Fußball: So wichtig ist die Winterpause für Sportler
Interview
Sportmediziner Tim Meyer:So wichtig ist die Winterpause für Fußballer
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Vom 23. Dezember bis 17. Januar 2025 hat die Bundesliga Winterpause. Tim Meyer, Ex-Teamarzt des DFB, erklärt im Interview, warum sie nötig ist - und wie Spieler sie nutzen sollten.
Nicht nur die Wetterlage, auch die Regeneration ist ein Grund für die Winterpause im Fußball. (Archivfoto)
Quelle: dpa
Die Winterpause in der Fußball-Bundesliga ist umstritten: Zu kurz, zu wenig Regeneration? Die englische Premier League und die italienische Serie A verzichten ganz darauf. Professor Tim Meyer, ehemaliger Teamarzt der deutschen Nationalmannschaft, spricht über Sinn und Folgen der Pause.
ZDFheute: Welche Auswirkungen hat die Winterpause auf den Körper und die Regeneration der Spieler?
Tim Meyer: Die Winterpause wirkt auf Spieler ähnlich wie auf andere Arbeitnehmer: Nach einer stressigen Phase mit hoher Belastung entsteht ein Bedürfnis nach Erholung - frei von Training und vielen Reisen.
Für Profisportler hat die Pause jedoch eine weitere Bedeutung: Viele tragen chronische Überlastungen oder kleinere Verletzungen mit sich herum, die im engen Spielplan kaum auskuriert werden können. Die Winterpause bietet die Chance, diese Beschwerden auszuheilen und so mit besseren Voraussetzungen in die Rückrunde zu starten.
Die Fußball-Bundesliga war in der Saison 2023/24 laut einer Studie die Liga mit dem höchsten Verletzungsrisiko der fünf Top-Ligen in Europa - und das trotz weniger Spieltage.
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ZDFheute: Welche Rolle spielt die Winterpause für die mentale Erholung der Spieler?
Meyer: Sich wohlfühlen ist etwas, was man nicht unterschätzen darf, wenn Spieler in die Rückrunde hineingehen. Denn dadurch können nicht nur Verletzungen vermieden werden, sondern auch bessere Leistungen erbracht werden.
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ZDFheute: Wie lang sollte eine ideale Winterpause sein, damit Spieler ausreichend regenerieren können? Der BVB hat diese Saison mit nur 18 Tagen die kürzeste Pause - reicht das aus?
Meyer: Die ideale Länge der Winterpause ist nicht leicht zu bestimmen, da viele Faktoren berücksichtigt werden müssen. Oft wird lediglich der Vergleich zwischen Ligen gezogen, doch dabei unterscheiden sich nicht nur die Pausenlänge, sondern auch Aspekte wie Klima, Stadionbedingungen oder die Qualität der Rasenplätze.
Generell gilt auch: Wird die Winterpause länger, wird entweder danach der Spielplan enger oder die Sommerpause kürzer, also man darf das nicht ganz isoliert betrachten. Rein aus sportmedizinischer Sicht wäre eine Länge von drei bis vier Wochen sicherlich notwendig. Das passt auch zu den Ergebnissen einer Studie mit der Liga, die wir bei der Verkürzung der Pause in den Saisons 2008/09 und 2009/10 durchgeführt haben.
Prof. Dr. Tim Meyer ist Sportmediziner und leitet das Institut für Sport- und Präventivmedizin der Universität des Saarlandes. Von 2001 bis 2023 gehörte er zum Ärzteteam der deutschen Fußball-Nationalmannschaft und begleitete das Team bei sechs Welt- und fünf Europameisterschaften. Seine Aufgaben waren dort die medizinische Versorgung außerhalb orthopädischer Probleme, sowie Leistungsdiagnostik und Anti-Doping-Management.
Zusammen mit weiteren Expertinnen und Experten stand er während der Coronapandemie der "Task Force Sportmedizin/Sonderspielbetrieb" vor und entwickelte das medizinisch-hygienische Konzept, das 2020 als Grundlage für den Re-Start des Spielbetriebs in der ersten und zweiten Bundesliga diente.
ZDFheute: Führt eine kürzere Winterpause zu einem höheren Verletzungsrisiko beim Wiedereinstieg ins Training?
Meyer: Eine kürzere Winterpause erschwert es, chronische Beschwerden vollständig auszukurieren. Wird die Pause nicht optimal genutzt, also zum Beispiel mit kompletter Passivität am Strand, bedeutet der Wiedereinstieg ins Training eine abrupte Umstellung im Vergleich zu den vorherigen, weniger aktiven Tagen. Dies könnte erklären, warum schwerere Verletzungen häufig direkt zu Beginn der Trainingsphase auftreten.
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ZDFheute: Was können die Spieler tun, um die Winterpause sinnvoll zu nutzen und diese Verletzungsanfälligkeit zu minimieren?
Meyer: Viele, wenn nicht alle, Klubs gehen bereits den richtigen Weg, indem sie den Spielern maßgeschneiderte Programme zur Verfügung stellen. Entscheidend ist dabei die Individualisierung: Ein Torwart wird nicht wie ein Mittelfeldspieler behandelt, ein verletzter Spieler nicht wie ein gesunder.
Auch private Faktoren spielen eine Rolle - etwa, ob ein Spieler eine Familie mit Kindern hat oder allein lebt. Diese Aspekte beeinflussen die Erholung und sollten in die Gestaltung der Winterpause einfließen.
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ZDFheute: Wie sieht ein solches Programm aus?
Meyer: Heute wird oft von "PreHab" (Prähabilitation, Anm. der Redaktion) gesprochen, einer Kombination aus Rehabilitation und Prävention. Dabei geht es darum, an individuellen Schwächen in Bereichen wie Haltung, Beweglichkeit und Kraft gezielt zu arbeiten. Spieler, die beispielsweise Schwächen in Sprint oder Ausdauer haben, können auch diese gezielt trainieren. Auch eine Behandlung verletzungsbedingter Einschränkungen zählt dazu.
Das Ziel von "PreHab" ist es, Schwächen frühzeitig zu erkennen und ihnen entgegenzuarbeiten, bevor Verletzungen entstehen.
ZDFheute: Sollte die Winterpause in ihrer jetzigen Form erhalten bleiben?
Meyer: Die Winterpause sollte definitiv beibehalten werden und so lange dauern, wie es der Spielplan der Rück- und Vorrunde sowie die Sommerturniere zulassen. Eine zusätzliche Woche Pause wäre sicherlich vorteilhaft, die Umsetzung wird jedoch zunehmend schwieriger.
Das Interview führte Kyra Fehr.
Quelle: Reuters
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