Im Un-Ruhestand: Warum Rentner zunehmend berufstätig sind

    Senioren auf dem Arbeitsmarkt:Warum Rentner zunehmend berufstätig sind

    von Bente Wieking
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    Die Generation der Babyboomer geht in Rente. Einige von ihnen werden im Ruhestand weiterarbeiten. Das hat Vorteile für sie und für die Gesellschaft.

    Ein älterer Herr mit grauen Haaren streicht auf der Leipziger Messe eine Wand. Archivbild
    Trotz Rente noch berufstätig (Archivbild)
    Quelle: dpa

    Jutta Koulen ist im Ruhestand. Zumindest an zwei Tagen in der Woche. Die 63-Jährige befindet sich in Altersteilzeit und arbeitet als "Senior Expert" in einer Bank. Dort kümmert sie sich um die Digitalisierung der Abläufe.

    In erster Linie lebe ich das Leben mit meiner Frau so, wie ich es immer wollte. Aber es ist zu viel Freizeit auf einmal.

    Jutta Koulen

    Wenn man von 100 Prozent arbeiten kommt und dann plötzlich 100 Prozent Freizeit hat, ist das ein bisschen viel", erklärt sie ihre Entscheidung für dieses Modell.
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    Mehr Rentner sind noch berufstätig

    Die Beschäftigung unter Ruheständlern nimmt deutschlandweit zu. Und das sei wichtig, sagt Prof. Dr. Enzo Weber, Wirtschaftsexperte am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg. Denn Deutschland verliere in den nächsten anderthalb Jahrzehnten im Zuge des demografischen Wandels sieben Millionen Arbeitskräfte.

    Wenn man sich anguckt, wie stark die Generationen sind, die in Rente gehen und wie stark die Generationen sind, die aus dem Bildungssystem nachkommen, dann sieht man, dass die, die in Rente gehen, deutlich mehr sind.

    Enzo Weber, Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung

    Vom Fachkräftemangel betroffen sind alle Bereiche der Wirtschaft, sagt Weber, besonders aber nicht-akademische Berufe. Dort wird das vorgesehene Renteneintrittsalter oft nicht erreicht.
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    Der Wirtschaftsexperte plädiert deswegen für umfangreiche Weiterbildungsmaßnahmen für die Generation 50+: "Es muss uns gelingen, diese Menschen rechtzeitig so weiterzuentwickeln, dass sie länger erwerbsfähig bleiben können."

    Babyboomer wollen sich auch im Alter nützlich fühlen

    Dazu fordert er eine gesetzliche Überarbeitung, wenn nicht Abschaffung, der konkreten Altersgrenzen für den Renteneintritt.

    Grenzen sind einfach, Grenzen sind plakativ, wenn irgendwo eine Grenze ist, dann nimmt man die. Selbst wenn es ökonomisch gar nicht vernünftig ist.

    Enzo Weber, Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung

    Das Netzwerk Generation Ü mit Sitz in Saarbrücken vermittelt an mehreren Orten in Deutschland Stellen an ältere Personen im Ruhestand, die weiter berufstätig bleiben möchten.
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    Christian Ege hat das Netzwerk 2017 mitbegründet, mit dem Ziel, die Folgen des demografischen Wandels abzufedern. Diese Generation brächte viel Belastbarkeit, Erfahrung und eine besondere Zuverlässigkeit mit. Den meisten seiner Kunden gehe es um das Füllen des "Rentenlochs", sprich zu viel Freizeit und zu wenig Geld, meint Ege.

    Das Hauptmotiv ist: Sie wollen weiter gebraucht werden, wirksam bleiben.

    Christian Ege, Netzwerk Generation Ü

    Das gilt momentan bei der Rente:






    Arbeiten im Ruhestand: Ausweg aus der Altersarmut

    "Sie brauchen einen geregelten Tagesablauf, sie wollen zeigen, was sie draufhaben. Und sie haben Spaß an der Sache und suchen dafür Aufgaben, bei denen sie das erfüllen können", fügt Ege hinzu.
    Auch der finanzielle Aspekt spielt eine wichtige Rolle. Laut Statistischem Bundesamt sind rund 18 Prozent der deutschen Rentner über 65 armutsgefährdet, haben weniger als 1.250 Euro im Monat zur Verfügung.
    eine aeltere Frau geht in Landshut (Bayern) mit einem Rollator auf einem Weg entlang. foto: armin weigel/dpa +++(c) dpa - bildfunk+++
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    20 Prozent der deutschen Rentner arbeiten neben dem Ruhestand. Sie müssen ihre Einkünfte versteuern, aber seit letztem Jahr wird ihre Rente trotz Nebenverdienst nicht mehr gekürzt.

    Was Firmen tun, um Babyboomer zu halten

    Immer mehr Firmen, die händeringend Fachkräfte suchen, machen Senioren spezielle Angebote. Durch flexible Arbeitszeiten wird beispielsweise versucht, die Mitarbeitenden zumindest in Teilzeit zu halten.
    Auch Positionen wie "Senior Expert" werden ihnen angeboten. So sollen sie ihre Erfahrung und ihr Wissen an die jüngere Generation weitergeben.
    Auch Jutta Koulen wünscht sich, noch eine Weile berufstätig zu sein. Sie bildet sich in ihrer Freizeit weiter, um ihren Kollegen mit aktuellem Wissen unter die Arme zu greifen.

    Da sind sowohl die Führungskräfte als auch die Mitarbeiter extrem froh darüber, dass jemand die Kenntnisse mitbringt und Dinge erledigt und auf den Weg bringt, die sonst unerledigt bleiben.

    Jutta Koulen

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