Olympia 2024: Simone Biles, die Herrscherin der Lüfte
US-Turnerin verzückt die Fans:Simone Biles: Die Herrscherin der Lüfte
von Susanne Rohlfing
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In Tokio hatte Simone Biles bei einem Sprung die Orientierung verloren und fast alle Finals abgesagt. In Paris ist sie zurück und fliegt wieder so spektakulär, wie nur sie es kann.
Simone Biles zeigt atemberaubende und schwindelerregende Sprünge - und erfindet nebenbei auch neue Elemente.
Quelle: dpa
Fünf Turn-Elemente sind bislang nach Simone Biles benannt. Und das liegt nicht an ihrer Berühmtheit, die zum Auftakt des olympischen Frauen-Turnens mit der Qualifikation am Sonntag Superstars wie Tom Cruise oder Lady Gaga in die Bercy-Arena in Paris gelockt hatte.
Es liegt auch nicht an den vier olympischen Goldmedaillen, die Biles bei den Sommerspielen 2016 in Rio de Janeiro zum Superstar machten. Und nicht an dem Berg WM-Medaillen, die sie ihr Eigen nennt.
Biles macht wahnwitzige Dinge
Der Grund ist schlicht und allein, dass die 27 Jahre alte Amerikanerin mit ihrem 1,42 Meter kleinen Körper so wahnwitzige Dinge anstellen kann, wie es so vor ihr noch keine Frau hinbekommen hat. Sie ist die Herrscherin der Lüfte, egal ob am Sprung, am Balken oder am Boden.
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Wer im Turnen möchte, dass ein Element den eigenen Namen trägt, muss sich etwas Neues ausdenken. Etwas, das so noch niemand hinbekommen hat. Und dann muss dieses Element in einem internationalen Wettbewerb fehlerfrei gezeigt werden.
Beim Zuschauen wird so manchem schwindelig
Die berühmteste Erfindung von Biles ist ein Sprung, genannt "Biles II", oder auch "Yurchenko double pike". Die deutsche Übersetzung lautet etwas sperrig "Doppelhecht Yurchenko". Sie zeigte ihn bei der WM 2023 in Antwerpen.
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Und auch am Sonntag in Paris. Es ist eine Radwende auf das Sprungbrett, von dort geht es rückwärts in den Handstand auf dem Sprungtisch und dann in einem doppelten gehechteten Rückwärtssalto durch die Luft und zur (hoffentlich) sicheren Landung auf beiden Füßen. Das ist spektakulär. Und gefährlich. Schon beim Zuschauen wird einem schwindelig. Keine andere Frau und nur wenige Männer beherrschen diesen Sprung.
Und nun, acht Jahre, vier olympische Goldmedaillen und ein mentales Tief später, sind die Übungen von Simone Biles noch schwieriger geworden.
Biles nur am Stufenbarren nicht im Finale
In der Qualifikation führte sie ihre Mannschaft souverän ins Teamfinale am Dienstag (18:15 Uhr) und eroberte für sich noch vier Plätze in den Einzel-Finals: damit ist Biles am Donnerstag (18:15 Uhr) Favoritin auf den prestigeträchtigen Mehrkampf-Titel der Frauen und hat auch am Samstag und am kommenden Montag noch Chancen auf Einzelmedaillen.
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Nur am Stufenbarren (Sonntag) ist sie nicht für das Finale der besten acht Turnerinnen qualifiziert, da schnappte ihr die junge Deutsche Helen Kevric den achten Platz vor der Nase weg. Die 16-Jährige ist ebenso wie Sarah Voss auch im Mehrkampf-Finale der Top 24 noch dabei.
Aus der Krise rausgekämpft
Sportlich scheint Simone Biles also besser denn je zu sein, sie könnte an ihre phänomenalen Spiele von Rio anknüpfen. Und Olympia in Tokio, ihren sportlichen und persönlichen Tiefpunkt, zur Randnotiz in ihrem Lebenslauf machen. Vor drei Jahren verzichtete sie auf fast alle ihre Einzelfinals und gab mentale Probleme als Grund an. Sie wurde als Versagerin geschmäht.
Als Sportarzt soll Larry Nassar Dutzende Frauen missbraucht haben - auch, als schon Hinweise vorlagen. US-Behörden räumen Versagen ein und zahlen eine Millionensumme an die Opfer.
Aber auch gefeiert für ihre Courage, Schwäche einzugestehen. Sich dem System der Leistungsmaximierung zu entziehen, in dem sie ja nicht nur erfolgreich geworden ist, sondern auch Schlimmes erlebt hat: Biles gehört zu den amerikanischen Turnerinnen, die der ehemalige Teamarzt Larry Nassar über Jahre missbraucht hat.
Biles kündigt neues Element an
Heute ist bekannt, dass Biles in Tokio bei einem ihrer Sprünge die Kontrolle verloren hatte und nur zufällig auf den Füßen gelandet war. "Twisties" nennen sie das in Amerika, ein Phänomen, bei dem die Orientierung in der Luft verloren geht. Sprünge, wie Biles sie absolviert, bergen ohnehin viele Risiken. Mit einer gestörten Orientierung sind sie lebensgefährlich.
Doch die Qualifikation in Paris hat gezeigt: diese Turnerin weiß wieder sehr genau, wo sie in der Luft ist. Und was sie will. Nämlich zeigen, was sie kann. Sie hat angekündigt, bei diesen Olympischen Spielen am Stufenbarren ein neues Element präsentieren zu wollen. Zwei Versuche hat sie noch: im Team- und im Mehrkampffinale. Es ist das Gerät, an der ihr bisher noch keine Kreation gelungen ist, die ihren Namen trägt.