Russischer Oligarch: Steuertricks mit Luxusyachten?
Exklusiv
Oligarch Roman Abramowitsch:Steuertricks mit Luxusyachten?
von Sophia Baumann und Bastian Obermayer
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Wollte der russische Oligarch Abramowitsch in Deutschland Steuern vermeiden, womöglich gar hinterziehen? Es geht auch um seine Privatyacht Eclipse. Abramowitsch lässt dementieren.
Steuerschlupfloch Superyacht? Wurde bei Roman Abramowitschs "Eclipse" mit Tricks gearbeitet, um Steuern zu sparen? (Archivbild)
Quelle: Imago
Mitte der 2000er-Jahre baute die Hamburger Werft Blohm+Voss eine spektakuläre Privatyacht: die "Eclipse", ein 162,5 Meter langes Schiff, mit eigenem Kino, einer Disco, vier Motorbooten und gleich zwei Hubschrauberlandeplätzen. Auftraggeber war der russische Oligarch Roman Abramowitsch, damals vor allem ein schillernder Superreicher, heute aufgrund seiner Verbindungen zum russischen Präsidenten Wladimir Putin sanktioniert.
Yacht sollte als Unternehmen genutzt werden
Recherchen von ZDF frontal, "Spiegel", "Guardian", der britischen BBC, "The Bureau of Investigative Journalism" und weiteren Medien zeigen nun: Während die Hamburger Schiffsbauer das Schiff konstruierten, entwarfen Manager, Finanzberater und Anwälte im Hintergrund ein kaum weniger kompliziertes Firmenkonstrukt.
Interne Dokumente mehrerer zyprischer Finanzdienstleister legen offen, wie sanktionierte russische Oligarchen Zypern als eine Art Hintertür zur Europäischen Union genutzt haben.14.11.2023 | 40:51 min
Das augenscheinliche Ziel: Abramowitsch sollte möglichst wenig Steuern auf seine Yachten-Flotte zahlen müssen. Sie entwarfen ein Firmengeflecht, das offenbar eine unternehmerische Nutzung der Schiffe vortäuschen sollte, um dadurch Steuervorteile zu bekommen. Die "Eclipse" war wohl mindestens bis 2012 ein Teil dieses Konstrukts.
Steuervorteile durch vorgetäuschte Nutzung?
Die bis heute im Raum stehende Frage: Könnte Abramowitsch so in der EU Millionen an Steuern hinterzogen haben? Die vorliegenden Dokumente legen jedenfalls einen ausgeklügelten Plan nahe. Abramowitsch selbst taucht in der Kommunikation nicht auf, seine Berater dürften sich der Dimension aber bewusst gewesen sein. So gab ein Manager in einem geleakten Memo zu bedenken: Ein "entschlossener Ermittler" könnte ihre Struktur durchschauen - mit sämtlichen "möglichen Konsequenzen".
Gemeint sind wohl Steuernachzahlungen. Doch auch die Vorzüge sind den Beteiligten offenbar bewusst. In einem Papier von 2005 heißt es:
Experten sehen beim reinen Kauf der Eclipse allerdings keine Hinterziehung. Der Grund: Abramowitsch nutzte in Hamburg den damaligen Freihafen, der steuerlich nicht als deutsches Inland gilt - weswegen dort auch bis auf wenige Ausnahmen keine Mehrwertsteuern anfallen.
Quelle: ICIJ / Ben King
Die Berichterstattung zur "Eclipse" ist Teil des weltweiten Rechercheprojekts "Cyprus Confidential". Angestoßen wurde es vom ZDF und dem "International Consortium of Investigative Journalists" (ICIJ). Fokus sind fragwürdige Geschäfte, die über und durch das EU-Mitgliedsland Zypern laufen. Die internen Dokumente mehrerer zyprischer Finanzdienstleister legen offen, wie sanktionierte russische Oligarchen Zypern als eine Art Hintertür zur Europäischen Union und dem Schengen-Raum genutzt haben. Weitere bereits veröffentlichte Berichte aus der Recherchekooperation finden Sie hier.
Welche Rolle spielte das Konstrukt bei der "Eclipse"?
