Zehnkämpfer Neugebauer mit historischem Saisonstart
Historischer Saisonstart:"No Limits" für Zehnkämpfer Leo Neugebauer
von Eike Schulz, Austin, Texas
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Leo Neugebauer hat bei den "Texas Relays" mit 8.708 Punkten für einen Paukenschlag gesorgt. Nie zuvor ist ein Zehnkämpfer so früh so gut in eine Saison gestartet.
Zehnkämpfer Leo Neugebauer beim Stabhochsprung bei den Texas Relays in Austin, USA
Quelle: Imago
8.708 Punkte kurz vor Ostern! Für Leo Neugebauer, 23 Jahre alt, seit 2023 deutscher Rekordhalter im Zehnkampf, Student an der Universität in Austin, zählen mittlerweile andere Grenzen. Dan O’Brien (USA), der Zehnkampf-Olympiasieger von Atlanta 1996, grübelt im Mike A. Myers-Stadium, wie er als dreimaliger Weltmeister in den 90ern, in eine Saison gestartet sei: "Vielleicht mit 8.400 Punkten, nicht viel mehr."
Achtungszeichen in erster Olympia-Saison
Kein Zehnkämpfer war je zu diesem Zeitpunkt besser als Neugebauer, der WM-Fünfte des vergangenen Jahres. Zum Vergleich: Die bisherige Bestleistung von Europameister Niklas Kaul liegt bei 8.691 Punkten, aufgestellt 2019 in Doha, als Weltmeister.
Und Frank Busemann kam bei seinem Sensationssilber in Atlanta, hinter Dan O’Brien, auf 8.706 Punkte. Was also ist bei Neugebauer möglich? Weltrekord? Olympiasieg?
Neugebauer, ein Modell-Athlet mit 108 Kilogramm Körpergewicht, bleibt bescheiden:
Edrick Floréal, Head-Coach der Universität von Texas, fügt hinzu: "Die schlechte Nachricht für seine Konkurrenten: Leo ist noch gar nicht fit." Soll heißen: Nach seinem deutschen Hallenrekord vor drei Wochen in Boston war die Pause, um zu regenerieren, viel zu kurz.
Texas Relays: 51,50 m Persönliche Bestleistung: 55,06 m
Texas Relays: 5,10 m Persönliche Bestleistung: 5,21 m
Texas Relays: 58,99 m Persönliche Bestleistung: 58,99 m
Texas Relays: 4:51:05 min Persönliche Bestleistung: 4:42:68 min
Top-Leistungen im Stundentakt
Neugebauers Leistungen erstaunen gerade durch seine immer noch ausbaubare Technik, wie im Hoch- und Stabhochsprung. 4.620 Punkte am ersten Tag. Bei der WM in Budapest war er als Führender nur um 20 Punkte besser.
Und: Nur zwei Deutsche sammelten jemals am ersten Tag mehr als 4.600 Punkte: Ex-Rekordhalter Jürgen Hingsen, Olympia-Zweiter 1984, und Paul Meier, WM-Dritter 1993.
Nach jeder Disziplin gab es in Austin nur maximal 40 Minuten Pause. Nach dem Start über 100 Meter (10,74 Sekunden) und dem 400-Meterlauf (47,99 Sekunden) waren gerade mal viereinhalb Stunden vergangen. Dazwischen flog die 7,25 Kilogramm schwere Kugel auf die Bestleistung von 17,26 Metern, einer Weite, die seine Konkurrenz erschrecken wird.
Beobachter der 96. Auflage der "Texas Relays" sehen keine Limits bei Neugebauers Leichtigkeit. In Austin, wo Studenten und High-School-Absolventen sich beim zweitgrößten Leichtathletik-Event der USA in unterschiedlichen Leistungsklassen messen, ist das Ziel aller: Die Qualifikation für die US-College-Meisterschaften. Der einzige Deutsche, der dort einen Rekord hält, heißt Leo Neugebauer.
Schenk: "Geschenk für die Leichtathletik"
Die Hürden am zweiten Tag läuft er gedrosselt und leicht. Den Diskus "verhaut" er im dritten Versuch neben den Sektor, wo die Scheibe bei über 54 Meter landet. Der Chronist im Zehnkampf notiert trotzdem gültige 51,50 Meter im zweiten Versuch.
Der Speerwurf ergibt die zweite Bestleistung in Austin, mit 58,99 Meter. Der 1.500-Meter-Lauf - wie der Speerwurf seine "schlechteste" Disziplin - bleibt eine Qual nach 4:51:05 Minuten.
Christian Schenk, 1988 der letzte deutsche Zehnkämpfer mit Olympiagold, sieht in Neugebauer "ein Geschenk für die Leichtathletik". Riesig sei sein Potenzial. Chefcoach Floréal nennt auf die Frage, mit wem er Neugebauer vergleichen könnte, als erstes den Olympiasieger im Dreisprung von 1996, Kenny Harrison.
Doch Floréal überlegt: "Nein, eigentlich, von der Körpergröße, der Geschmeidigkeit, der Kraft, das erinnert mich an Bolt." Was für ein Kompliment an Leo Neugebauer, der seinem Ziel, den Zehnkampf seines Lebens in Paris zu bestreiten, in Siebenmeilen-Stiefeln entgegenspurtet.