Großbauprojekte: Haben wir das Bauen verlernt?

    Stuttgart 21, BER und Co.:Haben wir das Bauen verlernt?

    ZDFheute Update - Jan Schneider
    von Jan Schneider
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    Großbauprojekte in öffentlicher Hand werden oft viel teurer als geplant und nicht fristgerecht fertig. Die Gründe sind vielschichtig - und an der Lösung wird schon lange gefeilt.

    Stuttgart 21
    Die Baustelle des milliardenschweren Bahnprojekts Stuttgart 21.
    Quelle: dpa

    Der Aufreger über die weitere Verzögerung beim Mammutprojekt Stuttgart 21 ist schnell wieder verhallt. Der Bahnhof, der ursprünglich mal im Dezember 2019 seinen Betrieb aufnehmen sollte, wird nun noch ein weiteres Jahr später an den Start gehen. Es ist aber nicht das einzige Bauprojekt der öffentlichen Hand, das mehr mit Problemen als Lösungen von sich Reden macht.
    Sei es die Elbphilharmonie in Hamburg oder der Hauptstadtflughafen BER: Was von diesen Bauprojekten in Erinnerung bleibt, ist, dass sie sehr viel teurer waren als ursprünglich geplant. Bei dem Hamburger Konzerthaus war es mehr als 900 Prozent: 866 Millionen Euro statt anfangs veranschlagten 77 Millionen. Beim BER waren es gut 200 Prozent mehr als geplant.
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    Planen und Bauen wird getrennt

    Es gibt mehrere Gründe für dieses bekannte Problem, meint Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie. Ein zentrales Problem sei, dass bei öffentlichen Projekten die Planung vom tatsächlichen Bau getrennt werde. Die verschiedenen Gewerke wie etwa Architekten, Statiker, Fachplaner für Brandschutz oder Bauingenieure arbeiten separat an den Bauplänen und stimmen sich zu wenig ab. Müller spricht dabei von einer "Zerstückelung der Branche":

    Es gibt keine Industrie der Welt, die so arbeitet. Bauen muss als Gemeinschaftsaufgabe begriffen werden. Wir bauen gegeneinander, nicht miteinander.

    Tim-Oliver Müller, Hauptverband der Bauindustrie

    Wenn dann zu einem späteren Zeitpunkt die Pläne der einzelnen Bereiche zusammenkommen und dabei Hindernisse oder Probleme auftauchen, kommt es meist zu Verzögerungen und es muss ein Nachtrag bei den Baukosten gestellt werden. Damit werden die Projekte teurer. Zudem liefen viele Planungsschritte noch nicht digital, was die Abstimmung weiter erschwert.
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    Systematische Probleme bei Vergabeverfahren

    Auch bei der Vergabe der Planungs- und Bauaufträge gibt es systematische Fehler. Bei öffentlichen Projekten soll stets das wirtschaftlichste Angebot den Zuschlag bekommen - was oft als das billigste Angebot interpretiert wird. Es findet bei Ausschreibungen also ein reiner Preiswettbewerb und kein Qualitätswettbewerb statt, meint der Bund der Steuerzahler mit Blick auf Großbauprojekte. Ob ein Konzept nachhaltiger ist oder energetisch besser und damit im späteren Betrieb günstiger, finde keine Beachtung. Es gäbe für die öffentliche Hand zwar die Möglichkeit, qualitative Wertungskriterien bei der Vergabe zu berücksichtigen. Dies werde jedoch häufig nicht gemacht.
    Hinzukommt auch bei der Vergabe eine große Zerstückelung. In öffentlichen Vergabeverfahren werden Bau- und Dienstleistungsaufträge oft in kleinere Auftragseinheiten aufgeteilt, diese werden Lose genannt. Beim Bau einer Schule können so zum Beispiel je nach Größe des Projekts 180 Einzellose an verschiedene Unternehmen vergeben werden.

    Und jedes einzelne Unternehmen schaut in erster Linie auf seinen Bereich, auf die Ausführung seines Einzelloses. Da sitzen nicht morgens alle im Baucontainer und sagen "Hey, wie kriegen wir das heute gemeinsam hin?"

    Tim-Oliver Müller, Hauptverband der Bauindustrie

    Durch die nicht ausreichende Abstimmung kann es dann zu Verzögerungen kommen und damit zu höheren Kosten.

    Gesetzte und Vorschriften können sich ändern

    Gerade bei Projekten, die sehr lange dauern, kann es sein, dass sich während des Baus Vorschriften ändern. Im Fall Stuttgart 21 mussten die Baupläne zum Beispiel geändert werden, weil die Vorschriften für Fluchtwege verschärft wurden oder eine Richtlinie zum Schutz von Flora und Fauna umgesetzt werden musste.
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    Wie kann Bauen besser funktionieren?

    Diese Frage steht schon sehr lange im Raum. Bereits 2015 sollte die "Reformkommission Bau von Großprojekten" konkrete Handlungsempfehlungen entwickeln, wie bei Großprojekte die Effizienz, Kostentransparenz und Termintreue verbessert werden kann. Dabei entstanden Handlungsempfehlungen wie "Kooperatives Planen im Team", "Erst planen, dann bauen", "Vergabe an den Wirtschaftlichsten, nicht den Billigsten" und "Nutzung digitaler Methoden". Knapp zehn Jahre später fordert die Baubranche genau diese Dinge immer noch.
    Im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung steht, man wolle "die öffentlichen Vergabeverfahren vereinfachen, professionalisieren, digitalisieren und beschleunigen." Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will dazu nun das sogenannte Vergabetransformationspaket auf den Weg bringen.
    Aus Branchenkreisen heißt es aber auch, dass sich seit 1995, als die Planung für Stuttgart 21 gestartet ist, einiges getan hat. Viele Beteiligte hätten aus Fehlern gelernt und würden heute anders arbeiten.

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