Olympia 2024: Mieke Kröger - wie ein Stahlrad Beine macht

Mieke Kröger fällt auf. Sie ist eine große Frau, kleidet sich gern unkonventionell und sagt über sich selbst: "Ich gebe viel für Lacher." Nachdem sie ihr Outfit-Sortiment der deutschen Olympiamannschaft erhalten hatte, sagte sie, am liebsten würde sie ganz in Gelb durch Paris marschieren. In gelber Hose, gelbem Shirt und mit gelber Kappe.

Wenn alles nach Plan läuft, wird die 31 Jahre alte Radsportlerin in Frankreichs Hauptstadt aber vor allem sportlich auf sich aufmerksam machen - und das gleich doppelt. Denn zu ihrer dritten Olympia-Teilnahme hat sich Kröger einen Traum erfüllt: Sie will auf der Bahn versuchen, mit dem deutschen Quartett den Sieg in der Mannschaftsverfolgung von 2021 in Tokio zu wiederholen. Und auch im Einzelzeitfahren auf der Straße (Samstag, 14.30 Uhr / ZDF-Livestream) will sie um eine Medaille kämpfen.

Nicht so in diesem Jahr, da gewann Kröger bei der Deutschen Meisterschaft das Zeitfahren souverän vor U-23-Weltmeisterin Antonia Niedermaier.

Kröger ist fit, möglicherweise fitter denn je. Und selbstbewusst, auch das möglicherweise mehr denn je. Vom Himmel gefallen ist all das aber nicht, Kröger ist dafür ein Wagnis eingegangen.

Anstatt sich wie in der Branche üblich einem Profiteam anzuschließen und auf der World-Tour Kilometer zu schrubben, hat sie diesmal ganz allein ihr Ding gemacht: Sie trainierte viel auf einem Stahlrahmen-Rad, Marke "Eigenbau Mieke Kröger" - konstruiert unter Mithilfe des renommierten Rahmenbauers Christian Pyttel.

"Ich konnte mir die Zeit, die ich für mich brauche, nehmen", sagt Kröger. Sie musste sich nicht mehr dem Takt eines Profiteams unterordnen und auf Kommando Leistung liefern.

Zwar hatte sie so auch keinen Vergleich zur internationalen Konkurrenz, aber die nackten Zahlen reichten ihr als Indiz, auf dem richtigen Weg zu sein.

Jene auf der Waage zum Beispiel - die ihr verrieten, dass sie seit Anfang des Jahres sieben Kilogramm an Gewicht verloren hat. Und jene auf ihrem Bordcomputer, der alles Mögliche messen kann, vor allem aber ihre getretene Leistung mit zugehöriger Herzfrequenz anzeigt. "Diese Daten über mich gibt es seit 2010", sagt Kröger.

Aktuell sind die Zahlen gut. Und die Stimmung ist es auch.

Dass es sich für sie auszahlt, Dinge anders zu machen, weiß Kröger seit 2021. Damals traute sie sich im Vorfeld der Olympischen Spiele von Tokio, ihr Problem mit der üblichen Taktik in der Mannschaftsverfolgung anzusprechen.

Jede Fahrerin des Quartetts führt die Kolleginnen für zwei Mal zwei Runden an, muss in dieser Zeit also Vollgas geben, während die anderen im Windschatten etwas Kraft sparen.

"Aber ich konnte mich nach meiner ersten Führung nie richtig erholen", sagt Kröger: "Ich bin mehr so ein Diesel, Tempowechsel liegen mir nicht - und verweist auf ihre Statur mit 1,83 Meter Körperlänge:

Der Bundestrainer und Krögers Teamkolleginnen zeigten Verständnis und stimmten einem Test zu: Kröger übernahm an Position vier die Führung und gab diese nicht nach zwei, sondern erst nach vier oder etwas mehr Runden wieder ab.

Dafür ging sie danach raus und musste kein zweites Mal ran. "Es hatte niemand damit gerechnet, wie geil das ist", erzählt Kröger. Aber olympisches Gold mit Weltrekord und die anschließenden Siege bei EM und WM zeugen davon. "Das hat mir so viel Sicherheit und Selbstvertrauen gegeben", sagt Kröger:

Bliebe also nur noch die Sache mit ihrer heimlichen Lieblingsdisziplin, dem Einzelzeitfahren auf der Straße. Im U-23-Bereich ist Kröger im Kampf gegen die Uhr zwei Mal Europameisterin und einmal WM-Zweite geworden.

Doch erst jetzt hat sie sich den Traum vom doppelten Olympiastart erfüllt. Der Zeitfahr-Kurs in Paris dürfte ihr liegen, er geht über flache 32,4 Kilometer.

Ihr Ziel? "Hinter der Ziellinie das Gefühl haben, nur noch am Boden liegen zu wollen", sagt sie: "Wenn man das nicht schafft, ist das nicht sonderlich erfüllend."