FIFA-Vergabe 2034: Was hat Saudi-Arabien von der Fußball-WM?
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Experte zum FIFA-Entscheid 2034:Was hat Saudi-Arabien von der Fußball-WM?
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Kann die Fußball-WM in Saudi-Arabien die Menschenrechtslage verbessern? Islamwissenschaftler Sebastian Sons hält die Idee für naiv - und sieht Unterschiede zum Turnier in Katar.
In zehn Jahren findet die Fußball-WM in Saudi-Arabien statt. Islamwissenschaftler Sebastian Sons über die Menschenrechtslage sowie die wirtschaftlichen und sportlichen Chancen.14.12.2024 | 10:23 min
Seit dieser Woche steht fest: Die Fußball-Weltmeisterschaft 2034 wird in Saudi-Arabien stattfinden. Während das Land diese Entscheidung feiert, gibt es auch Kritik - vor allem wegen der Menschenrechtslage in dem autoritären Land.
Im aktuellen sportstudio ordnet Islamwissenschaftler Sebastian Sons die Kritik am Zuschlag für Saudi-Arabien ein - und hinterfragt die Hoffnung, eine WM könne die Menschenrechtslage verbessern. Sehen Sie oben das Interview in voller Länge und lesen Sie hier die wichtigsten Aussagen.
... ist Wissenschaftler für die arabischen Golfmonarchien beim Bonner Forschungsinstitut CARPO. 2016 erschien sein Buch "Auf Sand gebaut. Saudi-Arabien - Ein problematischer Verbündeter" und im September 2022 "Menschenrechte sind nicht käuflich. Warum die WM in Katar auch bei uns zu einer neuen Politik führen muss." Er bereist Saudi-Arabien, Katar und die anderen Golfstaaten seit 2009 regelmäßig.
Sons zur Vergabe der Fußball-WM 2034 nach Saudi-Arabien
Sons sieht die Vergabe der Fußball-WM nach Saudi-Arabien als "logische Entwicklung". "Saudi-Arabien hat in den letzten Jahren tatsächlich sehr massiv in den Sport investiert, nicht nur in den Fußball", erklärt er. Das Land möchte sich bekannter machen, so Sons.
Eine WM biete die Möglichkeit, eine nationale Sportindustrie aufzubauen sowie Begeisterung und Jobs zu schaffen. "Das ist genau das, was Saudi-Arabien braucht, und von daher macht das aus strategischen Gründen sehr viel Sinn".
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... zur Fußballkultur in Saudi-Arabien
Dabei widerspricht Sons der Aussage, es gebe in dem Land keine Fußballkultur. "In Saudi-Arabien gibt es durchaus eine große Fußballbegeisterung. Saudi-Arabien hat sich sechsmal für eine Weltmeisterschaft qualifiziert. Auch saudische Fußballvereine sind durchaus erfolgreich in der asiatischen Champions League."
Das sei nicht das, was aus "unserer" Sichtweise Erfolg oder Tradition ausmache, aber viele Menschen vor Ort fühlten sich respektlos behandelt, wenn ihnen diese Begeisterung abgesprochen würde.
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... zur Lage der Gastarbeiter
Die Situation der Arbeitsmigranten sei "prekär", sagt Sons. "Wir haben strukturelle Gewalt, wir haben weiterhin noch ausbeuterische Verhältnisse", erklärt Sons. "Und wir haben vor allen Dingen eben auch wirklich mafiöse Strukturen, in denen in Saudi-Arabien Akteure von der Migration profitieren, von der Ausbeutung der Migranten."
Letzteres gelte auch für die Heimatländer der Arbeitsmigranten wie Pakistan und Bangladesch oder afrikanischen Länder. "Viele Rekrutierungs-Agenten verdienen sehr viel Geld damit".
... zur Frage, ob eine WM die Menschenrechtslage verbessern kann
Diese Vorstellung hält Sons für "naiv". Saudi-Arabien sei ein sehr selbstbewusstes Land und trage diese WM "nicht für uns aus und möchte nicht uns gefallen, sondern in erster Linie sich selbst."
Sons glaubt dennoch, dass es größere Möglichkeiten gebe, um mit saudischen Akteuren ins Gespräch zu kommen. Es gehe darum, miteinander statt übereinander zu sprechen. In Katar sei dies ein großes Problem gewesen. "Da waren die Fronten extrem verhärtet."
... zur Lage in Katar nach der WM 2022
"Es hat sich nicht wirklich nachhaltig etwas verbessert, es gibt immer noch ähnliche Probleme wie auch vor der WM", sagt Sons über Katar. "Das ist ein großes Problem, insbesondere eben auch von den beteiligten Unternehmen, über die in meiner Meinung nach viel zu wenig kritisch gesprochen wird, die ja auch dafür zuständig sind, dass die Arbeitsbedingungen für die Migranten tatsächlich auch gewahrt werden."
Es sei zwar nicht zu den Verbesserungen gekommen, die man sich erhofft und erwünscht habe, aber kleine Schritte sei Katar durchaus wegen des Drucks aus der Öffentlichkeit gegangen.
... zu Saudi-Arabiens Sport-Strategie
Sebastian Sons sieht vor allem drei Dinge, die Katar erreichen wolle:
"Zum ersten möchten sie die Marke Saudi-Arabien schärfen, sie möchten in der Welt wahrgenommen werden und übrigens nicht nur und ausschließlich im Westen, nicht nur in Europa, nicht nur bei uns, nicht nur in den USA, sondern vor allen Dingen auch in Lateinamerika, in Asien und in Afrika." Ein Beispiel seien die Investitionen in die saudische Fußballliga. Dabei gehe es auch darum, muslimische Fußballer ins Land zu holen, wie beispielsweise den früheren Liverpool- und Bayern-Spieler Sadio Mané.
Der zweite Aspekt sei ein innergesellschaftlicher: Saudi-Arabien investiere auch in den Breitensport - denn das Land habe eine "sehr junge Bevölkerung, die den Sport liebt und auch Sport treiben muss, um produktiv zu sein. Um diese wirtschaftliche Transformation voranzutreiben."
Zuletzt gehe es auch um eine Legitimation der politischen Führung, vor allen Dingen des Kronprinzen Mohammed bin Salman.
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... zum Vorwurf des "Sportswashing"
Sons findet den Begriff "Sportswashing" problematisch, weil der impliziere, dass man ausschließlich ablenken wolle von Missständen. Saudi-Arabien gehe aber es vor allem darum, alles zu tun, um die Wirtschaft zu stärken und Jobs zu schaffen.
Für das aktuelle sportstudio geführt von Jochen Breyer, für ZDFheute zusammengestellt von Katja Belousova.
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Quelle: Reuters
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