Absturz von René Schnitzler:Wettbetrug im Fußball: Ein Ex-Profi packt aus
von Ralf Lorenzen
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Der Ex-Fußballspieler René Schnitzler ließ sich mit der Wettmafia ein, was das Ende seiner Karriere bedeutete. Eine ZDF-Doku gibt Einblicke in die Strukturen und seine Beweggründe.
Die Spielsucht hat dem früheren Fußballprofi Schnitzler die Karriere verbaut.
Quelle: IMAGO / HochZwei/Angerer
Als der Ex-Fußballprofi René Schnitzler das erste Mal öffentlich über seine Spielsucht und seine Verstrickung in Wettmanipulationen spricht, ist er vom DFB gerade für zweieinhalb Jahre gesperrt worden. 2011 sagte er bei einer Buchvorstellung im Hamburger Schanzenviertel:
René Schnitzler, einst Profi des FC St. Pauli, verfiel früh der Spielsucht. Das wurde ihm zum Verhängnis - und der hoffnungsvolle Stürmer ließ sich mit einem Wettpaten ein.29.05.2024 | 28:58 min
Wenn das Gefühl für Geld verloren geht
Mit knapp dreizehn Jahren Abstand erzählt Schnitzler diese Geschichte nun in der ZDF-Dokumentation "Wettbetrug: Absturz eines spielsüchtigen Fußballprofis" erneut. Der Film legt den Blick frei auf den engen Zusammenhang zwischen dem Lebensstil junger Fußballprofis, der Anfälligkeit für Spielsucht und der Gefahr, in kriminelle Handlungen verstrickt zu werden.
An seinem 18. Geburtstag verfiel das Nachwuchstalent Schnitzler das erste Mal dem Reiz eines Spielcasinos. Schnell wurden die verzockten Summen höher. "Da hatte ich aber noch dieses Gefühl von: Was hast du da gemacht? Du hast gerade 200 Euro verloren."
Als junger Fußballprofi: Zeit, Geld, Nervenkitzel
Über diese Summen verfügte er als 21-jähriger Profi beim FC St. Pauli mit fünftstelligem Monatsgehalt, goldener Kreditkarte und VIP-Betreuung bei der Bank. Profifußballer sind nach Ansicht von Experten nicht nur deshalb besonders anfällig für das Zocken, weil sie viel Zeit und viel Geld haben.
"Sie sind es gewohnt, sich sportlich zu messen und nach Erfolg zu streben, den Nervenkitzel zu suchen", sagt Tobias Freyer, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie in der ZDF-Doku.
Fußballspieler sind besonders anfällig für Sportwetten. René Schnitzler war Bundesligaprofi und spielsüchtig…13.03.2018 | 0:58 min
Bei Schnitzler führte der Nervenkitzel am Pokertisch trotz gutem Gehalt in die roten Zahlen. Damit war er das typische Opfer für die Wettmafia, die ein feines Gespür für Fußballer hat, die über ihre Verhältnisse leben und in Spielhallen, Casinos oder Wettbüros abhängen. "20 bis 30.000 Euro im Monat sind ja nicht viel Geld - so wie die leben", sagt ein anonymer Wettpate in der Doku.
Wettmafia: Erst die Belohnung, dann die Drohung
Schnitzler erzählt, wie er einen Kumpel mit einem Wettpaten in den Niederlanden bekannt macht, der ihn mit 30.000 Euro für die Manipulation eines Spiels des FC St. Pauli anfüttert. Die vorhergesagte Niederlage tritt ein, ohne dass er etwas dafür tun muss. Er lässt sich auf weitere Absprachen auf Spiele ein, in denen der FC St. Pauli Außenseiter ist, behauptet, von drei Mitspielern unterstützt zu werden und kassiert weiter, ohne etwas dafür zu tun. Das geht so lange gut, bis der FC St. Pauli zwei bis drei mal überraschend gewinnt.
Bei einem Treffen mit den Auftraggebern in den Niederlanden wird ihm gesagt:
"Das habe ich verstanden", so Schnitzler. Er wechselt seine Handy-Nummer und bricht den Kontakt ab. Da ahnt er noch nicht, dass eine Ermittlungsgruppe der Polizei der Wettmafia auf der Spur ist und eines Morgens auch ihn verhaftet.
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Verurteilung wegen Steuerhinterziehung
"Ich bin zu einer Geldstrafe von 2.000 Euro verurteilt worden", sagt Schnitzler. "Nicht wegen Spielmanipulation, das möchte ich bitte klar betonen. Ich bin verurteilt worden wegen Steuerhinterziehung, weil ich das Geld, das ich vom Wettpaten angenommen habe, bei meiner Steuererklärung nicht angegeben habe."
"Ich weiß ja nicht, was Herr Schnitzler den Ganoven wortwörtlich gesagt hat", sagt in der Doku der Polizeibeamte Michael Bahrs, der Schnitzler verhaftet und jahrelang mit seinen Kollegen gegen die Wettmafia ermittelt hat. "Aber die Geschichte, die er erzählt, um zu verdeutlichen, wie er versucht hat, ein kriminelles Netzwerk auf den Leim zu führen, da sage ich Ihnen: Nö, das geht so nicht."
Ex-St.-Pauli-Spieler Schnitzler wurde Spielmanipulation vorgeworfen. (Archivfoto)
Quelle: IMAGO / Claus Bergmann
Wettbetrug nicht nur im Ausland
Bahrs hat über seine Ermittlungen gegen den organisierten Wettbetrug das Buch "Verbrechen am Fußball" geschrieben und warnt davor zu glauben, so etwas passiere nur im Ausland. "Denn hier passiert das haargenau so und ist nach wie vor präsent."