Commerzbank-Debatte: Deutschlands Großbanken sind zu klein

    Debatte um Commerzbank:Deutschlands Großbanken sind zu klein

    Frank Bethmann live von der Börse in Frankfurt
    von Frank Bethmann
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    Der heimische Bankenmarkt ist umkämpft. Deutsche Geldhäuser sind nicht gut aufgestellt. Berlin hat den richtigen Zeitpunkt verpasst, Einfluss zu nehmen.

    Commerzbank und UniCredit Bank
    Der Druck auf die Commerzbank durch Unicredit steigt (Symbolbild)
    Quelle: picture alliance / ROPI | Salmoirago/Fotogramma

    Warum eigentlich diese Aufregung um die Commerzbank? Was ist schlecht daran, wenn eine italienische Großbank eine deutsche übernimmt? Davon abgesehen, dass das noch längst nicht beschlossene Sache ist, hat es nicht vor Kurzem erst das gleiche gegeben in der Luftfahrtbranche - nur mit umgekehrten Vorzeichen? Damals übernahm die deutsche Lufthansa die italienische ITA Airways, vormals Alitalia.

    Banken von übergeordneter Bedeutung für Volkswirtschaft

    Der Vergleich aber hinkt, sagen Fachleute und verweisen darauf, dass Banken keine gewöhnlichen Firmen seien. Für eine Volkswirtschaft sind sie als Finanzierer von Unternehmen von übergeordneter Bedeutung. Ein robustes Bankensystem ist daher ein wichtiger Standortvorteil. Der nun in Gefahr sei, so die Argumentation.
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    In keinem anderen europäischen Land gibt es so viele Geldhäuser, ist der Wettbewerb so hart. Die Folge: "Den Instituten hierzulande fehlt es an Schlagkraft", moniert Robert Halver. Der Leiter der Kapitalmarktanalyse bei der Baader-Bank weiter:

    Die deutschen Banken haben ein Problem, weil sie zu klein sind.

    Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader-Bank

    Unter den zehn größten europäischen Banken befindet sich inzwischen kein deutsches Institut mehr. Selbst die Deutsche Bank spielt nur noch eine untergeordnete Rolle; in Europa, erst recht aber, wenn man sie vergleicht mit den US-amerikanischen Top-Banken.

    Würde Commerzbank-Verkauf deutsches Bankensystem schwächen?

    Vor diesem Hintergrund stellt sich also die Frage: Würde das deutsche Bankensystem insgesamt geschwächt, wenn die Commerzbank mit ihrem starken Firmenkundengeschäft nach Italien verkauft würde? In normalen Zeiten wohl kaum. Die meisten Mittelständler finanzieren sich mindestens über zwei Kreditinstitute, häufig genug ist eines davon bereits heute ein ausländisches Geldhaus.
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    Die Finanzkrise allerdings hat ein anderes Bild gezeichnet. In schwierigen Phasen, also dann, wenn sich Geschäftsbanken und -partner untereinander nicht mehr vertrauen, konzentrieren sich viele Geldhäuser auf ihren Heimatmarkt. Würde die Unicredit dies nach einem Kauf der Commerzbank auch tun, könnte dies im schlimmsten Fall die Kreditversorgung deutscher Mittelständler beschränken.

    In Frankreich, Spanien und Italien haben sich Großbanken formiert

    "Langfristig muss man sich daher die Frage stellen, ob das gut geht", ist Halver skeptisch. Klaus Nieding, Vizepräsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), teilt die Sorgen nicht. Er ist überzeugt davon, dass eine potenzielle Commerzbank-Übernahme nur der Anfang wäre. In den kommenden Jahren werde es zu einer Konsolidierung der europäischen Bankenlandschaft kommen.
    Begonnen hat sie längst. In Frankreich, Spanien oder Italien haben sich sehr viel größere Finanzhäuser formiert, die der Deutschen Bank und der Commerzbank enteilt sind. "Wir haben es verpasst", spricht Halver über die deutschen Bankenlandschaft, "einen solchen nationalen Champion aufzubauen". Zu groß die Angst, dass zu große Banken ein systemisches Risiko darstellen könnten.
    Im Hintergrund steht ein rotgefärbtes Gebäude an dem die Leuchtschrift "Lehman Brothers" angebracht ist. Davor liegen drei Schwarz-Weiß-Fotos: Die New Yorker Skyline, ein Banker der nach oben schaut und mehrere Personen mit aufgespannten Schirmen bei einer Demonstration mit dem Banner "Rettungs Schirm Lehman-Opfer".
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    Gescheiterte Fusion strategischer Fehler?

    Während andere Länder also geklotzt haben, hat Deutschland gekleckert, was sich nun als Schwächung der deutschen Bankenlandschaft herausstellt. Denn in den vergangenen eineinhalb Jahrzehnten ist Größe wieder zu einem bedeutenden Wettbewerbsfaktor geworden.
    Die Bundesregierung hat es verpasst, insbesondere als Großaktionär bei der Commerzbank, aktiv diese Entwicklung zu gestalten. 2019 hätte sie die Chance gehabt. Damals scheiterten die Übernahmegespräche zwischen der Deutschen Bank und der Commerzbank. Erst dieses Scheitern hat den Weg frei gemacht für die Unicredit.
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    Bei Übernahme: Wettbewerbsfähig - aber Deutschland als Verlierer

    Vermutlich würde die jetzige Debatte noch ganz anders geführt, stünde die Deutsche Bank vor einer Übernahme aus dem Ausland. Wahrscheinlich würde die Bundesregierung einen solchen einen Verkauf ohnehin blockieren. Doch so hypothetisch die Überlegung, so nachvollziehbar sind grenzüberschreitende Zusammenschlüsse innerhalb der EU, darin sind sich Finanzexperten einig.
    Eine Commerzbank-Übernahme durch Unicredit sei "akzeptabel", sagt Clemens Fuest vom Ifo-Institut. "Wir bekommen in Europa eine große Bank, die international mitspielen könnte", ordnet Michael Grote von der Frankfurt School of Finance & Management den möglichen Deal ein. Deutschland jedoch würde sehr klar verlieren, auch weil die Entscheidungen dann nicht mehr am Main sondern in Mailand getroffen würden.

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