Vlado Stenzel wird 90: Wie er den Handball revolutionierte

    Vlado Stenzel wird 90 Jahre alt:Wie der "Magier" den Handball revolutionierte

    von Erik Eggers
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    Der 78er Weltmeister-Trainer Vlado Stenzel feiert 90. Geburtstag. Der Einfluss des Pioniers auf den modernen Hallenhandball kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.

    Vlado Stenzel, der jugoslawische Trainer der deutschen Handballnationalmannschaft, trägt lachend eine Krone, jubelt und wird gefeiert am 5.2.1978 in Kopenhagen.
    Brachte den Hallenhandball in Deutschland entscheidend voran und gewann mit der Nationalmannschaft 1978 den Weltmeistertitel: Vlado Stenzel.
    Quelle: dpa / langkilde, morten

    Das Foto wirkt wie inszeniert. Es erweckt den Eindruck, als trage der damalige Handball-Bundestrainer Vlado Stenzel einen Heiligenschein. Die massenhaft publizierte Aufnahme zeigte den Kroaten am 20. November 1976 in der rumänischen Provinz in Ploesti tatsächlich beim Aufwärmen der Torleute. Der Fotograf drückte zufällig ab, als einer der Spieler mit seinem hellen Trainingsanzug hinter ihm stand und so Stenzels Kopf hell umrahmte.

    Vlado Stenzel eilt Ruf eines Zauberers voraus

    Stenzel, der am 23. Juli seinen 90. Geburtstag feiert, war zwar nie ein Heiliger. Schon im Herbst 1974 aber wurde er in der Wochenzeitung "Zeit" als "Handball-Magier" verehrt.
    Der Ruf eines Zauberers eilte dem Coach voraus, seitdem er mit Jugoslawien überlegen das olympische Handballturnier 1972 in München gewonnen und mit diesem Team gewissermaßen den modernen Hallenhandball völlig neu erfunden hatte.
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    In der Geschichte des Hallenhandballs gab es keinen anderen Trainer, der einen derart großen Einfluss auf das Spiel ausübte. Für Heiner Brand, der Deutschland 2007 zum WM-Sieg führte und 1978 unter Stenzel Weltmeister wurde, war der Kroate "seiner Zeit weit voraus". Den westdeutschen Handball weckte Stenzel, als er 1974 die DHB-Auswahl übernahm, aus dem Dornröschenschlaf. "Vlado war der Erste, der hier überhaupt Hallenhandball lehrte", sagt Brand.

    Deutschland zu lange dem Feldhandball verhaftet

    Deutschland, eines der Mutterländer des Handballs, hatte zu lange auf den Feldhandball gesetzt. Überspitzt formuliert, ließ Bundestrainer Werner Vick 1972 in München noch Feldhandballtaktiken in der Halle spielen; im DHB-Rückraum gab es keinen Schützen, der aus dem Sprungwurf heraus den Erfolg suchte. Angeführt von Milan Lazarevic und Djordje Lavrnic, konnten die athletischen Jugoslawen das fast alle.
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    Als in den 1960er Jahren deutlich wurde, dass die Zukunft des Handballs in der Halle liegen würde, hatten die Jugoslawen viel experimentiert. Neben Verbandskapitän Ivan Snoj zählte der ehemalige Keeper Stenzel, der sich früh dem Trainerberuf zugewandt hatte, zu den innovativsten Köpfen.

    Wir haben damals unheimlich viel ausprobiert und auch wieder verworfen.

    Vlado Stenzel

    Er hospitierte in anderen Sportarten und suchte die Zusammenarbeit mit Psychologen. "Meine Devise war immer: von den Besten lernen", sagte Stenzel. Im Handball war er der erste Coach, der Teams aufgrund von Psychogrammen zusammenstellte. Stars wie Hansi Schmidt, die das Gefüge aus seiner Sicht störten, sortierte er aus 1974 daher aus. Und setzte stattdessen auf junge, hungrige Spieler wie Joachim Deckarm, Heiner Brand oder Kurt Klühspies.

    Stenzel erfindet die 3:2:1-Deckung

    Insbesondere das Abwehrspiel revolutionierte Stenzel mit der 3:2:1-Deckung, in der ein weit vorgezogener Verteidiger den zentralen Aufbauspieler des Gegners störte und auch die beiden Halbverteidiger weit auf die Schützen hinausgingen. Das war eine taktische Antwort auf die wurfgewaltigen rumänischen Werfer wie Gheorghe Gruia.
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    Weil mit dieser "jugoslawischen Verteidigung", wie sie seither heißt, die Flügelspieler und der Kreisläufer mehr Raum bekamen, modifizierte Stenzel zudem das Torwartspiel. Der Star von 1972, Abas Arslanagic, bewegte sich kaum im Tor, nahm den Schützen aber dadurch, dass er ihm entgegenkam, den Schusswinkel. Bis heute gilt die jugoslawische Torwartschule als prägend.

    Mein wichtigstes Motiv bestand darin, es dem Ostblock zu zeigen.

    Vlado Stenzel

    Daher bezeichnete der Kroate das "Wunder von Karl-Marx-Stadt", als der DHB im Duell mit der DDR durch einen gehaltenen Siebenmeter von Torwart Manfred Hofmann das Olympiaticket 1976 löste, auch als "meinen wichtigsten Sieg".

    WM-Titel als Initialzündung für westdeutschen Handball

    Doch selbstverständlich bedeutete der WM-Triumph von 1978, als Deckarm Co. im Finale gegen die favorisierten Sowjets 20:19 siegten, für den westdeutschen Handball eine viel größere Initialzündung. Viele seiner damaligen Spieler besuchen Stenzel, der seit 2018 in den Nähe von Sibenik an der Adria wohnt, nun anlässlich seines Ehrentages und feiern ihn.

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