Betrugsverdacht bei Biosprit: Klimaschädliches Palmöl im Tank
Falsch deklarierter Biosprit?:Klimaschädliches Palmöl im Tank
von Hans Koberstein
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Palmöl gilt als klimaschädlich, darf in Deutschland deshalb nicht für Biokraftstoff genutzt werden. Genau das aber soll geschehen sein - indem Palmöl gezielt umdeklariert wurde.
Palmöl oder Abfallstoffe im Tank? Eine Tankstelle in Hamburg, die den Alternativ-Diesel HVO100 verkauft. (Symbolbild)
Quelle: dpa
Deutschland importiert große Mengen alternative Kraftstoffe, etwa Biodiesel und HVO. Biodiesel wird dem konventionellen Diesel beigemischt und HVO wird als klimafreundlicher Diesel in Reinform an deutschen Tankstellen verkauft. Beides soll die CO2-Bilanz von Verbrenner-Autos verbessern.
Neue Import-Zahlen legen jetzt den Verdacht nahe, dass dabei große Mengen falsch deklariertes Palmöl verwendet wurden und der angenommene Klimaeffekt darum nicht stattgefunden haben kann. Denn Palmöl ist für Biokraftstoff in Deutschland nicht zulässig, weil der Anbau als klimaschädlich gilt.
Verdacht auf Täuschung
Cian Delaney von der Umweltorganisation Transport & Environment hat den globalen Palmöl-Handel untersucht und sagt ZDF frontal:
Es besteht die Sorge, dass klimaschädliches Palmöl einfach unter einem anderen Namen nach Europa gelangt.
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Cian Delaney, Transport & Environment
Große Mengen Palmöl seien als Palmöl-Abfall ausgegeben worden, so der Vorwurf von Transport & Environment. Im Gegensatz zu klassischem Palmöl sind Palmölreste aus dem Abwasser von Palmölmühlen, sogenanntes POME ("Palmoil Mill Effluent"), in deutschen Biokraftstoffen nämlich erlaubt. Diese Lücke könnte von Marktteilnehmern ausgenutzt werden, indem sie ihr Palmöl gewinnbringend als POME-Abfallstoff ausgeben.
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Handelsdaten nähren Betrugsverdacht
Delaney sieht in den weltweiten Handelsdaten mit Palmöl-Abfallstoffen einen klaren Hinweis auf möglichen Betrug. Denn Europa habe viel mehr POME für Biokraftstoffe importiert als weltweit überhaupt vorhanden sei.
In Europas Biokraftstoffen wurde 2024 mehr als doppelt so viel POME verwendet, als weltweit überhaupt hergestellt werden kann.
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Cian Delaney, Transport & Environment
POME wird wie andere Abfallstoffe von Mineralölkonzernen zu Biodiesel verarbeitet, insbesondere zu HVO, das seit 2024 auch an deutschen Tankstellen verkauft wird. HVO aus Abfallstoffen gilt in Teilen von Politik und Autoindustrie als Kraftstoff der Zukunft - und als Weg, klassische Verbrennermotoren auch zukünftig am Markt lassen zu können.
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Indonesien warnt vor falsch deklariertem Palmöl
Zur Herstellung von Palmöl werden weltweit Wälder abgeholzt und in Anbauflächen verwandelt - mit erheblichem Schaden fürs Klima.
Das wichtigste Herstellerland für Palmöl ist Indonesien. Erst im Januar hatte die indonesische Regierung vor falsch deklariertem Palmöl gewarnt. Handelsminister Budi Santoso erklärte, sein Land habe 2024 auf dem Papier drei Millionen Tonnen POME exportiert, dabei würden im Land aber nur 300.000 Tonnen POME anfallen.
Ermittlungen wegen Betrugsverdacht laufen
Das Bundesumweltministerium räumt auf Nachfrage "möglichen Betrug" ein, mittlerweile ist auch die Europäische Staatsanwaltschaft EPPO aktiv geworden. Auf ZDF-Nachfrage erklärt eine Sprecherin, man ermittle zu einem "kriminellen Netzwerk", auch in Deutschland: "Die EPPO bestätigt mehrere laufende Ermittlungen wegen Betrugs im Zusammenhang mit Biodiesel, wobei mutmaßliche kriminelle Aktivitäten unter anderem in Belgien, den Niederlanden, Deutschland, Italien und Österreich stattfinden."
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An welchem Punkt der Lieferkette getäuscht und Palmöl von Handelsunternehmen umdeklariert wird, ist derzeit nicht klar. Der größte Zertifizierer von Biokraftstoffen aus Deutschland, ISCC, bewertet POME als "high risk", also besonders betrugsanfällig, und hat mittlerweile 156 vormals zugelassene Handelsunternehmen ausgeschlossen.
Nun wird die Anerkennung der ISCC EU- Zertifizierung für abfallbasierte Biokraftstoffe vom zuständigen EU-Ausschuss hinterfragt. Es werde aktuell diskutiert, die Anerkennung der Zertifizierung für zweieinhalb Jahre zu suspendieren, erklärte ISCC auf seiner Webseite. Es heiße, eine solche Maßnahme bedürfe noch der weiteren rechtlichen Prüfung sowie der Zustimmung der Mitgliedstaaten.
ISCC sieht sich selbst als Vorkämpfer für Betrugsprävention, verweist auf seine strengen Standards und sieht keine Alternativen zur ISCC EU-Zertifizierung mit besseren oder gar vergleichbaren Mechanismen zur Verhinderung von Marktbetrug. Für eine Suspendierung besteht aus Sicht des Unternehmens kein rechtlicher Grund.
Branchenverband fordert Stopp von Anrechnung
Die Biokraftstoff-Branche ist alarmiert. "Die Zahlen von Transport & Environment sind erschreckend", erklärt eine Sprecherin der "Initiative Klimabetrug stoppen". Die Initiative wurde eigens von Unternehmen der deutschen Biokraftstoff-Branche gegründet, um zu verhindern, dass sich manche Marktteilnehmer mit unsauberen Praktiken einen Vorteil zum Nachteil von sauberen Unternehmen und Klimaschutz verschaffen.
Die Initiative fordert:
Wir fordern die sofortige Suspendierung der Anrechnung von POME und "Food Waste" für Biokraftstoffe, bis ein lückenloses Kontrollsystem implementiert ist.
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Initiative Klimabetrug stoppen
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Umweltministerium: Ball liegt bei EU-Kommission
Das Bundesumweltministerium sieht Handlungsbedarf bei der EU-Kommission. Deutschland habe schon 2024 "auf das Problem des möglichen Betrugs beim Import von Biokraftstoffen aus Palmöl und Palmölderivaten aufmerksam gemacht." Man werde sich auch weiterhin in Brüssel für eine "Verbesserung der Betrugsprävention auf europäischer Ebene" einsetzen, so ein Sprecher des Ministeriums.
Auch die EU-Kommission sieht ein klares Betrugsrisiko und erklärt auf Nachfrage:
Es besteht das handfeste Risiko von Unregelmäßigkeiten und Betrug, in allen Lieferketten, in denen frische Biomasse mit Abfällen oder Rückständen vermischt wird.
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Sprecher EU-Kommission
Die EU-Kommission will das Problem mit einer eigenen EU-Datenbank lösen, um Lieferketten nachvollziehen zu können. "Der Schwerpunkt unserer Arbeit liegt auf der erfolgreichen Fertigstellung unseres globalen Rückverfolgbarkeits- und Zertifizierungssystems", so ein Kommissionssprecher. Diese zentrale EU-Datenbank befindet sich allerdings erst noch im Aufbau.
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