Olympia 2024: Saeid Fazloula beim Refugee Olympic Team

    Refugee-Team bei Olympia:Zwischen Schicksalsschlägen und Glück

    von Maik Rosner
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    Saeid Fazloula startet als einer von 37 Flüchtlingen bei Olympia. Die Geschichte des Kajakfahrers erzählt davon, was Menschen durchmachen, um zu überleben - und was Hilfe bewirkt.

    Der Kanu-Rennsportler Saeid  Fazloula 2020 vor einem Stapel von Kanus.
    Der iranische Kanu-Rennsportler Saeid Fazloula war 2015 über die Balkanroute nach Deutschland geflüchtet. Nach den Olympischen Spielen in Tokio tritt er nun auch bei Olympia 2024 in Paris an.
    Quelle: dpa

    Am Mittwoch (ab 9.25 Uhr ZDF-Livestream) wird Saeid Fazloula im Einer-Kajak über 1.000 Meter starten, als eines von 37 Mitgliedern des Refugee-Teams des Internationalen Olympische Komitees (IOC). Nicht zu sehen sein wird, was der 31-Jährige durchgemacht hat, um bei Olympia dabei zu sein, zum zweiten Mal nach Tokio 2021.
    Sehr lange hatte es gedauert, bis er vom Internationalen Kanu-Verband (ICF) als Flüchtling anerkannt wurde. Das aber war die Voraussetzung, um ins Refugee-Team aufgenommen zu werden. Fazloulas Präzedenzfall ebnete anderen Flüchtlingen den Weg.
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    Schon 2018 fürs deutsche Nationalteam qualifiziert

    Wenn Fazloula seine Geschichte mit der Flucht aus seiner Heimat Iran nach Karlsruhe erzählt, ist jederzeit mit Wendungen, Brüchen und Schicksalsschlägen zu rechnen, aber auch mit Momenten der Hoffnung und des Glücks. Zugleich sagt Fazloula, der seine Karriere nach den Spielen beenden wird:

    Ich bin ehrlich gesagt traurig, dass die Leute diese Olympia-Geschichte von mir immer so groß machen.

    Saeid Fazloula, Sportler bei den Olympischen Spielen

    Schließlich habe er es als Flüchtling schon 2018 und 2019 mit rein sportlichen Leistungen ins deutsche Nationalteam geschafft. "Diese Qualifikation allein war für mich wie ein Olympiasieg", sagt Fazloula.
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    Saeid Fazloula drohte die Todesstrafe

    Seine Geschichte kann hier nur angerissen werden. Wie viele Flüchtlinge musste er seine Heimat verlassen, um weiterleben zu können. Am Rande der WM 2015 hatte er den Mailänder Dom als Tourist besucht.
    Bei der Rückkehr in den Iran wurde er am Flughafen unter einem Vorwand abgefangen, bekam einen Sack über den Kopf gestülpt und sah sich einem tagelangen Psychoterror ausgesetzt. Der konstruierte Vorwurf: Er sei zum Christentum konvertiert. Im Iran steht darauf die Todesstrafe.

    Odyssee über die Balkanroute

    Unter Auflagen kam er frei, wohl auch, weil Journalisten ständig nach ihm gefragt hatten. Sein Vater machte ihm klar, dass er das Land umgehend verlassen müsse.
    Um unerkannt zu bleiben, machte sich Fazloula zunächst in Frauenkleidern und geschminkt auf den Weg. Es begann eine Odyssee über die Türkei, Griechenland, Nordmazedonien, Serbien, Kroatien, Ungarn und Österreich.
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    Er erlebte, wie Mütter ihre Kinder verloren und Menschen starben

    Auf seinem wochenlangen Weg aus dem Iran machte er immer wieder die Erfahrung, wie viel Unmenschlichkeit und Willkür Flüchtlinge ausgesetzt sind. Er erlebte, wie Mütter auf der Flucht ihre Kinder bei hektischen Pinkelpausen verloren, die Schlepper aber nicht kehrtmachten.
    Er sah Menschen sterben und kam in einem Schlauchboot nur mit Glück auf der griechischen Insel Lesbos an. Seine Erlebnisse und die ganze Geschichte hat Fazloula in seinem lesenswerten Buch "Gegen die Strömung" mit dem BR-Journalisten Taufig Khalil aufgeschrieben.

    Olympiasieger Hofmann half Fazloula entscheidend

    Über den Journalisten Bamdad Esmaili kam der Kontakt zu Detlef Hofmann von den Rheinbrüdern in Karlsruhe zustande. Hofmann, Olympiasieger von 1996 im Vierer-Kajak über 1.000 Meter, nahm sich Fazloula an und sagte ihm gleich beim ersten Treffen: "Du darfst ab morgen bei uns paddeln."
    Sein Leben, sagt Fazloula voller Dankbarkeit, hätte sich nicht so entwickelt, "wenn ich nicht großartige Menschen getroffen hätte, die bereit waren, einem Fremden zu vertrauen und für ihn zu kämpfen." Auch deshalb konnte sich Fazloula integrieren, beruflich und privat.
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    Nahm für Deutschland an WMs und EMs teil

    Nun also seine zweite Olympia-Teilnahme, bei der er unter die besten 16 kommen möchte. Zugleich ist ihm wichtig zu zeigen, es sportlich verdient zu haben, bei Olympia zu starten und dass er nicht nur dabei ist, weil er ein Flüchtling ist. Als Teil des deutschen Nationalteams hatte er an Welt- und Europameisterschaften teilgenommen, bei deutschen Meisterschaften war aufs Treppchen gefahren.
    "Das sind für mich die größten Erfolge", sagt Fazloula, "nicht unbedingt die Teilnahme an den Olympischen Spielen." Für die Zeit danach hat er dem IOC angeboten, sich in Flüchtlingsfragen einzubringen. Er wartet noch auf die Zusage.

    Omid Ahmadisafa (Iran, Boxen)
    Mohammad Amin Alsalami (Syrien, Leichtathletik)
    Sibghatullah Arab (Afghanistan, Judo)
    Mahboubeh Barbari Zharfi (Iran, Judo)
    Yekta Jamali Galeh (Iran, Gewichtheben)
    Adnan Khankan (Syrien, Judo)
    Alaa Maso (Syrien, Schwimmen)
    Kasra Mehdipournejad (Iran, Taekwondo)
    Amir Rezanejad (Iran, Kanu-Slalom)

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