Paris-Erfolg statt Karriereende: So tickt Henri Squire
Paris-Erfolg statt Karriereende:So tickt Newcomer Henri Squire
von Jannik Schneider
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2023 dachte Henri Squire ans Aufhören. Nun hat sich der 23-Jährige aus der Qualifikation in die zweite Runde der French Open gespielt. Dabei war er erst nicht startberechtigt.
Henri Squire war eine Stunde vor der Auslosung zur French-Open-Qualifikation "irgendwie reingerutscht". Jetzt steht er in Paris in der zweiten Runde.
Quelle: dpa
Henri Squire wirkte am Montagabend orientierungslos, als er die Tür des Medienzentrums tief in den Katakomben des Centre Courts Philippe Chatrier betrat. Eine Mitarbeiterin des Turniers sah das und nahm ihn mit einem Lächeln in Empfang.
Plötzlich gefragter Mann: Henri Squire
Sie lotste den unerfahrenen Tennisprofi in Richtung der deutschen Reporter, die im kleinsten der Interviewbereiche bei den French Open in Paris schon auf den Überraschungsmann warteten.
Was im Trubel rund um das fast zeitgleich beendete wohlmöglich letzte Match von Rafael Nadal medial unterging, ist die bisherige Außenseiter-Geschichte des Youngsters. Squire selbst konnte es am Montag "noch gar nicht glauben". Wer von Squires Geschichte erfährt, mag ihm das tatsächlich abnehmen.
Squire übersteht French-Open-Quali
Dass Squire, die Nummer 221 der Weltrangliste, sein wildes Erstrunden-Duell gegen Top-100-Spieler Max Purcell nach 3:21 Stunden Spielzeit und zwei längeren Regenpausen mit 6:2, 6:2, 3:6, 4:6, 7:6 (12:10) gewann und dabei sechs Matchbälle abwehrte ist nur die neueste Episode des kleinen Tennismärchens.
Squire war vergangene Woche nicht startberechtigt für die Qualifikation der French Open, wollte stattdessen kleinere Turniere spielen. "Nach einigen Verletzungen und Absagen bin ich eine Stunde vor der Auslosung irgendwie reingerutscht", sagte der Duisburger, der in Düsseldorf lebt.
2. Runde (geplanter Spielbeginn 11 Uhr)
1. Match: Daniel Altmaier - Stefanos Tsitsipas (Griechenland/Nr. 9)
2. Match: Maximilian Marterer - Zizou Bergs (Belgien)
2. Match: Henri Squire - Felix Auger-Aliassime (Kanada/Nr. 21)
French Open: Squire hat bereits 110.000 Euro sicher
Da er das in den Tagen zuvor vorausahnte, machte er sich schon Freitag vor einer Woche auf den Weg nach Paris - auf eigene Kosten.
Für junge Spieler wie Squire, die auf der zweitklassigen und drittklassigen Challenger- und Future-Tour spielen und mit den geringen Preisgeldern kaum ihre Kosten decken können, war das ein Wagnis - das sich aber nach drei zum Teil sehr engen Quali-Siegen und dem Erstrundenerfolg mehr als ausgezahlt hat.
Für den Einzug in die zweite Runde gibt es 110.000 Euro brutto. Squire hat in knapp drei Jahren auf der Tour 150.000 Euro verdient. Im Live-Ranking steht er schon auf Platz 182. Damit darf er in Zukunft ganz ohne Wartezeit zur Qualifikation bei den Grand Slams antreten.
Squire gewann 2024 erstes Challenger-Turnier
Dieser Schritt hatte sich 2024 angedeutet. Er gewann in Hamburg sein erstes Challenger-Turnier und unterlag bei einem weiteren Event in Tschechien dem ehemaligen Top-30-Spieler Damir Džumhur erst im Finale. Den hat er nun in der Quali von Paris besiegt.
Großen Anteil am Aufschwung rechnet er seinem neuen Trainer Jeremy Jahn zu. Doch zuvor hat Squire schwierige Zeiten durchlebt. Unlängst erklärte er, dass er nach einem Bandscheibenvorfall, der darauf folgenden Ausfallzeit und dem Ende der Zusammenarbeit mit seinem vorherigen Trainer Carsten Arriens, dem Erfolgscoach von Jan-Lennard Struff, eine Zeit alleine reiste.
In der Folge kreisten Squires Gedanken um das Karriereende.
Henri Squire (23) gehörte seit seinem zwölften Lebensjahr den Auswahlteams des Deutschen Tennisbund (DTB) an. Er wurde fünf Mal Deutscher Meister und stand 2018 mit Rudi Molleker im Doppelfinale der Australian Junior Open. "Der Verband wollte dann eher, dass ich direkt auf die Future Tour gehe nach der Juniorenzeit", erklärte er.
Er fühlte sich zu schlecht und zu unprofessionell. Nach Motivationsproblemen entschied er sich für eine sportliche und schulische Ausbildung an der Wake Forest Universität in North Carolina. Seit 2023 spielt Squire auf der Profitour.
Trainer Jahn spielt für Squire wichtige Rolle
Gemeinsam mit seinen Eltern - sein australischer Vater David versuchte es einst selbst als Profi - traf Squire kluge Entscheidungen, sprach seinen Trainingspartner Jahn an, der nach gemeinsamen Testwochen seine verletzungsgeplagte Karriere beendete und den Trainerjob übernahm. "Er ist richtig gut strategisch und für meinen Spielaufbau", so Squire.
Gemeinsam bilden sie ein erfolgreiches Außenseiter-Duo, das sich am Dienstag fokussiert auf das Zweitrundenduell gegen den etwas schwächelnden ehemaligen Top-10-Spieler Felix Auger-Aliassime vorbereitete.
Squire wird das genießen und die Erfahrung mitnehmen. Im besten Fall klappt das im kommenden Jahr dann auch mit der Orientierung im Medienzentrum. Das würde bedeuten, dass er sich im Welttennis weiter etabliert hat.