Speer-Wunderkind Dehning:Über 90 Meter: "Der Wurf hat alles verändert"
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Max Dehning feuert seinen Speer Ende Februar sensationell auf über 90 Meter. Urplötzlich steht der 19-Jährige als aktuell Weltjahresbester im großen Rampenlicht.
Speerwerfer Max Dehning verbesserte seine Bestleistung mit seinem 90-Meter-Wurf um mehr als zehn Meter. (Archivbild)
Quelle: imago
ZDFheute: Herr Dehning, Sie sind im 90-Meter-Klub der Speerwerfer angekommen. Wie fühlt sich das an?
Max Dehning: Das alles ist für mich noch immer einfach unbeschreiblich. Es ist unvorstellbar, dass ich da auf einmal 90 Meter weit geworfen habe. In der Woche vorher lag ich vier Tage krank im Bett. Dann habe ich nochmal zwei Trainingseinheiten gemacht, da hat wirklich gar nichts mehr geklappt.
ZDFheute: Aber Ihr Trainer, Matthias Rau, hat interveniert.
Dehning: Genau, er meinte, ich müsse in Halle werfen, damit ich beim Europacup jetzt am Wochenende in Portugal dabei sein kann. Also bin ich hingefahren, hatte aber gar kein gutes Gefühl. Bis zum Einwerfen. Da dachte ich: Was ist denn jetzt los? Da sind die Dinger alle über 85 Meter weit geflogen. Meine Bestleistung stand ja seit 2022 bei 79 Metern. Dass ich in diesem Jahr 83 oder 84 Meter schaffen kann, hätte ich schon gedacht. Aber nicht nach der Krankheit. Ich wusste gar nicht mehr, was Sache ist.
... 19 Jahre, Speerwerfer. Dehning absolvierte im Rahmen seines Fachabiturs ein Praktikum beim TSV Bayer 04 Leverkusen und wechselte 2022 von der LG Celle-Land nach Leverkusen.
Erfolge: Zweiter der U-20-WM 2022. Seit der U16 regelmäßig deutscher Meister in seiner Altersklasse.
90-Meter-Wurf: Bei den deutschen Winterwurf-Meisterschaften Ende Februar in Halle/Saale holte Dehning seinen ersten Männer-Titel und ließ seinen Speer auf 90,20 Meter fliegen - weiter hat weltweit noch kein U23-Athlet geworfen. Die Weite bedeutet auch die erfolgreiche Norm-Erfüllung für die EM im Juni in Rom und für die Olympischen Spiele im Juli/August in Paris.
ZDFheute: Dann begann der Wettkampf.
Dehning: Ich wollte den ersten Wurf erstmal locker machen. Damit ich einen gültigen Versuch habe. Ich wollte da nicht draufhauen. Ich habe gerade bei den ersten Wettkämpfen oft ein Problem mit der Linie, mit dem Abfangen. Ich will dann zu viel, will zu wenig verschenken, all so was. Diesmal wollte ich den ersten Versuch einfach nur gültig machen.
ZDFheute: Es ist dann ein bisschen mehr geworden.
Dehning: Ich bin nach vorne, habe gestemmt, den Speer abgeworfen – und der kam einfach nicht mehr runter. Ich habe mich erstmal umgedreht und gedacht: Das wird auf jeden Fall eine Bestleistung werden.
ZDFheute: Was bedeutet dieser 90-Meter-Wurf jetzt für die anstehende Saison?
Dehning: Meine ganze Wettkampfplanung wurde auf den Kopf gestellt. Ich brauche mir keinen Stress mehr zu machen. Eigentlich war mein großes Ziel, mich für die EM in Rom zu qualifizieren. Aber direkt im ersten Wettbewerb habe ich die Normen für Olympia in Paris und für die EM abgehakt.
ZDFheute: Haben Sie eine Erklärung für diese Verbesserung Ihrer Bestleistung um mehr als zehn Meter?
Dehning: Also erstmal fleißiges Training. Ich bin athletischer geworden. Und zwischen Oktober und Februar habe ich über neun Kilo abgenommen. Gewicht musste runter, damit ich mich beim Wurf vorn besser abfangen kann, ohne Schmerzen zu haben. Die Kraftwerte sind nach oben gegangen und technisch habe ich mich weiterentwickelt.
Dazu kommt, dass ich im vergangenen Jahr die ganze Saison mit dem Pfeifferschen Drüsenfieber zu tun hatte, das hat meine Technik beeinflusst. Sonst hätte ich im letzten Jahr schon eine Weite über 80 Meter hinbekommen.
In Deutschland übertrafen vor Dehning nur fünf Speerwerfer die magischen 90 Meter: Johannes Vetter (97,76), Thomas Röhler (93,90), Raymond Hecht (92,60), Andreas Hofmann (92,06) und der aktuelle Bundestrainer Boris Obergföll (90,44). Europameister Julian Weber kratzte mit 89,54 Metern knapp an der Marke. Den Weltrekord hält seit 1996 der Tscheche Jan Zelezny (98,48).
Vetter und Weber sind neben Dehning wohl die ernsthaftesten Anwärter auf ein Ticket für die Olympischen Spiele in Paris. Röhler war im vergangenen Jahr nach langwierigen Rückenproblemen noch nicht wieder in alter Form, Hofmann riss sich im Juni das Kreuzband.
ZDFheute: Mit einer 90-Meter-Bestleistung geht es bei Olympia nicht mehr nur um eine Teilnahme, da ist auch eine Medaille in Reichweite, oder?
Dehning: So eine Leistung muss man aber auch erstmal bei einer großen Meisterschaft abrufen. Dafür bewundere ich einen Johannes Vetter (Weltmeister 2017, Anm. d. Red.) oder Julian Weber (Europameister 2022, Anm. d. Red.).
So, wie es im Moment im Training aussieht, war das bei mir auf jeden Fall kein Glückswurf. Ich denke, dass ich in der Sommersaison noch das eine oder andere Mal Weiten von mehr als 85 Meter anbieten kann. Ob es jetzt nochmal eine 90 wird, weiß ich nicht.
ZDFheute: Machen Sie sich Sorgen, dass jetzt immer der große Wurf von Ihnen erwartet wird? Beim Europacup am Wochenende in Portugal werden Sie im Rampenlicht stehen.
Dehning: Ich mache mein Training fleißig weiter und lasse mich von außen nicht beeinflussen. Nächster Olympiasieger, so etwas geht ja jetzt schon durch die Medien, aber das blende ich aus. Ich bin 19 Jahre, ich komme gerade erst in das Männerfeld rein, ich brauche noch keinen Druck auf mich selber auszuüben.