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Fehlende Perspektiven:Warum es zum Apothekensterben kommt
von Steffi Moritz-Möller
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Sinkende Gewinne, steigende Kosten - in Sachsen gibt es immer weniger Apotheken. Schon jetzt ist jede dritte in wirtschaftlicher Schieflage.
Die Zahl der Apotheken in Deutschland sinkt weiter. In Sachsen soll eine Postkarten-Aktion auf das Problem aufmerksam machen.23.01.2025 | 1:42 min
Susanne Donner und Thomas Dittrich vom Sächsischen Apothekerverband haben schwer zu schleppen: Kartons voller Postkarten. Über 20.000 sind bei einer Aktion zusammen gekommen, bei der Patienten aufgerufen worden sind, gegen das Apothekensterben eine Karte abzuschicken. Diese werden an Politiker übergeben, denn nur ein staatliches Soforthilfeprogramm könne das Apothekensterben aufhalten.
Wege zur Apotheke werden weit
"Acht bis zehn Prozent der Apotheken in Sachsen arbeiten schon defizitär, 24 Prozent sind an der wirtschaftlichen Grenze. Wenn die alle auch noch wegfallen, dann haben wir wirklich ein Versorgungsproblem", so Thomas Dittrich, Präsident des Sächsischen Apothekerverbandes. Er betreibt selbst eine Apotheke in einem kleinen Ort und spürt täglich die Probleme.
Der Apotheker sei einmal erster Anlaufpunkt bei gesundheitlichen Problemen gewesen oder zum "mal schnell Blutdruck messen", berichtet er. Eine Stamm-Apotheke haben aber nur noch wenige Leute. Die Wege gerade auf dem Land werden weit - vor allem für alte Menschen. Und das bei immer weniger Apothekern. Dazu greifen immer mehr auf Online-Angebote zurück.
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Steigende Kosten für Apotheker und boomende Online-Geschäfte
"Auch die Online-Apotheken machen uns das Leben schwer", sagt Susanne Donner. "Sie können mit Rabatten arbeiten, die uns so nicht möglich sind. Es ist eine unfaire Konkurrenz, denn wir unterliegen einer ständigen Kontrolle, zum Beispiel wie wir die Kühlkette bei Medikamenten einhalten. Das braucht eine Online-Apotheke nicht."
Auch Wochenend- und Notdienste müssen die Apotheken vor Ort leisten. "Ich möchte meine Mitarbeiter endlich wieder adäquat bezahlen", sagt Donner, "aber seit 2013 gab es keine Honorarerhöhung." Dafür seien Inflation und Personalkosten um etwa 30 Prozent gestiegen. Hinzu kämen eine überbordende Bürokratie und immer mehr Lieferschwierigkeiten von Medikamenten. "Ich bin oft bis spätabends damit beschäftigt und habe keine Zeit mehr für die Patienten."
Selbständigkeit als Apotheker unattraktiv
150.000 Euro musste sie jetzt für einen Kommissions-Computer ausgeben. Dafür musste sie einen Kredit aufnehmen. Deshalb ist an ein Aufgeben gar nicht zu denken - denn der muss abbezahlt werden. Und wie viele weitere Kollegen beschäftigt sie auch die Frage: Was kommt danach? "Wir brauchen Planungssicherheit, denn wer geht sonst in die Selbständigkeit bei so hohen Krediten? Ich liebe meine Arbeit, aber es ist auch ein Rund-um-die-Uhr-Job, und wer tut sich das heute noch an?"
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Thomas Dittrich fordert von der Politik doppelt so viele Studienplätze für Pharmazie in Sachsen: "60 Absolventen pro Jahr reichen nicht aus, da zu viele nicht nur in andere Bundesländer abwandern - sondern vor allem in die Industrie und Kliniken, dort sind Bezahlung und Arbeitszeiten besser. Und derzeit planen viele Apotheker in den Ruhestand zu gehen."
Immer mehr Apotheken schließen
Erstmals hat es letztes Jahr keine einzige Neueröffnung gegeben, dafür 27 Schließungen. Die Dichte im Freistaat liegt schon heute mit 20 Apotheken pro 100.000 Einwohner deutlich unter dem europäischen Durchschnitt von 32. Mit etwa 890 Apotheken gibt es derzeit in Sachsen so wenig Apotheken wie seit 30 Jahren nicht mehr. Dabei ist das kein sächsisches Problem. Bundesweit haben in den letzten Jahren 15 Prozent aller Apotheken endgültig geschlossen.
Die Zeiten, als Apotheker zu den Besserverdienern gehörten, sind vorbei, denn der Handel mit Medikamenten und frei verkäuflichen Medikamenten ist immer weniger lukrativ geworden. Am Ende würden vom gesamten Umsatz noch ein Prozent Gewinn bleiben, beklagen die Apotheker. Dafür gehe niemand mehr in die Selbständigkeit.
Quelle: dpa
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