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Ein mittelständisches Bauunternehmen wie das von Theo Reddemann könnte das allein nicht leisten. Doch Reddemann kann sich vorstellen, Lizenzen für seine Expressbau-Patente zu vergeben.
Bau-Geschwindigkeit bisher kein Kriterium bei Vergabe
Noch sind dem Schnellbau aus Osnabrück ohnehin bürokratische Grenzen gesetzt. Bislang wurde bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen nur auf den Preis geschaut und nicht auf die Punkte Geschwindigkeit oder CO2-Ersparnis. Das ändert sich langsam. Auch weil Reddemanns Baufirma die Expressbrücken einfach gebaut hat und die Mehrkosten selbst getragen hat. Das habe überzeugt.
Ende Dezember 2024 gewann der Ingenieur die erste öffentliche Ausschreibung, bei der der Preis nur zu 50 Prozent gewertet wurde. Die andere Hälfte machte die Geschwindigkeit aus. 50 Prozent teurer seien die Brücken deshalb nicht, ist Reddemann wichtig zu betonen. Wenn die Brücken-Bausteine erstmal in Masse hergestellt würden, werde sein Baukasten sogar günstiger als der heutige Standard.
Sven Rieken ist Korrespondent im ZDF-Studio in Hamburg.
Baugenehmigungen sinken ins Bodenlose, obwohl der Bedarf an Wohnraum wächst. Die Bauwirtschaft diskutiert über Wege aus der Baukrise. Ist Modulbau ein Lichtblick?
von Sylvia Bleßmann
mit Video
Quelle: dpa
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