Zweite Chance nach Olympia:Ruderin Marchand peilt Para-Medaille an
von Susanne Rohlfing
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Seit einem Schlaganfall ist für die zweifache Olympionikin aus Köln alles anders. Doch der Sport ist ihr geblieben. Und die 33-Jährige ist als Para-Athletin erfolgreicher denn je.
Ruderin Kathrin Marchand: "Es wird spannend werden in Paris."
Quelle: Imago
Das letzte halbe Jahr vor den Paralympics in Paris bricht an. Kathrin Marchand, die für den RTHC Bayer Leverkusen startet, kennt das schon. 2012 und 2016 hat sie das schon mitgemacht, vor den Olympischen Spielen in London und Rio de Janeiro. Sie war Teil der deutschen Ruder-Nationalmannschaft. 2012 saß sie im Achter, 2016 im Zweier ohne Steuerfrau. Damals wurde sie mit Kerstin Hartmann Achte.
Am 1. September werden im "Stade Nautique de Vaires-sur-Marne" die Finalläufe im Para-Rudern ausgetragen, darunter die Entscheidung im Mixed-Vierer mit Steuermann. Und in diesem Rennen will Marchand dabei sein. Denn sie ist wieder Ruderin - zum zweiten Mal in ihrem Leben. Auf ihre olympische folgt die paralympische Karriere.
Behindertensportler im Blickpunkt: Nicht nur bei den Paralympics sorgen die Atletinnen und Athleten mit Behinderung immer wieder für Furore.
Trainingslager in Spanien
Deshalb liegt die 33-jährige Ärztin in ihrem Urlaub nicht irgendwo am Strand, sondern feilt in Sevilla an ihrer Form. In Südspanien absolviert die Nationalmannschaft der Para-Ruderer ihr erstes Trainingslager des Jahres. Im Alltag wird nicht so oft zusammen gerudert, jetzt dafür täglich.
Den Abstand zum seit Jahren dominierenden britischen Boot konnten die Deutschen in den vergangenen zwei Jahren von 14 auf knapp fünf Sekunden verkürzen. Mit Kathrin Marchand im Team sind sie 2022 EM-Dritte und WM-Zweite sowie 2023 EM-Zweite und WM-Dritte geworden.
Guten Chancen für die deutschen Ruderinnen
Bei den Weltmeisterschaften lagen die Briten und die US-Amerikaner nur knapp vor dem deutschen Quartett mit Steuerfrau. Marchand sagt:
Nach 2016 hatte sie mit dem Spitzensport abgeschlossen. Marchand sah bei sich kein Potenzial, sportlich noch erfolgreicher zu werden. Also konzentrierte sie sich fortan auf ihr Examen und ihren Beruf als Ärztin. Doch am 1. September 2021, also exakt drei Jahre vor dem Finale, auf das sie jetzt hinarbeitet, geriet ihr Leben aus den Fugen. Kathrin Marchand erlitt einen Schlaganfall. Sie war damals 30 Jahre alt.
Der Weg zu den Paralympics
Seither ist ihr Sehvermögen eingeschränkt, links oben fehlt ihr auf beiden Augen ein Drittel des Sichtfelds. Zudem hat sie eine leichte Hemiparese auf der linken Seite, sie ist links schwächer als rechts.
Aber der Sport war immer Teil ihres Lebens und sollte es bleiben. Also knüpfte sie nach einer eingehenden Recherche zum Thema Paralympics im Frühjahr 2022 Kontakte zum paralympischen Rudern.
Aufgrund ihrer Lähmung wurde sie für den paralympischen Sport zugelassen - "klassifiziert" heißt das im Fachjargon. Weil im Mixed-Vierer jemand ausfiel, landete sie schon 2022 in der Nationalmannschaft der Para-Ruderer.
Jetzt hofft die heute 33-Jährige auf den Gewinn einer paralympischen Medaille. Sie kann es noch immer nicht recht glauben, aber es ist so:
Paralympics 2024: Stationen auf der #RoadtoParis
Rollstuhlrugby: 20. – 24. März in Neuseeland
Sitzvolleyball: 3. – 10. April in China
Rollstuhlbasketball - Männer: 12. – 15. April in Frankreich,
Frauen: 17. – 20. April in Japan
Badminton: 19. – 25. Februar in Thailand
Radsport: 21. – 24. März in Brasilien
Kanu: 9. – 12 Mail in Ungarn
Leichtathletik: 17. -25. Mai in Japan
Rollstuhlfechten: 5. – 10. März in Frankreich
Schwimmen: 21. – 27. April in Portugal
Rudern: 23. – 29. April in Ungarn
Bogenschießen: 20. – 26. Mail in Italien
Sportschießen: 30. Mai – 7. Juni in Spanien
Kanu: 13. – 16. Juni in Ungarn
Schwimmen – IDM: 30. Mai – 2. Juni in Berlin
Leichtathletik – Sportfest: 6. Juli in Leverkusen
Präsentation der Bekleidung: 18. April in Paris
Nominierung des Team D: 19. Juli in Berlin
Paralympics 2024 in Paris: 28. August – 8. September
Gründe für den Schlaganfall sind unklar
Warum sie einen Schlaganfall erlitten hat, konnte nicht geklärt werden. Sie glaubt, dass es etwas mit ihrer damaligen Art zu Leben zu tun hatte. Sie arbeitete in einer Notaufnahme, mit 60 Stunden Diensten pro Woche. Sie trieb Sport, traf Freunde, Schlaf stand ganz unten auf ihrer Prioritätenliste.
Nach dem Schlaganfall habe sie "schnell verstanden, dass ich nicht irgendwann geheilt sein werde. Ich werde mein Leben lang Beschwerden haben." Mehr als einen Halbtagsjob in der Orthopädie einer Privatklinik schaffe sie nicht. Ihr Körper fordere Pausen, sagt Marchand.
Marchand geht in ihrem neuen Alltag auf
Vor Olympia 2016 in Rio trainierte sie dreimal am Tag. Heute, ein halbes Jahr vor den Paralympics in Paris, sind es rund 15 Stunden in der Woche. Marchand mag ihren neuen Alltag, ihre zweite Ruder-Karriere, nicht mehr ganz so viel arbeiten:
In "einfach Mensch" erzählen Menschen mit Behinderung und sozial Benachteiligte selbst. Die Reportage entsteht in Zusammenarbeit mit der "Aktion Mensch".