EM: Deutsche Handballerinnen zum Siegen verdammt

Vier Stunden haben die deutschen Handballerinnen gebraucht, um am Mittwoch bei der 16. EURO in Österreich die Standorte zu wechseln. Es ging per Eisenbahn von Innsbruck aus Tirol, dem Vorrundenstandort, zur Hauptrunde in die Hauptstadt Wien, wo das Team von Bundestrainer Markus Gaugisch ab dem 5. Dezember noch das Unmögliche schaffen will.

Vier Siege braucht es dafür vermutlich, um das erste Mal seit 2008 wieder ein Halbfinale eines großen Turniers zu erreichen. Dieses Ziel hatten die Spielerinnen um die beiden Kapitäninnen Emily Bölk und Alina Grijseels im Vorfeld ausgerufen. Aber davon wollten die Spielerinnen nach der Vorrunde nicht mehr sprechen.

Tatsächlich ist das Team zu einer Leistungsexplosion gezwungen, weil es nach der klaren 22:29-Niederlage gegen die Niederlande nun 0:2-Punkte in die Hauptrunde mitnimmt. Und dort warten nun mit Dänemark und Norwegen, die je 2:0-Punkte aufweisen, zwei Topfavoritinnen auf die Deutschen.

Zunächst aber geht am Donnerstag gegen die Schweizerinnen, einen EM-Neuling, der mit viel Euphorie aus Basel angereist ist. "Das ist eine Mannschaft, die mit viel Rückenwind kommt", weiß die Metzingerin Behnke, die wie ihre Kolleginnen viele Schweizerinnen aus der Bundesliga kennt, etwa die Aufbauspielerinnen Kerstin Kündig oder Lisa Frey.

Tatsächlich erlebt der Frauenhandball in der Schweiz einen Aufschwung, den niemand besser kennt als Ingo Meckes. Denn der neue Sportvorstand des Deutschen Handballbundes hat in der Schweiz das neue Ausbildungssystem, das sich stark an den Niederlanden orientiert, selbst mit aufgebaut - und nun soll er, freilich in modifizierter Form, den Aufbau vier regionale Trainingszentren im DHB-Jugendbereich managen.

Dennoch geht die DHB-Auswahl als Favorit in die Partie. Während die beiden Kapitäninnen Bölk und Grijseels bisher noch nicht in Topform agierten, präsentierte sich der EM-Neuling Nina Engel auch beim abschließenden Sieg in der Vorrunde gegen Island (30:19) in großer Spiellaune. Die erst 21-Jährige Linkshänderin aus Bensheim glänzte mit starkem Eins-gegen-Eins und spielte selbstbewusst auf.

Dafür erhielt sie vom Bundestrainer ein Extralob. "Super", sagte Gaugisch. Engel spiele frei und sehr mutig und erfrischend auf.

Ob die deutschen Stars wie Bölk und Grijseels, die im Gegensatz zu Engel seltsam gehemmt wirken, einen Schritt nach vorn machen können, um vor der WM im eigenen Land 2025 mehr Selbstbewusstsein zu tanken und das Interesse der Fans zu wecken, werden indes erst die Partie gegen Dänemark am Samstag und Norwegen am Montag demonstrieren.

Viel Hoffnung wecken die letzten Resultate nicht. Gegen das aufstrebende Dänemark kassierte die DHB-Auswahl vor einem Monat jedenfalls eine deprimierende 19:34-Niederlage. Und auch gegen Norwegen war zuletzt wenig zu holen. Allerdings haben die Skandinavierinnen nach dem Rücktritt ihrer Regisseurin Stine Oftedal einen Umbruch zu verkraften.

Es wäre jedenfalls wie eine Wiederauferstehung des deutschen Frauenhandballs, sollte das Team auch im letzten Hauptrundenspiel gegen Slowenien am Mittwoch noch eine Chance auf die Medaillen haben. Die zwei besten Teams aus der Sechsergruppe erreichen das Halbfinale, das ebenfalls in Wien ausgespielt wird.