Olympia vor 100 Jahren: Als Weissmüller allen davon schwamm

    Olympia vor 100 Jahren in Paris:Als Johnny Weissmüller allen davonschwamm

    von Erik Eggers
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    Vor 100 Jahren, bei den Olympischen Spielen 1924 in Paris, schwamm sich Johnny Weissmüller zum Superstar. Eine ZDF-Doku zeigt, wie ihm die neue Technik des "American Crawl" half.

    Johnny Weissmüller (USA) bei den Olympischen Sommerspielen 1924 in Paris.
    Johnny Weissmüller bei den Olympischen Sommerspielen 1924 in Paris.
    Quelle: IMAGO

    Der erste Auftritt des Schwimmwunders aus Chicago, Illinois, am 16. Juli 1924 im Stade des Nautique rief geteilte Reaktionen hervor. Die Fans staunten über die frappierende Überlegenheit des Johnny Weissmüller, 19 Jahre, im Vorlauf über 400 Meter Freistil bei den Olympischen Spielen.
    Der österreichische Reporter Willy Meisl aber mokierte sich, Weissmüller habe seine Konkurrenz lächerlich gemacht. Auf den letzten Metern habe der Teenager bereits seine Arme und Beine "geschlenkert" und seinen Teammitgliedern auf der Tribüne zugewunken. "5:22,4 ist also seine Schlafenszeit", bilanzierte Meisls konsterniert.
    Johnny Weissmüller, Paavo Nurmi, Eiffelturm
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    Bewunderung für Johnny Weissmüller

    Doch nach dem Finale über diese Strecke feierte auch Meisl den modernen Schwimmstil des US-Amerikaners: "Weissmüller, eine Riesenfigur, stark wie ein Baum, schwimmt mit langen, demzufolge langsam aussehenden mächtigen Armzügen, mit ausgiebigen, rasend schnellen Crawlschlägen.

    Er crawlt schon in der Luft, wenn er vom Starte geht. Sein Rücken liegt merkwürdig hoch im, nein aus dem Wasser, und seine Kraft gestattet ihm, wenn es nottut, jeden Extraspurt.

    Willy Meisl, österreichischer Reporter

    Der ersten Goldmedaille Weissmüllers sollten noch zwei weitere über 100 Meter Freistil und in der Staffel über 4x200 Meter folgen, zudem gewann er Bronze mit dem Wasserball-Team. Weissmüller war neben dem finnischen Laufwunder Paavo Nurmi der große Star der Olympischen Spiele 1924 in Paris.
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    Der Mann, der später als Profi als Unterwäsche-Modell ein Vermögen verdiente und im Filmbusiness als "Tarzan" zu Weltruhm kam, war 1922 als erster Mensch der Welt über 100 Meter Freistil unter einer Minute geschwommen (58,4 Sekunden). Während seiner Amateur-Karriere, die bis Weihnachten 1928 andauerte, sollte er im Freistil kein einziges Rennen verlieren.

    US-Schwimmen 1924: Vorsprung durch Technik

    Das US-Schwimmen produzierte indes viele Stars, etwa Duke Kahanamoku aus Honolulu, der schon 1912 und 1920 den Freistil dominierte, 1924 mit seinem 14 Jahre jüngeren Bruder Samuel hinter Weissmüller auf 100 Metern die weiteren Medaillen abräumte und als Surfer weltberühmt wurde. Oder die US-Girls Ethel Lackie, Mariechen Wehselau und Gertrude Ederle, die 1924 über 100 Meter Freistil auf dem Podium standen.
    Johnny Weissmüller (l.) und Duke Kahanamoku bei den Olympischen Spielen 1924 in Paris.
    Johnny Weissmüller (l.) und Duke Kahanamoku bei den Olympischen Spielen 1924 in Paris.
    Quelle: AP

    Diese Dominanz beruhte auf Vorsprung durch Technik. Denn die US-amerikanischen Coaches entwickelten in den 1910er Jahren den "American Crawl" zum überlegenden Stil im Schwimmen - der bis heute diese Sportart prägt. Entscheidende Figur dabei war Charles Meldrum Daniels, dreimaliger Olympiasieger von 1904.

    Erfolgsrezept: Gestreckter Armzug und schneller Beinschlag

    Der Tüftler setzte auf einen gestreckteren Armzug mit maximaler Reichweite und einer erhöhten Schnelligkeit und Frequenz des Beinschlages. Damit erreichte er, dass pro Armzyklus mit je einer Zugphase von rechtem und linkem Arm ein Sechserbeinschlag - drei links, drei rechts - möglich wurde. Kopfhaltung und Atemtechnik wurden entsprechend angepasst.
    Auch der jüdische Schwimmtrainer Bill Bachrach schulte Weissmüller, den er Ende 1920 entdeckte, im Illinois Athletic Club in Chicago in dieser Technik, bevor dieser im folgenden Herbst erstmals auftrat und die ersten Rekorde brach. Mit den beiden Goldmedaillen von 1928 über 100 Meter Freistil und in der 4x200m-Staffel kam Weissmüller auf insgesamt fünf Olympiasiege.

    Weissmüller hatte Identität des Bruders angenommen

    Erst nach Weissmüllers Tod im Jahr 1984 in Acapulco enthüllte der ungarische Journalist Victor Banciulescu, dass die Freistil-Legende gar nicht in Pennsylvania geboren worden war, sondern am 2. Juni 1904 in Freidorf, einem kleinen Dorf in der Nähe von Temeswar, das mehrheitlich von Donauschwaben bewohnt wurde. Sein Taufname: Hans Weißmüller, ungarisch Janos Weißmüller.
    Im Januar 1905 war die Familie via Rotterdam in die USA ausgewandert. Vor Paris hatte Weissmüller in seiner Not, da er keinen US-Pass besaß, die Identität seines 1905 in Pennsylvania geborenen Bruders angenommen. Tatsächlich war der Superstar bei den Spielen von 1924 also bereits 20 Jahre alt.
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