Dennoch könnte Abramowitschs Yacht-Konstrukt deutsche Steuerfahnder interessieren. Und zwar, wenn es um die einzelnen Lieferungen für die "Ausrüstung und Versorgung" der Yacht geht, während sie gebaut wurde. Da sind die Regeln nämlich strenger. Tatsächlich warnt einer der Hamburger Steuerberater, der Abramowitschs Helfer berät: Er brauche Nachweise für die gewerbliche Nutzung der "Eclipse".
Werde das Schiff nicht gewerblich genutzt, unterlägen die Güter für die Yacht der deutschen Mehrwertsteuer. "Die Sache wird jetzt dringend", es stünden bald Lieferungen im Wert von mehreren Dutzend Millionen Euro an. Richtig ist: Nur bei ausländischen Abnehmern, die das Schiff zusätzlich für Zwecke ihres Unternehmens nutzen, werden keine Steuern erhoben.
Betriebliche Nutzung der "Eclipse", um in Deutschland Steuern zu sparen? Bei Abramowitsch-Beratern war das Thema.
Quelle: ZDF frontal
Prominente Namen auf Gästelisten der Yacht
Ob tatsächlich keine Steuern auf die Güter für die "Eclipse" bezahlt wurden, bleibt unklar. Die Werft Blohm + Voss wollte zu entsprechenden Fragen keine Auskunft geben, ebenso die deutschen Steuerberater des russischen Oligarchen. Auch das Hamburger Finanzamt teilte mit, man könne zu Einzelfällen keine Angaben machen. Grundsätzlich gelte aber: Ließe sich nachweisen, dass ein Steuerpflichtiger die unternehmerische Nutzung einer Yacht vorsätzlich fingiere, wäre das eine Steuerhinterziehung.
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Wie Abramowitsch seine Yachten tatsächlich nutzte, war jedenfalls oft genug in Zeitungen nachzulesen. Zum Jahreswechsel 2012 etwa gab der russische Oligarch vor der Karibikinsel St. Barts eine Silvesterparty, für die er sogar die Band "Red Hot Chili Peppers" einfliegen ließ. Die Yacht diente dabei offenbar einigen Gästen als luxuriöse Unterkunft. Auf geleakten Listen von Nutzern, denen Abramowitsch offenbar seine Yachten überließ, finden sich auch so prominente Namen wie "Mourinho", also womöglich der damalige Trainer des FC Chelsea, oder "Yeltsin", vermutlich der inzwischen verstorbene russische Präsident Boris Jelzin. José Mourinho ließ eine Anfrage dazu unbeantwortet.
Die Dokumente zeigen außerdem: Auch beim Betanken von Abramowitschs Yachten könnte getrickst worden sein: Gewerblich genutzte Yachten können in der EU nämlich von Steuern für Kraftstoffe befreit werden. Auch hier stellt sich die Frage, ob die Helfer des Oligarchen mit der Steuer tricksten.
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Abramowitsch dementiert Vorwürfe
Abramowitsch selbst ließ über seine Anwälte ausrichten: Von einer angeblichen Täuschung von Behörden habe er nichts gewusst - und auch nichts wissen können. Er habe stets auf professionelle Rechts- und Steuerberater vertraut, und sei auch nicht persönlich verantwortlich zu machen. Der Manager, der 2005 vor einem "entschlossenen Ermittler" warnte, gab an, er könne sich nicht erinnern.
Inzwischen dürfte sich Abramowitsch aus der EU zurückgezogen haben. Wohl um vor Sanktionen sicher zu sein, ankert die "Eclipse" nun vor der türkischen Küste, geschützt vor dem Zugriff europäischer Beamter. Ob deutsche Finanzämter den mutmaßlichen Steuertricks noch einmal nachgehen, ist offen. Üblicherweise liegt die Verjährungsfrist in Deutschland nur bei fünf Jahren, in besonders schweren Fällen jedoch bei 15 Jahren.
Geheime Unterlagen zeigen, welche Kunstwerke der russische Oligarch Abramowitsch erworben hat. Finanzdienstleister auf Zypern halfen offenbar, die Geschäfte zu verschleiern.
von R. Davies, F. Obermaier, M. Orosz, R. Schaar, T. Schober und A.Trenkler
von Sophia Baumann, Maria Christoph, Felix Klauser, Hans Koberstein, Hannes Munzinger, Bastian Obermayer, Frederik Obermaier, Marta Orosz, Timo Schober und Sophia Stahl