Europäische Aktienmärkte boomen - der neue Zukunftsmarkt?

    Geldanlage an der Börse:Europas Aktienmärkte - der neue Zukunftsmarkt?

    von Karen Grass
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    Trumps Zollpolitik lässt die Aktienmärkte schwanken - auch hierzulande. Doch insgesamt haben europäische Indizes zuletzt überraschend gut performt. Der Beginn eines neuen Booms?

    Archiv: Handelssaal der Börse Frankfurt, am 22.06.2023
    Handelssaal der Frankfurter Börse: Eine Stabilisierung der Börsen in den USA und Asien hat auch an den europäischen Handelsplätzen für leichten Aufschwung gesorgt.
    Quelle: dpa

    Donald Trump schickt gerade die Börsen weltweit auf Talfahrt und viele Anleger*innen suchen ihr Heil in vermeintlich sicheren Häfen wie Gold. Doch so einige Branchenfachleute beobachten im Hintergrund noch einen weiteren, vielleicht grundsätzlicheren Shift: Weg vom US-Aktienmarkt hin nach Europa.
    Über Wochen performten Aktienindizes wie der Stoxx Europe 600 oder der Deutsche Aktienindex Dax zuletzt besser als ihre US-(lastigen) Pendants wie S&P 500 oder MSCI World. Trotz des jüngsten Dämpfers durch die neuen Zolldrohungen schlossen sie das erste Quartal deutlich besser ab. Könnte davon auch dauerhaft etwas übrig bleiben? 

    Gründe für den europäischen Aufschwung

    Zunächst einmal erscheint die Kapitalverlagerung logisch. "Wenn sich durch sprunghafte wirtschaftspolitische Entscheidungen einer Regierung die Unsicherheit an den Finanzmärkten verstärkt, dann kann das durchaus bewirken, dass Anlegerinnen und Anleger ihr Geld in andere Regionen lenken", sagt Professor Christine Laudenbach vom Leibniz-Institut für Finanzmarktforschung SAFE.
    Laura von Daniels, US- und Finanzmarkt-Expertin der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) ergänzt:

    In den USA gibt es durch Donald Trumps Politik auch real ein erhöhtes Inflationsrisiko, was Renditen schmälern könnte - aber am schlimmsten wirkt sich tatsächlich die Unsicherheit aus.

    Laura von Daniels, Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP)

    Da könne eine Orientierung etwa nach Europa durchaus Teil einer "De-Risking-Strategie" sein.

    • Bewegungen bei Exchange Traded Funds (ETF), also Fonds, die Aktienindizes wie den Dax nachbilden, deuteten im Februar und März tatsächlich auf eine Verlagerung von Kapital hin.
    • Laut der deutschen Börse waren Deutschland-ETFs Anfang März so beliebt wie seit 2015 nicht mehr und übertrafen in den Mittelzuflüssen den Gesamtmarkt.
    • Analysten des Finanzinformationsdienstes Morningstar haben von Mitte Februar bis Mitte März beobachtet, dass europäische Anleger 2,85 Milliarden Euro aus US-Aktien-ETFs abgezogen und 14,6 Milliarden Euro in europäische Aktien-ETFs umgeschichtet haben.
    • Neben wirtschaftspolitischen Maßnahmen auf beiden Kontinenten dürfte auch die Geldpolitik der Zentralbanken dabei eine Rolle gespielt haben: Während die US-amerikanische Federal Reserve (Fed) wegen gestiegener Inflationsrisiken Zinssenkungen zuletzt aussetzte, ging die Europäische Zentralbank (EZB) im März den nächsten kleinen Zinsschritt nach unten.

