Arbeitsmarkt: Wie geht es am Standort Deutschland weiter?

    Entwicklung am Arbeitsmarkt:Standort Deutschland: Wie geht es weiter?

    Frank Bethmann live von der Börse in Frankfurt
    von Frank Bethmann
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    Bereits zwei Drittel arbeiten hierzulande in Dienstleistungsberufen, während in der Industrie Jobs abgebaut werden - auch KI verändert die Arbeit. Was heißt das für die Wirtschaft?

    Eine Auszubildende wird zur Industriemechanikerin ausgebildet
    Während in der deutschen Industrie Jobs vor allem wegfallen, wird im öffentlichen Dienst vermehrt eingestellt. (Symbolbild)
    Quelle: dpa

    Das Tempo der Deindustrialisierung nimmt zu. Die Liste der Unternehmen, die Stellen streichen wollen, wird von Monat zu Monat länger: VW, Audi, Ford, Thyssenkrupp, die Autozulieferer ZF, Bosch und Schäffler oder Siemens, sie alle kündigten zuletzt an, sich von Mitarbeitern zu trennen. Die Krise des verarbeitenden Gewerbes ist offensichtlich, meint Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB):

    Allein in der Industrie gehen derzeit monatlich 10.000 Arbeitsplätze verloren.

    Enzo Weber, Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung

    Eine beängstigende Entwicklung auch für den Bundeswirtschaftsminister: "Der Standort Deutschland und vor allem der industrielle Kern Deutschlands steht unter Druck, unter dem Druck des Wandels", so Robert Habeck (Grüne) kürzlich bei der Industriekonferenz seines Ministeriums. Gleichzeitig, und das ist besonders prekär, ist die Zahl der Neugründungen in der Industrie so niedrig wie noch nie.
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    Öffentlicher Dienst ist inzwischen Jobmotor

    Während also in der privatwirtschaftlich organisierten Industrie Jobs abgebaut werden, stellt der öffentliche Dienst aktuell verstärkt ein. Laut einer aktuellen Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) ist die Zahl der öffentlich Beschäftigten von 2012 bis 2022 um 14 Prozent gestiegen: Rund 584.000 Menschen, vor allem bei der Polizei, an Hochschulen oder in Kindertagesstätten, sind demnach dazugekommen.
    So viel verdient man im öffentlichen Dienst

    ZDFheute Infografik

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    Eingestellt wurde darüber hinaus aber auch in der Finanz- und Versicherungsbranche sowie im Bereich Gesundheit und Pflege.

    Geschwindigkeit der Veränderung macht Sorge

    Die Arbeitswelt hat sich daher längst zu einer Dienstleistungsgesellschaft gewandelt. Die heimische Industrie ist noch von Bedeutung, doch ihr Gewicht schwindet. Zwei Drittel aller Jobs sind inzwischen dienstleistungsnah. "Ein Prozess, mit dem letztendlich alle entwickelten Volkswirtschaften konfrontiert sind", sagt der ehemalige Wirtschaftsweise Bert Rürup.
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    Dem Wirtschaftswissenschaftler bereitet eher die Geschwindigkeit Sorge, mit dem die Entwicklung voranschreite. Fahrzeugbau, Chemieindustrie und Maschinenbau: Sie alle befänden sich in einer wachstumsschwachen Phase, erklärt Rürup.
    Die Sorge ist groß, dass durch den Wandel mehr vernichtet als perspektivisch entstehen könnte. "Transformation müsste neben Druck auch Dynamik entfalten", findet Weber, "aber die ist im Moment nicht zu sehen, weil wir die Erneuerung nicht richtig hinkriegen."

    Kostet der Wandel in der Wirtschaft Wohlstand?

    Und so steht eine Frage besonders im Raum: Kostet der Wandel hin zu einer Dienstleistungsgesellschaft Deutschland am Ende Wohlstand? Denn in der Industrie gehen gerade tendenziell eher gut bezahlte Jobs verloren, die im Öffentlichen Dienst nicht zwingend wieder aufgebaut werden.
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    Leistungsfähige Verwaltung, Polizei, modernes Bildungswesen, das alles sei wichtig, lässt Rürup keinen Zweifel, doch eine Gesellschaft müsse auch in der Lage sein, die Kosten dieser öffentlichen Dienstleistungen nachhaltig zu erwirtschaften. Er gibt zu bedenken:

    In der vergangenen Dekade wurden Angebote zu beachtlichen Teilen von der florierenden exportstarken Industrie und ihren oft gut bezahlten Beschäftigten finanziert.

    Bert Rürup, ehemaliger Wirtschaftsweiser

    Was aber kann helfen?

    KI wird Arbeitswelt weiter verändern

    Im Mittelpunkt des Umbaus der Arbeitsgesellschaft steht die Künstliche Intelligenz (KI). Der Staat und die Unternehmen müssen sich Gedanken machen, wie sie künftig Angestellte befähigen, mithilfe von KI ihre Potenziale besser nutzen zu können. Wichtig wird sein, zu differenzieren.
    Je standardisierter die Prozesse und vernetzter die Systeme, desto eher übernimmt der Computer den Job; den einfachen Blechschaden bei der Kfz-Versicherung oder die weniger komplizierten Steuerfälle in der Finanzverwaltung beispielsweise. Heißt im Umkehrschluss: Dort, wo es komplizierter wird, braucht es den realen Menschen.
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    US-Top-Ökonom optimistisch bei Deutschlands Entwicklung

    Und so ist US-Top-Ökonom Mohamed El-Erian auch zuversichtlicher als so manch heimischer Fachmann. Deutschland werde das schaffen. Das Land müsse aber weg von der Schwerindustrie, hin zu neuen Technologien, so El-Erian.
    In einem Zeitungsinterview erinnerte er sich an einen geflügelten Fußballspruch aus seiner Kindheit: "Man schaut 89 Minuten lang ein Spiel und am Ende gewinnt immer Deutschland." Und so, erklärt El-Erian mit Blick auf den Wandel und die Veränderungen weiter, werde es dieses Mal auch sein.
    Frank Bethmann ist Redakteur im ZDF-Team Wirtschaft und Finanzen.

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