Olympia 2024:

    Neue Beweise und FBI-Ermittlung:Chinas Schwimmer: WADA und IOC unter Druck

    von Markus Harm und Jannik Schneider
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    Elf der 23 positiv getesteten chinesischen Schwimmer starten bei den Spielen in Paris. Neue Beweise setzen WADA und IOC unter Druck.

    James Fitzgerald, Witold Banka, Olivier Niggli und Darren Mullaly nehmen an einer Pressekonferenz teil.
    2021 wurden 23 chinesische Schwimmer positiv getestet, aber nicht gesperrt. Wurde ein Skandal vertuscht? In Paris geraten die WADA und das IOC immer stärker in die Kritik.28.07.2024 | 4:10 min
    Es ist eines der bestimmenden Themen zu Beginn der olymischen Schwimmwettbewerbe. Dort starten elf jener 23 chinesischen Weltklasse-Schwimmer, die 2021 von der chinesischen Antidoping-Agentur CHINADA positiv auf das im Sport verbotene Herzmittel Trimetazidin getestet wurden.
    Jene 23 Athleten, die für dieses Dopingvergehen nie gesperrt wurden. Recherchen der ARD und der New York Times hatten den Skandal im April 2024 öffentlich gemacht. Die CHINADA und eine heimische Regierungsbehörde hatten heimlich einen Bericht gefertigt, den die Weltantidoping-Agentur WADA absegnete. Inhalt: Alle 23 Topschwimmer seien vom Essen während eines gemeinsamen Hotelbesuchs kontaminiert worden. Doch die Recherchen im April widersprachen diesem Bericht.

    Interview mit Doping-Experten
    :Versehentlich Trimetazidin, geht das?

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    Dopingkontrolllabor der Sporthochschule Köln am 16.08.2019: Laborleiter Prof. Mario Thevis blickt auf Proberöhrchen.

    Chat-Nachrichten könnten Fall neu aufrollen

    Chatnachrichten aus dem Umfeld der chinesischen Schwimmer legen nahe, dass nicht alle 23 Athleten im selben Hotel gewohnt hätten. Eine Kontamination aller 23 positiv getesteten Schwimmer durch Nahrungsaufnahme in einem einzigen Hotel würde demnach praktisch ausgeschlossen, das Freispruch-Argument widerlegt.
    Die ARD berichtete am Samstagabend, die Ermittlungsabteilungen der WADA und der Internationalen Test-Agentur (ITA) hätten - auf Nachfrage - "ihnen bislang unbekannte Informationen der Journalisten zum Fall China" eingesehen. Der Ausgang ist offen.

    Schwimm-Konkurrenz ist frustriert

    Dementsprechend frustriert äußert sich ein Topstar der Schwimmszene nun im ZDF. "Ich will immer fair gewinnen, Einige machen das offensichtlich nicht. Das ärgert mich extrem, aber mehr will ich lieber nicht sagen", sagt Großbritanniens Olympiasieger Adam Peaty.
    Deutlicher wird der US-Amerikaner Caeleb Dressel, ebenfalls Olympiasieger:

    Sie haben uns keine klaren Beweise geliefert, dass die Schwimmer sauber waren. Der Fall wurde nicht richtig aufgeklärt. Leider.

    Schwimm-Olympiasieger Caeleb Dressel

    Tygart: "IOC UND WADA wie siamesische Zwillinge"

    Dressel meint die WADA und das IOC, die weltweit massiv in der Kritik stehen. Der Geschäftsführer der US-Antidopingagentur USADA, Travis Tygart, erklärt im ZDF:

    Das IOC und die WADA sind wie siamesische Zwillinge, die arbeiten eng zusammen. Die WADA wird vom IOC kontrolliert, beide wollen immer den Schein von sauberen Spielen wahren, nicht aber nach den eigenen Regeln handeln.

    USADA-Chef Travis Tygart im ZDF

    Selbst WADA-Wissenschaftler haben Zweifel

    Auf einer Pressekonferenz vor drei Tagen versuchten sich die WADA-Verantwortlichen zu rechtfertigen. "Es gab keine Fehler von unserer Seite, wir haben genau richtig agiert. Das hat ein unabhängiger Jurist in einem Untersuchungsbericht bestätigt. Das ist alles kristallklar", erklärte WADA-Präsident Witold Banka.
    Was Banka nicht sagte: Seine Agentur selbst hat den Juristen eingesetzt. Aus dem öffentlich zugänglichen Untersuchungsbericht geht hervor, dass zwei der wichtigsten Wissenschaftler der WADA selbst große Zweifel an der Theorie mit der kontaminierten Hotelküche hatten.

    Nationale Antidopingbehörden mit Kritik

    Auch deshalb sprachen nationale Antidoping-Agenturen wie die NADA aus Deutschland, die französischen und österreichischen Dopingjäger am Sonntag gemeinsam öffentlich. Eva Bunthoff als Vorstandsmitglied der NADA erklärte:

    Es ist deutlich. Wir verlieren das Vertrauen in das weltweite Antidopingsystem.

    Eva Bunthoff, Vorstandsmitglied NADA

    Bunthoff weiter: "Es ist die Aufgabe der WADA für gleiche Regeln überall auf der Welt zu sorgen."

    FBI und US-Justizministerium ermitteln

    Zu möglichen Verfehlungen der WADA und des IOC ermitteln mittlerweile das FBI sowie das US-amerikanische Justizministerium. Zu einer Anhörung erschien der WADA-Präsident nicht. "Wenn Du nichts zu verstecken hast, beantworte doch einfach alle offenen Fragen. Da muss man seinen Leuten nicht sagen: reist besser nicht in die USA", kritisierte Tygart von der Antidopingagentur der USA im ZDF.
    Das IOC dagegen will staatliche Einmischung unbedingt verhindern. Salt Lake City hat in dieser Woche die Zusage zur Ausrichtung der Winterspiele 2034 nur mit einer strikten Auflage erhalten. Die Ausrichter müssen die Oberhoheit des IOC und der WADA anerkennen und sicherstellen, dass niemand dazwischenfunkt: Nicht das FBI, nicht Travis Tygart und seine Behörde. Niemand.
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