Kraftwerksstrategie: Biogas als Alternative zum Wasserstoff?
Die vernachlässigte Alternative:Kraftwerke: Kuhmist statt Wasserstoff?
von Hans Koberstein und Jörg Moll
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Die Bundesregierung will neue Backup-Kraftwerke bauen lassen, die zunächst mit Erdgas und dann mit grünem Wasserstoff laufen sollen. Dabei gibt es eine günstigere Alternative.
Für die Energiewende will die Bundesregierung neue Back-up-Kraftwerke bauen lassen, die zunächst mit Erdgas und dann mit grünem Wasserstoff laufen sollen. Das wird teuer. 06.02.2024 | 8:55 min
Schon 2030 soll der Strom in Deutschland zu 80 Prozent erneuerbar und klimafreundlich sein, produziert vor allem mit Sonnen- und Windkraftanlagen. Dieses Ziel kann die Bundesregierung aber nur erreichen, wenn sie heute schon den Bau neuer Kraftwerke organisiert, die als Backup - also als Sicherheit - dienen und nur dann laufen, wenn in Deutschland trübes Wetter herrscht: kein Wind und keine Sonne.
Diese sogenannte "Dunkelflaute" gibt es mehrmals im Jahr. Und sie kann mehrere Tage andauern.
Dunkelflaute - woher kommt dann der Strom?
Die Bundesregierung arbeitete an einer Lösung und hat sich nun nach langem Ringen auf eine Strategie zum Bau wasserstofffähiger Gaskraftwerke in Deutschland geeinigt. In diesem Rahmen will sie neue Backup-Kraftwerke bauen lassen. Die sollen zuerst mit Erdgas laufen, irgendwann später mit grünem Wasserstoff.
... soll laut Bundesregierung den Rahmen schaffen für Investitionen in moderne und klimafreundliche Kraftwerke, die in der Lage sind, zukünftig mit Wasserstoff betrieben zu werden. Kurzfristig sollen neue Kraftwerkskapazitäten im Umfang von bis zu viermal 2,5 Gigawatt wasserstofffähige Gaskraftwerke ausgeschrieben werden. Die Förderungen sollen aus dem Klima- und Transformationsfonds finanziert werden, einem Sondertopf des Bundes. Wie es aus Koalitionskreisen hieß, liegen die Kosten bei ungefähr 16 Milliarden Euro für die nächsten rund 20 Jahre.
Laut Mitteilung von SPD, Grünen und FDP wurde vereinbart, dass Konzepte für einen sogenannten Kapazitätsmechanismus erarbeitet werden sollen. Eine politische Einigung darüber solle innerhalb der Bundesregierung bis spätestens Sommer 2024 erzielt werden. Über einen solchen Mechanismus könnten Betreiber in einigen Jahren dafür honoriert werden, dass sie Kraftwerkskapazitäten vorhalten. Weiter hieß es, die Planungs- und Genehmigungsverfahren für die in der Kraftwerksstrategie enthaltenen Kraftwerke sollten substanziell beschleunigt werden. Quelle: dpa
Das sei eine teure Lösung, sagt Jürgen Karl, Professor an der Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), im Gespräch mit ZDF frontal.
Dagegen wären Backup-Kraftwerke mit Biogas deutlich günstiger, hat Karl berechnet.
Mit der neuen Kraftwerksstrategie sollen vier Gaskraftwerke auf Wasserstoff umgerüstet werden. Aber auch weitere Energiequellen sollen genutzt werden, so Karl Hinterleitner.05.02.2024 | 1:25 min
Kuhmist statt Wasserstoff
Für die Berliner Politiker könnte sich dabei ein Blick in den Schwarzwald lohnen. Dort, bei Bauer Wolfram Wiggert auf dem Haslachhof, steht schon ein Backup-Kraftwerk, das keinen Wasserstoff braucht. Es läuft mit Biogas, erzeugt aus biologisch angebautem Kleegras und Kuhmist.
"Ich kann die Stromproduktion über unseren Gasspeicher steuern", erklärt Wiggert. "Und dann gezielt Strom erzeugen, wenn er gebraucht wird". Also dann, wenn kein Wind weht und die Sonne kaum scheint. Doch Bauer Wiggert bleibt in Deutschland eine Ausnahme.
Quelle: ZDF
Mehr zu dem Thema sehen Sie am Dienstag bei frontal. Am 13. Februar um 21 Uhr im ZDF und in der ZDF-Mediathek.
Falsche Förderung bei Biogasanlagen
Die meisten der rund 10.000 Biogasanlagen laufen das ganze Jahr über durch, kritisiert der Energieökonom Prof. Lion Hirth: "Selbst dann, wenn ganz viel Wind weht, wenn ganz viel Sonne scheint. Und das ist natürlich Unfug".
Das liege an der falschen Förderung, denn die Betreiber von Biogasanlagen bekommen für jede erzeugte Kilowattstunde Strom eine feste Vergütung. Da lohnt es sich für die Landwirte, ihre Anlagen die ganze Zeit laufen zu lassen.
Bundesregierung vs. Biogas
Für Reformen zuständig ist das Bundeswirtschaftsministerium unter Leitung von Robert Habeck (Grüne). Das jedoch erklärt auf Nachfrage lediglich, man prüfe "fortlaufend, ob Anpassungsbedarf an den gesetzlichen Regelungen besteht". Die Ampel-Regierung, so scheint es, sieht für die Tausenden Biogasanlagen im Land keine Zukunft. In diesem Jahr wird die Förderung zum ersten Mal deutlich gekürzt, in den darauffolgenden Jahren noch mehr.
Schlecht für Bio-Bauer Wiggert im Schwarzwald. Denn sein Biogas-Backup-Kraftwerk braucht in drei Jahren eine Anschlussförderung - ohne geht es nicht, der Betrieb wäre unwirtschaftlich. Für die Förderung muss Wiggert an einer der regelmäßigen Ausschreibungen teilnehmen. Dort gingen zuletzt zwei Drittel aller Teilnehmer leer aus.
Große Nachfrage nach Biowärme
"Das wäre eine Katastrophe", sagt Tobias Link (CDU). Er ist Bürgermeister des Städtchens Löffingen, das Wärme von dem Biogas-Backup-Kraftwerk von Bauer Wiggert bezieht. Zwei große Wärmespeicher hat der Landwirt dafür extra auf seinem Hof errichtet. Die speichern die Wärme, wenn das Backup-Kraftwerk nicht läuft, damit in Löffingen keiner frieren muss.
Die Stadt Löffingen hat extra ein Nahwärmenetz errichtet, um die Stadt mit klimafreundlicher Wärme zu versorgen. Andere Kommunen suchen verzweifelt nach einer Alternative zu klimaschädlichem Gas und Öl bei der Wärme. Löffingen hat sie.
Wärmewende steht auf dem Spiel
"Die Nachfrage ist groß", erzählt Bürgermeister Link. 280 Häuser seien schon angeschlossen. Und jedes Jahr würden es mehr.
Was aber, wenn die Bundesregierung weiter macht mit dem Kahlschlag beim Biogas? "Der Wegfall der Biogasanlage würde unser Nahwärmenetz in seiner Existenz gefährden und damit auch die Wärmewende in der Stadt Löffingen", prognostiziert Bürgermeister Link.
Biogasanlagen könnten einen wertvollen Beitrag zur Energiewende leisten. Doch die Bundesregierung, so scheint es, hat das noch nicht erkannt.