Nathalie Armbruster: Von der Schulbank zur WM

Das Pensum, das Nathalie Armbruster täglich bewältigt, ist derart anspruchsvoll, dass allein der Blick darauf den Atem raubt, so viel ist los im Alltag dieser jungen Frau von 19 Jahren. Armbruster ist eine der besten nordischen Kombinierinnen der Welt, derzeit führt sie die Weltcup-Gesamtwertung an, bei der WM in Trondheim ist sie eine der großen Favoritinnen. Daneben ist sie auch noch im ambitionierten Abistress. Denn Armbruster möchte die Prüfungen mit einer 1 vor dem Komma absolvieren.

Überlegungen, dass nach dem Komma eine 0 stehen sollte, hat sie unlängst bei ihrem Besuch im "aktuellen sportstudio" des ZDF allerdings als zu surreal bezeichnet: "Diesen Anspruch kann ich nicht haben. Das wäre ungesund, als Leistungssportlerin auch noch das schaffen zu wollen."

Denn ihr Programm hat es in sich: An Wettkampftagen steht sie um sechs Uhr auf und geht gegen Mitternacht ins Bett. Dazwischen liegen Lernstunden, Ski-Tests und der Wettkampf von der Schanze und in der Loipe, Interviews sowie der Termin bei den Physios. Ihr Schultag mit Training und Lernen spielt sich zwischen 6.30 bis 23 Uhr ab.

Viel Zeit, um Luft zu holen bei derart vollgepackten Tagen bleibt Armbruster nicht, sogar "unter der Dusche mache ich mir Stress, weil ich denke, ich müsste eigentlich lernen", gesteht die 19-Jährige. Ihre Mutter ermuntert ihre Tochter bisweilen dazu, die Bücher und die Langlaufstöcke einfach mal ein paar Augenblicke liegen zu lassen. Das gelinge ihr auch, denn Susanne Armbruster sagt:

Das Interesse an dieser zielstrebigen Frau mit dem gewinnenden Lächeln ist deshalb so groß, weil sie ein paar Kapitel deutscher Sportgeschichte geschrieben hat. In Seefeld gewann Armbruster am 1. Februar dieses Jahres als erste deutsche Kombiniererin ein Weltcup-Rennen und einen Tag später gleich noch eins, was mit dem Gewinn des ersten Seefeld-Triples für Frauen verbunden war.

Zuletzt gewann Armbruster im estnischen Otepää die WM-Generalprobe, diesmal vor der Norwegerin Ida Maria Hagen, die acht von zwölf Saisonwettkämpfen für sich entschied.

Armbruster trägt trotz der Brillanz ihrer Konkurrentin Hagen das Gelbe Trikot der Weltcup-Führenden, weil ihr der Gesamterfolg in Seefeld die doppelte Punktzahl einbrachte. Hagen hingegen wurde dort wegen eines zu weiten Sprunganzuges disqualifiziert.

Zwei Einzel- und ein Mixed-Wettbewerb (ZDF live) stehen im Granasen Skizentrum oberhalb von Trondheim ab Donnerstag für die Kombiniererinnen an, in all diesen Konkurrenzen hat Armbruster Medaillenchancen. "Es wäre wunderschön, wenn es klappt", sagt sie.

Ihr Abi legt Armbruster in einem Gymnasium im heimischen Freudenstadt ab, sie hat sich gegen den Besuch eines Sportinternats entschieden. Denn "die beste Ablenkung erhalte ich in der Familie, mit meinen Eltern, meinen beiden Katzen und meinem Kaninchen".

Der größte Traum der eloquenten und aufgeschlossenen Nathalie Armbruster wäre eine Teilnahme an den Olympischen Winterspielen. Doch das IOC erteilte den Kombinierinnen für 2026 eine Absage - Begründung: zu geringes Zuschauerinteresse, zu wenige teilnehmende Nationen. Und für die Spiele 2030 droht diese Sportart aus denselben Gründen ganz aus dem Programm zu fliegen.

Armbruster kann das nicht nachvollziehen:

Bei der WM-Generalprobe in Otepää etwa schaffte es neben ihr und Hagen auch die Japanerin Haruka Kasai aufs Podium - "und mehr als drei Nationen können da nun mal nicht stehen", sagt Nathalie Armbruster.