Vierschanzentournee: Wellinger - vom Gejagten zum Jäger

    Vierschanzentournee :Wellinger - vom Gejagten zum Jäger

    von Lars Becker
    |

    Skispringer Andreas Wellinger geht als "Jäger" ins knappste Vierschanzentournee-Finale seit 2017. Warum die Hoffnungen des DSV-Adlers auf einen Triumph trotzdem groß sind.

    Innsbruck, Vierschanzentournee: Andreas Wellinger (rechts) winkt ins Publikum
    2,66 Meter Rückstand auf Ryoyu Kobayashi - machbar, findet Andreas Wellinger. Auch Teamkollegen und Bundestrainer Stefan Horngacher glauben, dass er die Tournee noch gewinnen kann.04.01.2024 | 1:26 min
    Stephan Leyhe ist bei dieser 72. Vierschanzentournee so nah dran an Andreas Wellinger wie kein anderer. Und der Zimmerkollege des deutschen Überfliegers ist felsenfest davon überzeugt, dass das knappste Tournee-Duell seit sieben Jahren mit einem Triumph von "Welle" gegen den Japaner Ryoyu Kobayashi endet:

    Wenn man ihn länger kennt, weiß man, dass er für diese Situationen geboren ist.

    Stephan Leyhe, Zimmergenosse von Andreas Wellinger

    Andreas Wellinger am 03.01.2024 in Innsbruck in Aktion.
    Die Gesamtführung verloren, die Hoffnungen bewahrt: Andreas Wellinger besitzt nach Platz fünf in Innsbruck weiter die Chance auf den Tournee-Triumph.03.01.2024 | 2:22 min

    Winziger Rückstand lässt Wellinger hoffen

    Zweifellos ist im Kampf um den ersten deutschen Tournee-Gesamtsieg seit 22 Jahren die außergewöhnliche Nervenstärke und Coolness des Doppel-Olympiasiegers gefragt. Mit winzigen 4,8 Punkten Rückstand - das sind umgerechnet knapp 2,67 Meter - geht Wellinger in das Finalspringen am Samstag (16:30 Uhr/live in der ARD) in Bischofshofen. Knapper war es letztmals 2017, als der Norweger Daniel Andre Tande mit einem Vorsprung von 1,7 Zählern auf Kamil Stoch zum letzten Tournee-Springen reiste.

    • 6. Januar 2023: 17. Kobayashi / 20. Wellinger
    • 8. Januar 2022:  4. Kobayashi / 19. Wellinger (kein Tourneespringen)
    • 6. Januar 2022:  5. Kobayashi / 33. Wellinger
    • 5. Januar 2022:  1. Kobayashi / 15. Wellinger (Ersatz für Innsbruck)
    • 6. Januar 2019:  1. Kobayashi / 15. Wellinger
    • 6. Januar 2018:  3. Wellinger / 20. Kobayashi
    • 6. Januar 2017: 31. Wellinger / 42. Kobayashi

    Der "Jäger" aus Polen holte sich damals auch deshalb noch den "Goldenen Adler" für den Tournee-Gesamtsieg, weil sich bei Tandes Sprung ein Teil der Skibindung löste. Andreas Wellinger hatte in diesem Drama von Bischofshofen eine kleine Nebenrolle. Am Tag vor der Entscheidung gewann er mit 144,5 Metern die Qualifikation - noch heute ist das der zweitweiteste Flug der Tournee-Geschichte. Und ein Fingerzeig darauf, wie gut "Jäger" Wellinger diese große Naturschanze liegt.

    Bischofshofen liegt dem DSV-Adler

    "Ich mag die Schanze in Bischofshofen und bin dort schon extrem gut Ski gesprungen. Ich bin jetzt nicht mehr der Gejagte, sondern der Jäger - mit der Rolle kann ich sehr gut leben", sagt Wellinger und fügt hinzu:

    Die Devise heißt Angriff und dann hoffe ich, dass ich am Ende ganz oben in der Ergebnisliste stehe. Alles ist im Flow.

    Andreas Wellinger, Tournee-Zweiter vor dem letzten Springen

    Am Donnerstag, dem zweiten Ruhetag der Vierschanzentournee, lädt der 28-Jährige seine Akkus für das "Grande Finale" neu auf. Ein Krafttraining steht auf dem Plan - dafür reiste das deutsche Team ganz entspannt von Innsbruck nach Bischofshofen.

    Stimmung trotz Führungsverlust ganz oben

    Zwar zeigt die Resultats-Kurve von Wellinger bei dieser Tournee nach unten: Nach dem Auftaktsieg von Oberstdorf und Platz drei beim Neujahrsspringen von Garmisch-Partenkirchen reichte es in Innsbruck auf Rang fünf erstmals nicht für das Podest. Die Stimmungskurve ist nach dem halbwegs schadlos überstandenen Springen am deutschen "Schicksalsberg" jedoch ganz oben.

    Wenn du den Bergisel überlebst und nur ein paar Punkte Rückstand hast, kannst du gelassen nach Bischofshofen fahren.

    Stefan Horngacher, Skisprung-Bundestrainer

    Der Bundestrainer weiter: "Wir werden Andi so präparieren, dass er die Chance hat, am Ende ganz oben zu stehen."

    Vorteil auf der Schanze: Wellinger ist schneller

    Der Chefcoach baut ganz besonders auf den Geschwindigkeitsvorteil von Wellinger in der Anfahrt, der auf der Naturschanze von Bischofshofen mit ihrem langen Anlauf noch wichtiger sein dürfte. 0,7 Stundenkilometer war Wellinger beim Finalsprung von Bischofshofen schneller als sein Erzrivale Kobayashi. Bei gleichem Sprungniveau ist das etwa ein Vorteil von 3,5 Metern in einem Sprung - damit hätte Wellinger seinen Tournee-Rückstand locker aufgeholt.
    Andreas Wellinger landet nach seinem Sprung bei der Vierschanzentournee.
    Tournee-Führung verteidigt: Mit Platz drei beim Neujahrsspringen in Garmisch-Partenkirchen bleibt Andreas Wellinger in der Gesamtwertung vorn.01.01.2024 | 2:54 min
    Ryoyu Kobayashi ist jedoch ebenfalls in Topform. Allerdings nicht in der Überform, in der er bei seinen überlegenen Tournee-Gesamtsiegen von 2019 und 2022 war - nach drei zweiten Plätzen fehlt ihm bei dieser Tournee noch ein Tagessieg.

    Beckham dient Wellinger als Vorbild

    Auch Zimmerkollege Stephan Leyhe unterstützt den "Jäger". Gemeinsam schauen sich die beiden Flieger aus dem "Kreuzband-Zimmer" - das Duo hat sich nach schlimmen Kreuzbandrissen im Knie in die Weltspitze zurückgekämpft - abends in diesen stressigen Tournee-Tagen eine Folge aus der Netflix-Serie über Fußball-Weltstar David Beckham an. Für Wellinger eine Inspiration vor dem Herzschlag-Finale, wie man es "ganz nach oben" schaffen kann.
    Und natürlich werden auch die deutschen Fans zahlreich zur Stelle sein, angeführt von Wellingers Familie und Freunden. Das Finale in Bischofshofen kann also kommen.

    Mehr zum Skispringen

    Mehr Wintersport-Highlights

    Wintersportlegenden im Porträt

    Mehr Sport bei sportstudio.de

    Sport-Dokus und -Stories