DFB-Elf vor Rückspiel: Nagelsmann vertraut Kleindienst

Im ersten Moment schien Tim Kleindienst ein bisschen begriffsstutzig. Dass der 29-Jährige im Länderspiel-Klassiker gegen Italien (2:1) beinahe ja zwei Tore erzielt hätte - mit dieser These konnte ein Torjäger nicht wirklich etwas anfangen. Ihm war nach dem Viertelfinalhinspiel der deutschen Nationalmannschaft in der Nations League im altehrwürdigen Giuseppe-Meazza-Stadion nur sein Ausgleichstreffer in Erinnerung.

Kurzes Rätselraten. Gemeint war sein Beinahe-Eigentor kurz nach dem 2:1 von Leon Goretzka, als der hinten aushelfende Mittelstürmer Kleindienst die Kugel nach einer Ecke tückisch aufs eigene Gehäuse lenkte.

"Der war echt knapp. Schlotti (Nico Schlotterbeck) ist voll vorbeigesegelt, den habe ich nicht mehr kommen sehen. Weil ich so ein bisschen zusammenzucke, lenke ich den unfassbar ab. Aber wir haben ja einen super Torhüter", bedankte sich Kleindienst bei Keeper Oliver Baumann. Wie die neue Nummer eins hatte auch die Nummer neun viele Pluspunkte bei diesem Prestigesieg gesammelt.

Wenn Bundestrainer Julian Nagelsmann "von geringfügigen Anpassungen" fürs Rückspiel in Dortmund (Sonntag 20:45 Uhr) spricht, dürfte die Sturmbesetzung gemeint sein. Überraschend begann ja Jonathan Burkardt, der eifrig, aber glücklos wirkte. Für den 24-Jährigen kam Kleindienst zur Pause, der prompt mit einem präzisen Kopfball traf. Übersehen von der italienischen Abwehr, obwohl der Mittelstürmer von Borussia Mönchengladbach immerhin 1,94 Meter misst.

"Schöner kann ein Abend nicht enden. Das hat unfassbar viel Spaß gemacht", sagte Kleindienst nach seinem vierten Länderspiel. Der gebürtige Brandenburger ist noch immer von jeder Nominierung ganz gerührt, obwohl er eigentlich der logische Vertreter für den verletzten Niclas Füllkrug ist. Als fast baugleicher Stürmertyp, der über hohe körperliche Präsenz kommt.

Insofern interessant, dass Nagelsmann zunächst dem lauf- und einsatzfreudigen Burkardt den Vorzug gab, der in der Bundesliga - genau wie Kleindienst - bei 15 Toren steht. Der Kapitän des FSV Mainz 05 rieb sich bei seinem ersten Startelfeinsatz auf. Er habe "keine leichte Aufgabe" gehabt, erklärte Nagelsmann hinterher, dennoch habe er "zwei, drei gute Aktionen" gesehen.

Die Offensive galt vor den Duellen gegen die Squadra Azzura als größte Baustelle, da Füllkrug und Kai Havertz beide Oberschenkelverletzungen erlitten. Damit fehlen zwei EM-Stützen. Der Offensivallrounder Havertz zog sich die schwere Blessur im vergangenen Monat im Training beim FC Arsenal zu und musste operiert werden. Die Reha des 25-Jährigen wird sich über die restliche Saison erstrecken.

Havertz steht auch beim Final Four der Nations League Anfang Juni noch nicht zur Verfügung, wenn Deutschland mit einem Halbfinaleinzug zum Ausrichter gekürt würde. Und auch bei Füllkrug ist nicht garantiert, dass er gleich wieder in den Rhythmus kommt, denn einen Stammplatz bei West Ham United besaß der 32-Jährige noch nicht.

Seine Verbundenheit zum Nationalteam hat der kopfballstarke Sympathieträger mit seiner Stippvisite beim Training auf dem Gelände des BVB in Dortmund-Brackel demonstriert. Gleichwohl stellte Nagelsmann nicht ohne Grund klar, dass diejenigen nicht für die WM 2026 infrage kommen, die im Verein keine festen Plätze haben:

Insofern ist es nur logisch, dass der 37-Jährige gerade im Sturm nun Optionen testet, die im Verein absolute Leistungsträger sind. Wie Kleindienst und Burkardt.

Im Gegensatz zu Deniz Undav, der wie viele Nationalspieler des VfB Stuttgart im Formtief steckt. Eine formstarke Alternative wäre Tim Woltemade, der fast zwei Meter große Schlaks der Schwaben. Dieser ist aber gerade für die U21-Nationalmannschaft unterwegs - und soll dort auch im Sommer spielen, wenn die EM für das wichtigste DFB-Nachwuchsteam ansteht.