Skateboarding bei Olympia:Eine Sportart als Lebensschule
von Maik Rosner
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Skaten boomt auch dank Olympia. Teile der Szene sehen die Wettkämpfe aber kritisch. Denn eigentlich geht es um Kreativität, Freiheit und darum, nach dem Hinfallen aufzustehen.
US' Nyjah Huston competes in the men's street skateboarding prelims during the Paris 2024 Olympic Games at La Concorde in Paris on July 29, 2024. (Photo by Odd ANDERSEN / AFP)
Quelle: AFP
Kelvin Hoefler setzt zu einem Sprung an, bei dem er seinem Skateboard erst mit dem hinteren Fuß und dann mit dem vorderen je einen Impuls gibt, um damit abzuheben und es einmal komplett um die Längsachse rotieren zu lassen. Doch das ist längst nicht alles, denn bei der Landung setzt der Brasilianer nur mit Vorderachse seines Bretts (Boards) auf einer Metallstange (Rail) auf, um auf dieser zu rutschen (grinden).
Erst danach ist der Trick abgeschlossen. Das Publikum übertönt mit seinem Jubel und Beifall den Sound und die stampfenden Beats, die die Anlage in Paris auf dem Place de la Concorde beschallen.
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Möglichst viele und schwierige Tricks
Kickflip Nosegrind nennt sich die Trickkombination, die Hoefler aufgeführt hat. Es ist nur einer von vielen Tricks, die der 31-Jährige am Montag bei den Olympischen Spielen in seiner sogenannten Line des Street-Wettbewerbs zeigt.
Möglichst viele und schwierige Ticks müssen es in einem Lauf (Run) innerhalb von 45 Sekunden sein, damit die Wertungsrichter (Judges) eine hohe Punktzahl vergeben. Und möglichst elegant gestanden werden müssen die Tricks natürlich auch.
Ex-Profi Eichhorn lobt Niveau der Weltspitze
Was bei den Tricks wegen der Rasanz für Laien kaum erkennbar ist, kann Siegfried Eichhorn erklären. Der 48-Jährige ist ein ehemaliger deutscher Skateboard-Profi.
Siegfried Eichhorn hat als ehemaliger Skateboard-Profi unter dem Künstlernamen Holzach Keul an Wettkämpfen teilgenommen.
Quelle: Siegfried Eichhorn.jpg
Skateboarding: Popularität in Wellen
Sieben Jahre lang lebte Eichhorn einst vom Skaten und nahm unter seinem Künstlernamen Holzach Keul mehrfach an Welt- und Europameisterschaften teil. Damals, Mitte der 1990er-Jahre, erlebte das Skaten in Deutschland eine erste Hochphase. Die WM fand in jener Zeit als Münster Monster Mastership stets in Westfalen statt.
"Die Popularität des Skatens hat sich in Wellenbewegungen entwickelt", sagt Eichhorn. Derzeit boomt es wieder. Das liegt wohl auch an der erstmaligen Aufnahme ins olympische Programm bei den Sommerspielen 2021 in Tokio. Vor allem aber bekam das Skaten in der Pandemie viel Zulauf.
Viele Mädchen und Frauen skaten
Geskatet wird längst weltweit. "Skateboardfahren ist so groß wie noch nie", sagt Eichhorn, "das hat auch damit zu tun, dass die über 40-Jährigen wieder aufs Brett steigen, teils mit ihren Kindern."
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Hinzu kommt, dass sehr viele Mädchen und junge Frauen den Sport für sich entdeckt haben. Das Gros der Skaterinnen und Skater ist jung. Den olympischen Street-Wettbewerb der Frauen hatte am Sonntag die 14 Jahre alte Japanerin Coco Yoshizawa gewonnen.
Anfänge in den 1950er-Jahren
Die Anfänge der Sportart reichen in die 1950er-Jahre zurück, als Surfer in Kalifornien für die Zeit ohne Wellen nach einer Alternative an Land suchten. Später kamen weiche Rollen und die nach oben gebogenen Enden des Skateboards hinzu, wodurch viele Tricks erst möglich wurden.
Teile der Szene sehen es kritisch, dass Skateboarding zum Olympia-Programm gehört, weil Skaten für sie keinen Wettkampfsport darstellt. Für sie fährt man miteinander, nicht gegeneinander, aber jeder in seinem eigenen Stil.
Livestreams, vergangene Wettkämpfe und Highlights.
"Skaten ist ein Individualsport, um sich auszudrücken. Es ist wahnsinnig kreativ, du kannst fahren, wie und wo du willst", erklärt Eichhorn. Für ihn sei das Skaten zudem eine gute Lebensschule gewesen. "Beim Skaten bist du es gewohnt, hinzufallen und aufzustehen. Das prägt fürs Leben."
Noch immer steigt er gerne aufs Board, um so zu skaten, wie es eigentlich gedacht ist. Eichhorn formuliert es so:
Bei Olympia geht es für die Skater aber auch um Medaillen und Geld. Doch auch sie erleben, was jeder Hobbyfahrer kennt: Sie stürzen reihenweise. Also aufstehen und es wieder versuchen.