    Dämpfer auf US-Markt - Investitionspläne in Europa

    Ein weiterer Punkt: Die US-Aktienmärkte waren, auch aufgrund des KI- und Tech-Booms der vergangenen Jahre, zuletzt sehr hoch bewertet. Manche würden sagen: überbewertet. "In Europa war es dagegen so, dass die Aktienmärkte tendenziell eher niedrig bewertet und nicht im Fokus der Investorinnen und Investoren waren", sagt Christine Laudenbach.
    In dieser Ausgangssituation versetzte nun also die Wirtschaftspolitik der neuen US-Regierung den Erwartungen in den US-Markt einen Dämpfer. In Europa dagegen wurden neue Investitionspläne geschmiedet.
    Die New Yorker Börse an der Wall Street in New York City
    Trumps Zollpolitik hat offenbar die Anleger in den USA aufgeschreckt: Die Angst vor einem wirtschaftlichen Abschwung führte zu einem Ausverkauf an der US-Börse.11.03.2025 | 2:30 min

    Deutsches Sondervermögen weckt Erwartungen

    "Die Aktienmärkte dürften stark durch das deutsche Sondervermögen für Infrastruktur und die Lockerung der Schuldenbremse für Verteidigung getrieben worden sein", sagt Emanuel Mönch von der Frankfurt School of Finance and Management. Heißt: Im besten Fall könnten die Maßnahmen also nicht nur Brücken, Schulen und Bundeswehr nach vorne bringen, sondern auch zusätzliches privates Kapital nach Europa locken?
    Valerie Haller von der Frankfurter Börse
    "Hoffnung auf Schub durch Sondervermögen": ZDF-Börsenexpertin Valerie Haller berichtet über aktuelle Zahlen und die erhoffte Trendwende.25.03.2025 | 1:02 min
    "Da kann durchaus ein Pull-Effekt entstehen, wenn für die Zukunft erwartet wird, dass die Renditen europäischer Rüstungs- und Infrastrukturfirmen durch die Programme steigen", so SWP-Expertin Laura von Daniels. Das folge einem ähnlichen Mechanismus wie beim "Inflation Reduction Act" der US-Regierung unter Joe Biden, der in den vergangenen Jahren viel Geld nach Übersee gelockt habe.
    Zum deutschen Paket kommen Pläne auf EU-Ebene hinzu, für die Verteidigungsfähigkeit 800 Milliarden Euro zu mobilisieren.

    • Unter dem Titel "Bereitschaft 2030" soll den EU-Mitgliedstaaten unter anderem erlaubt werden, für Ausgaben im Bereich Sicherheit und Verteidigung zusätzliche Schulden zu machen, die sonst von den EU-Stabilitätsvorgaben begrenzt würden.
    • Hinzu kommen soll ein neuer Finanzierungsmechanismus "SAFE". Mit diesem will die EU-Kommission Kredite in Höhe von 150 Milliarden für gemeinsame Rüstungsbeschaffungsprojekte absichern - und zwar über das Gemeinschaftsbudget.
    • Gekauft werden sollen vornehmlich Rüstungs- und Verteidigungsgüter, die in der EU, dem Europäischen Wirtschaftsraum oder innerhalb der Europäischen Freihandelsassoziation produziert werden.

    Die Nachhaltigkeit - eine Frage der Umsetzung

    Experte Emanuel Mönch hofft, dass die EU hier nun koordiniert vorgeht und sich damit auf ihre Kernwerte als Gemeinschaft besinnt:

    Wenn wir es schaffen, ein neues Wachstumsmoment in Europa zu erzielen, uns auf unsere Stärken zu besinnen, dann ist es durchaus möglich, dem US-Markt etwas entgegenzusetzen.

    Emanuel Mönch, Frankfurt School of Finance and Management

    Allerdings: An der Frage der Finanzierung entzündet sich bereits wieder Streit unter den Mitgliedstaaten - nämlich dazu, ob gemeinsame europäische Schulden gemacht werden sollten.
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    Europäische Bürokratie, verlorenes Vertrauen und nun auch noch hohe Zölle in den USA. Die Lage für Stahlproduzenten wie die Firma Vetter im Siegerland ist nicht einfach. 21.02.2025 | 1:48 min
    Und auch das deutsche Milliardenpaket ist kein Selbstläufer: "Man muss hoffen, dass parallel Bürokratie abgebaut wird, Genehmigungen vereinfacht und Strukturreformen angegangen werden, damit das Geld auch effizient in Verteidigung und neue Infrastruktur fließt", so Mönch.
    Festgefahren in politischen Streitigkeiten oder im Bürokratiedschungel entfachen die Investitionsgelder wohl eher keinen Boost von Dauer.

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