"Verständnis" für Fanproteste:Investoren-Zoff: Hitzlsperger kritisiert DFL
von Pierre Winkler
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Thomas Hitzlsperger, Ex-Vorstandsboss des VfB Stuttgart, macht die Clubs für die Fanproteste verantwortlich. Außerdem spricht er über die Folgen seines Coming-outs vor zehn Jahren.
Sehen Sie hier die Sendung "Markus Lanz" vom 14. Februar 2024.15.02.2024 | 45:00 min
Seit Wochen protestieren Fans in deutschen Fußballstadien massiv gegen die Entscheidungen ihrer eigenen Vereine. Alleine am vergangenen Wochenende mussten sieben von neun Partien der Bundesliga unterbrochen werden, weil Zuschauer Gegenstände wie Tennis- oder Gummibälle auf den Rasen warfen.
Für Thomas Hitzlsperger zeigt dieser Protest "wie so oft im Leben mangelnde Kommunikation". Er wolle nicht "so tun, als käme ich gerade aus der Kurve und kämpfe jetzt für die Fans", sagte der ehemalige Vorstandsvorsitzende des VfB Stuttgart am Mittwochabend bei Markus Lanz. "Ich habe aber Verständnis."
Hintergrund des Protests ist der beschlossene Einstieg eines Investors bei der DFL, dem Zusammenschluss der 36 Vereine aus 1. und 2. Bundesliga. Die DFL will für einen Zeitraum von 20 Jahren acht Prozent der Erlöse aus Medienrechten an einen Investor verkaufen und erhofft sich dadurch Einnahmen von einer Milliarde Euro.
Hitzlsperger: Vereine haben Kommunikation verschlafen
Vor der entscheidenden Abstimmung im Dezember hätten die Vereine genug Zeit gehabt, "ihre Gremien und ihre Mitglieder zu informieren mit all dem, was sie wussten".
Die Verantwortlichen hätten es aber nicht geschafft, "zuhause ihre Mitglieder so zu informieren, dass wir nicht an einen Punkt kommen, wo wir heute sind, dass viele unzufrieden sind und dass Spiele vielleicht demnächst noch abgebrochen werden müssen".
Es gebe mittlerweile überall Fans, "die sich tiefgehend mit dem Verein beschäftigen, mit dem ganzen Fußballgeschäft, mit den Strukturen". Dabei müsse klar sein, dass "kein Clubvertreter, kein Vereinsvertreter mehr mit irgendwelchen billigen Aussagen davonkommt".
Kein weiteres Coming-out nach Hitzlsperger
Zudem äußerte sich Hitzlsperger über sein Coming-out vor zehn Jahren und die Frage, warum seitdem in Deutschland kein weiterer aktiver oder ehemaliger Profi seine Homosexualität öffentlich gemacht habe. Das sei ein "gesellschaftliches Thema", sagte der ehemalige Nationalspieler, nicht nur eines im Fußball.
"Es ist Fluch und Segen zugleich, dass man es sich aussuchen kann, ob man das Leuten mitteilt oder nicht", sagte Hitzlsperger. "Leider beschließen viel zu viele Menschen für sich, dass sie das für sich behalten, dass sie so tun wollen, als wäre die Welt in Ordnung."
Er selbst wolle mit seinem Beispiel vorangehen:
Problem Männerfußball?
Die Journalistin und ehemalige Fußballerin Lena Cassel wandte ein: "Der Männerfußball im Speziellen ist nach wie vor ein Habitat, wo toxische Männlichkeits-Strukturen nach wie vor der Status quo sind, wo heteronormative Denkweisen nach wie vor Status quo sind."
Es sei "toll", dass in Profimannschaften Spieler unterschiedlicher Herkünfte zusammenkämen. "Aber das bedeutet auch: unterschiedliche Religionen. Du hast vielleicht religiöse Christen, du hast Muslime, die das eventuell qua ihrer Kultur, ihrer Religion ablehnen", sagte Cassel.
"Und was ich mich frage ist: Wie reagiert der Verein, wenn sich der Topspieler XYZ plötzlich homophob intern in der Kabine äußert?"
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