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Sicherheitspaket der Koalition:Bald mehr Überwachung mit Schwarz-Rot?
von Jan Henrich und Svenja Kantelhardt
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Ein "Höchstmaß an Sicherheit" verspricht der Koalitionsvertrag. Der Weg dorthin führt über neue Ermittlungsbefugnisse bis zur umstrittenen Vorratsdatenspeicherung.
Prominent an erster Stelle im Abschnitt "Innen" des Koalitionsvertrags von Union und SPD prangt die Ankündigung für den erneuten Anlauf einer Vorratsdatenspeicherung. Dort heißt es: "Wir führen eine verhältnismäßige und europa- und verfassungsrechtskonforme dreimonatige Speicherpflicht für IP-Adressen und Portnummern ein."
Ziel: Unabhängiger von US-Geheimdiensten werden
Polizei und Verfassungsschutz fordern schon seit Längerem mehr Ermittlungsbefugnisse im digitalen Raum. Doch aktuell wird diese Forderung von dem Wunsch nach Unabhängigkeit von ausländischen Sicherheitsbehörden befeuert. Innerhalb der deutschen Nachrichtendienste bestehe die Sorge, Informationsflüsse von US-Behörden könnten eingeschränkt werden, so Professor Markus Ogorek von der Universität Köln.
Das Verhalten der US-Administration war zuletzt oft unvorhersehbar und hat mit etablierten Grundsätzen gebrochen - vieles, was früher undenkbar war, ist plötzlich Realität geworden.
Markus Ogorek, Universität Köln
Dabei seien gerade diese Informationsflüsse enorm wichtig bei der Spionageabwehr und der Abwehr von islamistischem Terrorismus, erklärt sein Kollege Luca Manns gegenüber ZDFheute. Etwa die Hälfte aller in Deutschland geplanten Anschläge würde durch Hinweise aus dem Ausland - insbesondere von US-Diensten - verhindert.
Vorratsdatenspeicherung: Ein Dauerthema bei Gerichten
Die Vorratsdatenspeicherung soll nun eine der Maßnahmen werden, um deutsche Sicherheitsbehörden schlagkräftiger zu machen. Das Konzept ist seit fast 20 Jahren ein Streitthema. Sowohl das Bundesverfassungsgericht als auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatten entsprechenden Regelungen bereits eine Absage erteilt.
Der EuGH stellte 2022 fest, dass eine Vorratsspeicherung von IP-Adressen nur dann grundrechtskonform sei, wenn sie "für einen auf das absolut notwendige begrenzten Zeitraum" vorgesehen ist.
IP steht für Internetprotokoll. Es handelt sich um eine individuelle Ziffernfolge, die jedes Gerät online identifiziert. Eine Art wechselnde Telefonnummer für das Internet. Über die IP-Adresse kann nachvollzogen werden, welches Gerät wie lange und auf welchen Webseiten im Netz unterwegs war. Darüber kann dann auch der Anschlussinhaber des jeweiligen Geräts ermittelt werden. (Quelle: ZDF)
Vorgaben, die der Gerichtshof jedoch in einem Urteil von 2024 wieder etwas gelockert hat. Kritiker halten das Vorgehen dennoch für problematisch, denn Kriminellen würde es leicht fallen, ihre IP-Adresse zu verschleiern. Die Maßnahme würde vor allem unschuldige Bürger treffen.
Mehr KI in der Strafverfolgung geplant
Und noch eine weitere geplante Maßnahme könnte rechtliche Herausforderungen mit sich bringen. Künftig sollen Sicherheitsbehörden "automatisierte Datenrecherche und -analyse" vornehmen können. Gemeint ist der Einsatz von KI-Systemen bei der Polizeiarbeit. Eine Neuheit wäre das nicht, viele Bundesländer verwenden bereits entsprechende Software.
Unter anderem wird in Bayern ein System des US-Anbieters Palantir verwendet, um in unterschiedlichen Informationsquellen der Polizei automatisch Querverbindungen zu suchen. Ein ähnliches System könnte nun auch auf Bundesebene zum Einsatz kommen.
Doch der Einsatz von KI in der Strafverfolgung ist umstritten. Das Bundesverfassungsgericht hatte 2023 eine bestehende Regelung hierzu aus Hessen und Hamburg für verfassungswidrig erklärt und strengere Vorgaben gefordert, um Grundrechte betroffener Personen zu schützen. Diese Vorgaben müsste die Bundesregierung bei ihren Plänen beachten.
Schwarz-roter Koalitionsvertrag: Abgleich biometrischer Daten
Auch bei der automatisierten Gesichtserkennung soll die Polizei mehr Befugnisse bekommen. Der Koalitionsvertrag sieht unter anderem die Möglichkeit für einen "biometrischen Abgleich mit öffentlich zugänglichen Internetdaten" vor. Etwa indem Aufnahmen einer Überwachungskamera mittels einer KI mit Fotos aus sozialen Netzwerken abgeglichen werden. Hierbei könnte vor allem das Ausmaß problematisch werden, erklärt Ogorek.
Die Nutzung solcher Quellen berührt nicht nur gesuchte Personen, sondern faktisch jeden, dessen Bildmaterial im Internet auffindbar ist.
Prof. Dr. Markus Ogorek, Institut für Öffentliches Recht und Verwaltungslehre, Uni Köln
Bereits nach dem Anschlag von Solingen im August 2024 hatte die Ampel-Koalition einen entsprechenden Gesetzesentwurf ausgearbeitet. Der war allerdings im Bundesrat gescheitert.
Quelle: dpa
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