Jannik Sinner: Wieso der Dopingfall im Tennis so komplex ist
FAQ
Kontroversen um Freispruch:Dopingfall Sinner: Was klar ist und was nicht
von Jannik Schneider
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Tennis-Star Jannik Sinner darf bei den US-Open antreten - trotz positiver Dopingtests. Fragen und Antworten zu dem kontroversen Dopingfall.
Dopingtests beim Weltranglisten-Ersten Jannik Sinner waren positiv. Schuld an der Kontaminierung soll der Physiotherapeut des Tennis-Stars sein.
Quelle: AP
Der Dopingfall von Jannik Sinner wurde diese Woche weit über die Tenniswelt hinaus diskutiert. Der Fall ist komplex; es gibt nicht nur Schwarz oder Weiß. In einem FAQ klärt ZDFheute die wichtigsten Fragen:
Um welche Substanz handelt es sich im Dopingfall?
Clostebol ist ein synthetisches, anaboles Steroid, das aus Testosteron gewonnen wird. In der WADA-Verbotsliste steht es unter Sektion S1 der verbotenen "anabolic agents". Zwischen 2019 und 2023 wurden 38 italienische Athleten positiv auf Clostebol getestet Doping-Experten wie der Brite Edmund Willison befürchten, dass Clostebol in Cremeform in kleinen Mengen von italienischen Athleten verwendet wird.
Sinner wurde bei zwei Dopingtests am 10. sowie 18. März 2024 positiv auf das Steroid Clostebol getestet. Es steht auf der Verbotsliste der Weltantidopingagentur (WADA). Sinner wurde daraufhin von der International Tennis Integrity Agency (ITIA) - sie ist im Tennis für die Abwicklung und Ermittlung bei Dopingfällen zuständig - wie üblich informiert und sofort vorläufig gesperrt. Ein Hauptverfahren wurde eingeleitet. Sinner und sein Anwaltsteam gingen umgehend juristisch gegen die vorläufige Suspendierung vor, plädierten auf Kontaminierung.
Der Einspruch hatte Erfolg: Sinners vorläufige Suspendierung wurde aufgehoben. Der 23-Jährige durfte im April weiterspielen, wurde Weltranglisten-Erster. Im Hintergrund wurden sein Team und er mehrmals von der ITIA verhört, das Hauptverfahren wurde vorbereitet. Nach der Anhörung am 15. August machte die ITIA den Fall und das Ergebnis diese Woche (21.8.) öffentlich.
Ein von der ITIA einberufenes unabhängiges Tribunal des Londoner Gremiums "Sport Resolution" habe bei Sinner "kein Verschulden oder Fahrlässigkeit" festgestellt. Nach einer Beratung mit wissenschaftlichen Experten, die Sinners Erklärung für glaubwürdig hielten, habe die ITIA im Hauptverfahren nicht gegen Sinners Erklärung argumentiert. Sinner erhielt keine Sperre, darf bei den am Montag beginnenden US Open teilnehmen. Da die Substanz während des Mastersturnier in Indian Wells im März aber definitiv in Sinners Körper war, werden Sinner laut Regelwerk die Punkte und das Preisgeld des Turniers abgezogen.
Preisgeld und Weltranglistenpunkte weg, aber keine Sperre. Jannik Sinner wird zwei Mal positiv auf ein Steroid getestet, kommt recht glimpflich davon. Experten reagieren entsetzt.
Wie hat Sinner die unverschuldete Kontaminierung erklärt - und ist das glaubwürdig?
Laut des 33-Seiten-langen ITIA-Berichts hatte Sinners Fitnesscoach Umberto Ferrara das medizinische Spray "Trofodermin", das Clostebol enthält, im Februar in einer Apotheke in Bologna rezeptfrei erworben. Warum er das tat, geht aus dem Bericht nicht hervor.
Sinners Physiotherapeut Giacomo Naldi habe sich am 3. März an einem Skalpell - zur Behandlung von Hornhaut an den Füßen des Spielers - am Finger geschnitten und zwei Tage einen Verband getragen. Nach der Abnahme soll Ferrara Naldi empfohlen haben, Trofodermin auf die Schnittstelle zu sprühen.
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Naldi habe das Spray vom 5. bis 13. März benutzt und in diesem Zeitraum tägliche Ganz-Körper-Massagen bei Sinner ausgeführt sowie Verbände an den Füßen gewechselt. Dabei habe er keine Handschuhe getragen. So sei die Substanz in sehr geringer Dosis übertragen worden. Am Tag der ersten positiven Dopingprobe am 10. März habe er sich vor Sinners Behandlung den Finger zweimal eingesprüht. Er könne sich nicht erinnern, sich davor die Hände gewaschen zu haben. Als Konsequenz habe er sich von seinen Physiotherapeuten getrennt, berichtete Sinner am Freitag.
Nachdem die ITIA Sinner selbst zweimal befragt hatte, akzeptierte sie, dass Sinner nicht gewusst habe, dass sein Fitnesstrainer in Besitz von Trofodermin war. Dass Sinner nicht gewusst habe, dass das Mittel eine verbotene Substanz enthielt. Und - dass Sinner nicht wusste, dass sein Physiotherapeut das Mittel genutzt habe.
Drei wissenschaftliche Experten haben die versehentliche Kontaminierung bestätigt. Die ITIA akzeptierte die Erklärung des Spielers auf der Basis von Wahrscheinlichkeiten. Dopingexperte Fritz Sörgel äußerte gegenüber Sport1 Zweifel.
Jannik Sinner darf zu den US Open, obwohl er zwei Mal positiv auf ein Steroid getestet wurde. Ein Doping-Experte ist entrüstet, die Wada will sich den Fall ansehen.
Ist das Verfahren unabhängig und fair abgelaufen?
Das Anwaltsteam von Sinner reagierte zweimal noch am Tag der Information über das Testergebnis, um die vorläufige Sperre aufzuheben und gewann. Nur deshalb blieb der Fall geheim.
Der Spieler durfte weiterspielen, während die ITIA im Hintergrund bis zum abschließenden Hauptverfahren durch das Gremium Sport Resolution ermittelte. Ein ITIA-Sprecher sagte auf Anfrage von ZDFheute: "Die Welt-Anti-Doping-Agentur habe für solch provisorische Sperren keine exakte Regelung, dieses Verfahren aber abgesegnet."
Pikant: Zwei von Sinners Anwälten von "Onside Law" - Jamie Singer und Kendrah Potts - haben in der Vergangenheit bereits die ITIA vertreten. Potts soll nicht fest bei "Onside Law" arbeiten sondern als eine Art Freelancerin agieren. So hat Potts beim Fall der Tennisspielerin Tara Moore, die ihre vorläufige Suspendierung nicht angefochten und 19 Monate auf ein Urteil warten musste, für die ITIA gearbeitet. In der Anwaltswelt sind unterschiedliche Auftragsannahmen nicht unüblich. Auf den Fall Jannik Sinner und die Unabhängigkeit wirft es kein gutes Licht.
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Jannik Sinner tritt als topgesetzter Spieler bei den US Open an. Die ITIA hat angekündigt, nicht gegen das Urteil vorzugehen. Sowohl die italienische Anti-Doping-Agentur (gilt als höchst unwahrscheinlich) als auch die WADA haben das Recht, das Urteil anzufechten. Die WADA kündigte an, das Urteil genau zu prüfen. Die spanische Zeitung Marca schreibt, die WADA habe bis zum 10. September Zeit, Einspruch einzulegen.
Quelle: dpa
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