Rollstuhl-Basketball: So inklusiv wie kein anderer Sport
Rollstuhlbasketball:So inklusiv wie kein anderer Sport
von Susanne Rohlfing
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In der Rollstuhlbasketball-Bundesliga spielen Männer, Frauen, Menschen mit und ohne Behinderung zusammen. Für die Nationalspielerinnen hat das aber nicht nur Vorteile.
In der Liga spielen Männer und Frauen in einem Team. Hier eine Szene des Top-Four-Finales der 2. Bundesliga in Bayreuth mit Lilly Sellak (RSV Bayreuth/rechts) und dem Hamburger Nikolaus Classen.
Quelle: Imago / Peter Kolb
Lilly Sellak war auf dem Weg zur Schule, als sie von einer Straßenbahn erfasst wurde. Das war vor fünf Jahren. Sie werde nie wieder laufen können, sagten die Ärzte der damals 16-Jährigen.
Heute ist Sellaks Umgang mit dem Rollstuhl meisterlich, sie ist Teil der deutschen Rollstuhlbasketball-Nationalmannschaft und gibt aktuell in Paris ihr Debüt bei Paralympischen Spielen. "Es ist total absurd", sagt sie, "ich kann nicht glauben, dass ich wirklich hier bin".
Turnierstart der deutschen Frauen gegen USA
Das Team des Deutschen Behindertensportverbands (DBS) startet am Freitag gegen die USA (ab 15:50 Uhr im ZDF-Livestream) ins paralympische Turnier. Die US-Amerikanerinnen hatten Deutschland vor drei Jahren in Tokio im Spiel um Platz drei bezwungen.
Die weiteren Vorrundengegner sind Titelverteidiger und Topfavorit Niederlande sowie Japan. Allerdings geht es in den drei ersten Spielen nur um die Zusammensetzung der Paarungen für die Viertelfinals, erst dann scheiden die ersten Mannschaften aus.
Lilly Sellak: Rollststuhl nur für Sport
Bei Lilly Sellak irrten sich die Ärzte. Ihre Querschnittslähmung erwies sich als inkomplett, inzwischen ist sie nur noch von den Knien abwärts gelähmt. Mit speziellen Schienen kann die 21-Jährige aus Bayreuth wieder gehen, den Rollstuhl nutzt sie nur noch für den Sport.
In ihm ist sie schneller und wendiger, denn laufen, hüpfen oder springen kann sie mit ihren gelähmten Füßen nicht. "Ich fühle mich total wohl in meinem Körper", sagt Sellak dennoch. "Ich genieße es, so viele tolle Menschen kennengelernt zu haben. Ich kann mich gar nicht beklagen im Moment."
Vom Handball zum Rollstuhlbasketball
Dass sie so schnell den Rollstuhlbasketball für sich entdeckt hat, spielt dabei eine gewichtige Rolle. "Ich war schon immer sehr sportlich, zuletzt habe ich Handball gespielt", erzählt Sellak:
In der Rehabilitation in Murnau lernt sie den Rollstuhlbasketball kennen und auch direkt lieben. Mit anderen Patientinnen und Patienten spielte sie schon dort regelmäßig.
Mit dem RSV Bayreuth in die Erste Liga
Nur zwei Tage nach ihrer Entlassung absolvierte Sellak ein Probetraining bei der BSG Rummelsberg - und stieg endgültig in die Sportart ein.
Hilfe bekommt sie seither von London-Paralympics-Siegerin Gesche Schünemann, die ganz in ihrer Nähe wohnt und Sellak schließlich zum RSV Bayreuth in die Zweite Liga (ab kommender Saison Erste Liga) holte.
Lilly Sellak in einem Länderspiel gegen Frankreich.
Quelle: Imago / Beautiful Sports
Lilly Sellaks Ziel: Eine Medaille
Über die Nachwuchs-Nationalmannschaft ging es für die junge Athletin ebenfalls im Sauseschritt in die Nationalmannschaft. Und nun kann sie aus voller Überzeugung sagen: "Wir wollen in Paris eine Medaille gewinnen."
Da ist sich Sellak einig mit Mareike Miller, die schon beim Paralympics-Sieg 2012 dabei war und die vierten Plätze zuletzt in Tokio sowie bei der WM und der EM 2023 als "enttäuschend" bezeichnet.
Die Hamburgerin spielte zuletzt für Trier in der Bundesliga - die im Rollstuhlbasketball so inklusiv ist wie in keinem anderen Sport. Männer, Frauen, Menschen mit und ohne Behinderung sind dort zusammen auf dem Spielfeld.
Gemeinsame Sache mit den Männern
Speziell für die Nationalmannschaftsspielerinnen birgt das aber auch Probleme. In der Bundesliga bekommen sie weniger Einsatzzeit als die Männer und spielen meist auf weniger wichtigerer Positionen.
Mit der Abschlussfeier in Paris sind die 17. Paralympischen Sommerspiele zu Ende gegangen. Mehr News im Liveblog.
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Zudem müssen sie sich vor den großen Turnieren umstellen, da dort mit dem kleineren und leichteren Frauenball gespielt wird. Der werfe sich wackeliger, sagt Miller, "dieser Wechsel tut uns nicht gut". Dran gewöhnen könne man sich aber schon.
Lilly Sellak stört der Wechsel weniger, sie wirft sogar lieber mit dem kleineren Ball. Und sie hat den inklusiven Charakter ihrer Sportart von Anfang an besonders genossen. Sie sagt: "Männer und Frauen, Jung und Alt, behindert oder auch nicht - alle sind total gleich in diesem Stuhl.