Es geht um nicht weniger als um die Teilnahme an den Olympischen Spielen. "Das ist für jeden Sportler das Größte", sagt Lukas Mertens, Handballprofi in Diensten des SC Magdeburg vor dem Qualifikationsturnier in Hannover, in dem die Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) gegen Algerien am Donnerstag (17:45 Uhr), Kroatien (
Samstag, 14:30 live im ZDF) und Österreich (Sonntag, 14:10 Uhr/ARD) mindestens Platz Zwei belegen muss.
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Für Trainer Gislason geht es um alles
Alfred Gislason, 64, ist als Aktiver bereits unter den fünf olympischen Ringen aufgelaufen, 1988 in Seoul für Island. Als DHB-Bundestrainer musste er 2021 in Tokio einen enttäuschenden Viertelfinal-K.o. gegen Ägypten hinnehmen. Gislason weiß also, worum es in den kommenden Tagen geht. Aber nicht deshalb war der Trainer am Dienstag, als er in einem digitalen Pressetermin zur Lage befragt wurde, erkennbar angefasst.
Denn es geht in Hannover auch um sein weiteres Schicksal als Bundestrainer. Sollte das Team das Olympiaticket nicht lösen, was für den deutschen Handball einen Tiefschlag bedeuten würde, dann ist der Vertrag, den
Gislason beim DHB bis zur Heim-WM 2027 unterschrieben hat, nicht mehr gültig - im Unterschied übrigens zu Frauen-Bundestrainer Markus Gaugisch. So hatte es der DHB Anfang März mitgeteilt.
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Die Frage, ob er deshalb besonderen Druck verspüre, fand Gislason dennoch abwegig. "Ich bin seit gefühlt 50 Jahren Trainer", sagte er mürrisch. Wenn die Sache schief gehe, dann sei eine Trennung normal, so sei nun einmal das Geschäft. Ihm selbst sei eine Vertragsverlängerung vor dem Turnier "nicht besonders wichtig gewesen". Und außerdem: Es hätte ja die Option gegeben, selbst im Falle eines Olympiatickets getrennter Wege zu gehen.
Das war freilich ein neuer, überraschender Aspekt in dieser Causa, weshalb Gislasons Ausführungen Nachfragen provozierten. Darauf aber reagierte der Isländer giftig. "Wie oft muss ich das noch wiederholen?", fauchte der Bundestrainer und verschränkte nun die Arme vor seiner Brust.
Wenn sein Team auf dem Platz ähnlich intensiv verteidigt, wie der Bundestrainer bei normalen Nachfragen, dann dürften die Chancen der DHB-Auswahl für Paris 2024 steigen. Die angespannte personelle Situation im Kader immerhin hatte sich in der ersten Einheit wieder entspannt.
Entscheidung gegen Österreich
Die angeschlagenen Kreisläufer Johannes Golla (SG Flensburg-Handewitt) und Jannik Kohlbacher (Rhein-Neckar Löwen) hätte mittrainieren können und seien spielfähig, erklärte Gislason. Ein Comeback von Hendrik Pekeler (THW Kiel) steht demnach nicht an.
Das dünne Nervenkostüm des Bundestrainers ist freilich erklärbar. Da Algerien, das bei der WM 2023 gegen Deutschland unterging (21:37) als krasser Außenseiter vermutlich ohne Punkte bleiben wird, dürfte die Entscheidung für die DHB-Auswahl wohl erst am Sonntag im Spiel gegen Österreich fallen. Nicht ausgeschlossen, dass am Ende der direkte Vergleich zwischen Kroatien, Österreich und Deutschland den Ausschlag gibt.
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Hoffnungsträger Knorr bekommt Entlastung
Hinzu kommt, dass Juri Knorr (Löwen), dem im deutschen Rückraum eine Schlüsselrolle zukommt, nach der EM in ein Leistungstief gestürzt ist. "Er geht schon länger sehr
selbstkritisch mit sich um", sagt Gislason, "wir können ihn nur unterstützen".
Im Gegensatz zur Europameisterschaft stehen Gislason nun aber mit Luca Witzke (Leipzig) und Marian Michalczik (Hannover) zwei gelernte Rückraum Mitte zur Verfügung, was Knorr entlasten wird.
DFB-Team mit Erfahrung
Ein sportlicher Selbstläufer jedenfalls ist die Olympiaqualifikation keineswegs. Und auch wenn die deutsche Mannschaft recht jung ist, waren mit Torhüter Andreas Wolff, Rechtsaußen Timo Kastening, Knorr, Golla und Kohlbacher immerhin sechs Profis schon bei den Olympischen Spielen 2021 in Tokio dabei.
Allein Wolff war bereits 2016 in Rio de Janeiro dabei, als das Team Bronze holte - damals unter Trainer Dagur Sigurdsson. Jenem Landsmann Gislasons, der nun in Hannover auf der Bank Kroatiens sitzt.